Eine Erzählung von Faquarl
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1. Eine Vertraute König Irovettis
Im Herbst werden wir vom Besuch einer uns bisher unbekannten jungen Frau überrascht. Auf ihr Drängen hin gewähren wir der Dame bereits kurz nach ihrem Eintreffen einen Empfang durch den Hohen Rat. Selbstsicher tritt sie vor. Ihre Haut ist tiefschwarz und die verfilzten Haare reichen ihr in langen Strähnen über die Schultern. Mit wachem Blick inspiziert sie den Ratssaal und richtet ihre Worte dann direkt an den Fürsten. In wenigen, knappen Sätzen stellt sie sich vor. Sie ist Christine Balgator aus Pitax, eine enge Vertraute von Castruccio Irovetti, dem durch die Gnade der Götter rechtmäßigem König von Pitax. Unverblümt kommt sie auf ihr Anliegen zu sprechen. „König Irovetti beobachtet die Geschehnisse im kleinen Rivien schon seit längerem und fragt sich: Wie stehen die Rivas zu Pitax?“ Die Direktheit der Frage ist irritierend und herausfordernd zugleich. Selbstverständlich war Pitax das ein oder andere Mal Gesprächsthema im Hohen Rat, doch bisher haben wir keine Strategie festgelegt, keinen Kurs, den wir König Irovetti gegenüber einschlagen wollen. Noch hatten wir keinen Kontakt mit Pitax und uns auch nicht um die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen bemüht. Vielmehr waren es unsere direkten Nachbarn – die Aldori Schwertherren in Restov, die Varns in den Niemannhöhen und Hannis Drelew im Hakenzungensumpf – bei welchen wir vorstellig wurden. Pitax hingegen stand nie auf unserer Agenda, wohl auch weil unser Auftraggeber Jomani Surtowa hieß und um die Feindschaft zwischen dem Hause Surtowa und Pitax kein Geheimnis gemacht wird. Doch auch nachdem Jomani als Bürgermeister Restovs abgesetzt wurde, waren die Anreize für eine Kontaktaufnahme gering. Denn auch die neuen Herrscher über die Rostlande sind keine Freunde Irovettis. Die Schwertherren in Mivon tragen seit Jahrzehnten militärische Konflikte um die Grenzregionen mit Pitax aus. Aber nicht nur die Sorgen unseren direkten Nachbarn auf die Füße zu treten hielten uns davon ab Boten nach Pitax zu entsenden. Was man bisher aus Pitax vernahm war uns stets suspekt. Irovetti gilt als Tyrann. Willkür scheint das einzige kontinuierliche Prinzip seines Handelns zu sein. Seine Feinde versucht er durch militärische Stärke abzuschrecken und anstelle von Freundschaften und Bündnissen zieht er es vor Vasallen zu unterhalten. So auch Baron Hannis Drelew. Als dieser notgedrungen Pitax um Hilfe bat, waren die Soldaten Irovettis sofort zur Stelle und mit ihnen hielt Korruption und Kriminalität Einzug. Die schlechten Beziehungen zwischen einigen Adelshäusern Brevoys und die beunruhigenden Nachrichten von der Drelewfeste haben uns bisher davon abgehalten Kontakte nach Pitax zu knüpfen.
Doch wollen wir Frau Balgator selbstverständlich nicht vergraulen und sind prinzipiell immer zu Gesprächen über mögliche Bündnisse bereit. Doch die forsche Gesandte gibt sich mit den Floskeln des Fürsten nicht zufrieden. Gerade heraus spricht sie die Konflikte zwischen Pitax und Brevoy an und will wissen, ob wir uns der Nation Brevoy zugehörig fühlen oder nicht. „Wir sehen uns als eigenständiges Adelshaus und Fürstentum“, entgegnet Moraven selbstbewusst. „Also bin ich hier gerade nicht in Brevoy?“ „Ihr seid in Rivien.“ Ich unterstreiche diese Aussage des Fürsten mit einem Nicken. Frau Balgator beäugt uns weiterhin misstrauisch. Tatsächlich entspricht diese Auffassung nicht ganz unserem Selbstverständnis. Zwar wären wir vermutlich gerne so eigenständig wie behauptet, doch sahen wir uns bisher stets eng an Brevoy gebunden und auch Noleski Surtowa, Königsregent ganz Brevoys, betrachtet Rivien als Teil seiner Einflusssphäre.
Christine Balgator informiert uns über geheime Treffen einiger Oberhäupter einflussreicher Adelsfamilien. In diesen ausgewählten Runden habe man über uns, über Rivien, gesprochen. Es wäre darüber beraten worden auf welcher Seite wir stehen und ob wir dem König gegenüber loyal seien. Auch gäbe es Pakte, welche uns betreffen. Von solchen Treffen höre ich das erste Mal. Offensichtlich schienen die Lodowka nicht eingeweiht gewesen zu sein, was angesichts unseres Bündnisses jedoch nicht verwunderlich ist. Doch gab es diese Treffen wirklich? Oder versucht die Gesandte aus Pitax nur einen Keil zwischen uns und den brevoyschen Adel zu treiben? Ich will genaueres über die Pakte herausfinden, von welchen Frau Balgator sprach, doch sie bleibt vage. Vermutlich ist sie selbst nicht im Bilde über den Inhalt der dort getroffenen Vereinbarungen – falls es solche tatsächlich geben sollte.
„Über kurz oder lang müsst ihr euch entscheiden. Auf welcher Seite steht ihr? Brevoy oder Pitax?“ Unmut macht sich breit unter den Mitgliedern des Hohen Rates. Erwartet sie etwa, dass wir uns dem Tyrannen Irovetti unterwerfen, wie es Hannis Drelew tat? „Ein Bündnis mit Pitax bietet euch viele Vorteile. In ganz Brevoy fürchtet man unsere militärische Stärke.“ Die unterschwelligen Drohungen sind nicht zu überhören und in den Gesichtern einiger Ratsmitglieder ist bereits die Zornesröte zu sehen, doch Moraven bleibt gelassen. „Was versteht ihr vom Jonglieren?“ Zum ersten Mal scheint es der Gesandten die Sprache verschlagen zu haben. „Die hohe Kunst ein Fürstentum zu leiten besteht darin, alle Bälle gleichzeitig im Auge zu behalten.“ Ein Lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. „Ich kann verstehen, dass ihr Ambitionen hegt beim Spiel der Großen teilzuhaben. Aber nicht Rhetorik entscheidet über eure Zukunft, sondern Macht. Früher oder später wird es hier zum Krieg kommen. Wo in Golarion, wenn nicht hier? Genau hier, an diesem Ort. Die Flusskönigreiche südlich von euch sind das vielleicht am meisten umkämpfte Gebiet Golarions. Brevoy, eine gespaltene Nation, die sich nur de jure auf einen gemeinsamen Namen geeinigt hat. Issien und die Rostlande sind seit jeher verfeindet. Viele zarte Blühten, die aus der Wiese des brevoyschen Adels sprossen, verwelkten. Im Namen Irovettis biete ich euch eine Partnerschaft an.“ „Eine Partnerschaft?“, frage ich skeptisch, „Oder eine Knechtschaft?“ Christine Balgator wendet sich mir zu. „Hannis Drelew konnte sich und seine Leute nicht mehr beschützen. Als dieser Surtowa ihn im Stich ließ bettelte er förmlich um Hilfe. Ihr jedoch seid nicht hilflos, oder? Selbstverständlich kann ich euch kein Bündnis auf Augenhöhe anbieten, aber wir verlangen von euch nicht das Knie zu beugen.“ Zumindest in diesem Punkte scheint das Angebot akzeptabel zu sein. Nun droht eine Diskussion zwischen einigen Mitgliedern des Hohen Rates zu entbrennen, doch Moraven sorgt für Ruhe und bittet um etwas Bedenkzeit. Man will sich in Ruhe über das freundliche Angebot beratschlagen. Christine Balgator zuckt mit den Schultern. „Ich werde euch nicht dazu drängen in diesen Tagen auf das Angebot einzugehen. Aber langfristig, sei es in einigen Monaten oder in wenigen Jahren, werdet ihr eine Entscheidung treffen müssen. Noch fühlt ihr euch sicher, noch unterhaltet ihr enge Beziehungen nach Brevoy. Über kurz oder lang wird es jedoch zum Krieg kommen. Wer sich bekriegen wird? Das lässt sich nicht vorhersehen. Aber zu einer vereinten brevoyschen Armee, das wissen wir alle, wird es in diesem Jahrtausend nicht mehr kommen. Was die militärische Schlagkraft angeht, so ist Pitax besser aufgestellt als die meisten Adelshäuser Brevoys. Ihr habt die Wahl, doch solltet ihr die Hand, die man euch reicht, nicht leichtfertigt ausschlagen.“
Sie ist bereits im Begriff zu gehen, da meldet sich Kevil zu Wort. „Seid ihr eine offizielle Gesandte von König Irovetti?“ Langsam wendet Frau Balgator sich dem Hexenmeister zu und taxiert ihn mit kühlem Blick. „Es ist nicht zu verkennen, dass ihr ein Surtowa seid. Das hochnäsige Gehabe, was man in Brevoy pflegt, scheint auf diesen Ort abzufärben. Ich habe mit König Irovetti gesprochen, bevor ich mich auf den Weg machte.“ Kevil setzt ein weiteres Mal an. Ich versuche ihm mit einer Handbewegung verständlich zu machen, dass es besser ist den Mund zu halten, doch er scheint es nicht zu bemerken. „Bekleidet ihr ein Amt oder nicht?“ Moraven verdreht angesichts dieser Frage die Augen. „Sagen wir einfach: Ich bin eine gute Freundin von Castruccio Irovetti. Ist euch das offiziell genug? Oder brauche ich noch einen Brief mit Stempel, der mich als Vertraute des Königs ausweist? Soll ich das nächste Mal einen Freundschaftsvertrag vorlegen?“ Der hitzige Kevil will etwas entgegnen, doch Moraven beendet das Gespräch an dieser Stelle, um weiterem Schaden vorzubeugen. Die Worte eines Surtowa werden auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Der Fürst bietet unserem Gast eine Kammer in der Hirschfeste an, doch Christine Balgator lehnt ab. Sie sei auf der Durchreise nach Mivon. Auf dem Rückweg jedoch will sie Narlgaard einen weiteren Besuch abstatten.
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2. Bündnisse und Bestechungen
In den darauffolgenden Wochen reist Kevil von Nord nach Süd, von Ost nach West. In seiner Funktion als Diplomat ist sein Verhandlungsgeschick nun gefragt unsere Position im Beziehungsgeflecht der brevoyschen Adelshäuser, der Aldori Schwertherren in Restov und Mivon, unserem letzten verbliebenen Nachbarn Hannis Drelew und dem König in Pitax zu stärken. Seine Reise führt ihn zunächst zur Festung Steinstieg, dem Sitz des Hauses Medwjed am Fuße der Raueisgipfel. Es bedurfte der Überredungskünste einiger Ratsmitglieder, um unseren lustlosen Fürsten davon zu überzeugen ihn auf dieser Reise zu begleiten. Das Interesse Franziska Medwjeds, der Nichte von Fürst Gurev Medwjed, an Moraven war kaum zu übersehen. Die Vorzeichen eines Besuches stehen daher gut. Einer Annäherung zum Hause Medwjed steht nichts im Wege. Sie halten sich aus Streitigkeiten der anderen Adelshäuser heraus und verweigern seitjeher jede konfliktträchtige Positionierung. Freundschaftliche Beziehungen zur Familie Medwjed werden uns daher aller Wahrscheinlichkeit nach keine neuen Feinde einbringen, wie es etwa durch das Bündnis mit den Lodowka geschehen ist. Jedoch dürfen wir nicht auf einen Bündnispartner hoffen, welcher sich in Schwierigkeiten bringen wird, sollten wir in Konflikte hereingezogen werden.
Sein nächstes Ziel ist Silberhalle. Unsere Begegnungen mit den Lebedas waren stets erfreulich und so hoffen wir mit ihnen einflussreiche Partner zu gewinnen. Anlass des Besuchs ist der Erwerb einiger Handelsschiffe. Nach der Hochzeit sind einige Frauen und Männer der Lodowkas in Narlgaard verblieben, um den Bau eines Hafens zu koordinieren. Bis wir diesen in Betrieb nehmen können, werden noch viele Monate ins Land gehen. Doch was ist ein Hafen ohne Schiffe? Kozek, welcher uns den Hafen anlässlich der Verbindung unserer Häuser geschenkt hat, begleitet uns. Seit Kindertagen fährt er auf See und wird uns bei dem Kauf beraten. Wir werden von Lander Lebeda empfangen. Seit unserer ersten Begegnung, der Einweihung der Hirschfeste vor zwei Jahren, bei der ich dem begeisterten Jungspund eine ausgedehnte Führung durch die Burg bot, ist sein Auftreten deutlich seriöser geworden. Die kindliche Freude verbirgt er hinter ernster Miene und ist sichtlich bemüht seiner Mutter zu beweisen, dass er ein angemessener Repräsentant der altehrwürdigen Familie ist. Doch seine Ansprache wirkt gestelzt und wenig authentisch. Während den anschließenden informelleren Gesprächen, die Schiffe konnten wir zu angemessenen Preisen erwerben, gibt er sich seiner Neugierde hin und stellt eine Frage nach der anderen. Der aufgeweckte Junge will alles über unsere Erlebnisse in Erfahrung bringen. „Was ist geschehen mit dem Nebel in dem Wald?“, „Haben wirklich Trolle Narlgaard angegriffen?“, „Wo wart Ihr, so kurz nach der Hochzeit?“ Lachend klopft Kozek dem wissbegierigen Lander freundschaftlich auf die Schulter. Seine Mutter ist davon wenig begeistert, soll ihr Jüngster doch schon bald auf Augenhöhe mit den hohen Vertretern anderer Häuser Verhandlungen führen. Bevor wir zu sehr ins Detail gehen können, greift sie ein. Vermutlich befürchtet Saronna Lebeda, dass ihr Sohn auf dumme Gedanken kommen könnte, welche ihn von seiner Pflicht ablenken. Langfristig hoffen wir Botschafter auszutauschen und Handelsbeziehungen mit dem Hause Lebeda aufzunehmen. Doch viele Meilen trennen Narlgaard und Silberhalle. Bis die ersten Waren eintreffen ist noch ein weiter Weg.
Neben einem Geschäft mit dem Hause Lebeda führt uns noch ein anderes Anliegen nach Silberhalle. Vor wenigen Tagen erhielten wir einen Brief von Velarion Cinovere mit der Bitte um ein vertrauliches Gespräch. Herr Cinovere, so berichtete Thuul, sei Bankier und geweihter Abadars. Er verwaltet die Finanzen der Kirche Abadars in Silberhalle und verfügt somit über nicht unerhebliche Mengen an Gold und Platin. Kurz nach der Flucht Grigoris informierten Thuul, Grunda und Aljoscha Vertreter der Kirche Abadars über den Verrat des Hohepriesters, welcher vor über einem Jahr von Silberhalle nach Narlgaard kam. Vor dem imposanten Gebäude im Zentrum Silberhalles treffen Kevil und ich auf Moraven und Eskel.
Was von außen pompös wirkt ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns im Inneren des Tempels erwartet. Die Vorliebe für ausufernde Goldverzierungen, aufwändige Schnitzereien und roten Samt konnten wir schon in Narlgaard beobachten. Der Anblick, der sich uns hier jedoch bietet, ist mit dem unseres bescheidenen Tempels nicht zu vergleichen. Die ausladenden Hallen überwältigen die Sinne. Ein Mosaik aus Edelsteinen schmückt den Altar. Überall glänzt und funkelt es. Licht fällt durch die Fenster aus Buntglas, welche den Gott der Mauern und Gräben, die Goldfaust, den wohlhabenden Vater und Richter der Götter zeigen. Ich schreite die hohen, rund zulaufenden Fensterreihen ab und sehe Abadar, den Erbauer gigantischer Städte, Abadar im Zweikampf mit Lamashtu und Abadar, den Richter über die Taten der zivilisierten Völker. Der zurückhaltende Herr, welcher uns in Empfang nahm, gewährt uns einige Zeit, um den Prunk zu bestaunen, ehe wir den Grund unseres Besuches ansprechen. Er ist informiert und führt uns durch einige Gänge zum Schatzmeister. Vor der ersten Tür bleibe ich unvermittelt stehen. Mein Blick fällt auf das Symbol an der Tür: ein goldener Schlüssel. Ich sehe die dunkle Kammer dahinter, das Becken mit der zähen Flüssigkeit, die Fratze, das entstellte Gesicht Grigoris. „Alles in Ordnung?“ Eskel sieht mich besorgt an. Seinem irritierten Ausdruck ist zu entnehmen, dass seine ersten Ansprachen nicht zu mir durchgedrungen sind. Es braucht einen Moment, dann nicke ich unsicher. Mein Freund klopft mir auf die Schulter und ich gehe, etwas zu schnell, durch die Tür. Doch bei jeder weiteren Pforte, welche mit dem Symbol versehen ist, steigt ein altbekanntes Gefühl in mir auf. Mir wird mulmig, ich spüre mein schneller schlagendes Herz wie es gegen meine Brust hämmert, fühle den sauber vernähten Schnitt und ertappe mich dabei, wie ich mich gehetzt umsehe. Immer wieder blitzen verstörende Erinnerungen vor meinem geistigen Auge auf. Doch die Personen, denen wir begegnen sind nicht maskiert. Eine Gepflogenheit, welche nur Grigori und seinem engen Vertrauten zu eigen war. Aus gutem Grund, wie wir schmerzlich erfahren mussten.
Als wir schließlich die Gemächer Velarion Cinoveres Betreten steht mir der Schweiß auf der Stirn. Er begrüßt uns förmlich und streckt mir seine Hand entgegen. Fahrig ergreife ich sie und lasse mich hastig in einen Stuhl sinken, ohne seine Aufforderung abzuwarten. Uns gegenüber sitzt ein Elf. Erste Falten zeichnen sich auf seinem Gesicht ab. Er kleidet sich in teure Gewänder. Vom ersten Augenblick an ist mir dieser Zeitgenosse unsympathisch. Meine Unsicherheit kompensiere ich mit einer gehörigen Portion Verachtung. Doch überlasse ich, wie ich es in letzter Zeit regelmäßig zu tun pflege, das Wort unserem Fürsten. Auch Kevil hält sich, wie es für ihn doch eher untypisch ist, auffallend zurück. Herr Cinovere kannte Grigori nach eigner Aussage gut, was ich selbstverständlich entweder stark in Zweifel ziehen oder ihn verdächtigen muss in Dinge verwickelt zu sein, in die er besser nicht verstrickt ist. Er habe von den Vorwürfen gehört, welche wir gegen den Priester erheben und will genaueres über die Vorfälle wissen. Vorwürfe? Wenn ich diese Formulierung schon höre, könnte ich diesem eingebildeten Kautz seinen Silberlöffel ins Gesicht werfen. Doch das scheint schlicht der allgemeine Umgangston dieser seelenlosen Abadar-Emporkömmlinge zu sein.
Moraven klärt ihn auf, spart dabei aber die Geschehnisse in Dis aus. Grigori habe seine wahres Gesicht stets verborgen, seine Identität verschleiert. Er habe Zon-Kuthon, dem Prinzen der Schmerzen, gedient und eine Mordserie in Narlgaard und unseren Vermutungen zufolge auch in Silberhalle zu verantworten. Gemeinsam mit seinem Handlanger Jeremias hat er Personen entführt und rituell hingerichtet. Als Moraven mit seinem Bericht endet stellt der Meister der Münze zu unserer Überraschung keine Rückfragen, sondern bietet uns einen schlichten Handel an. „Was ist euch ein Schweigen wert in dieser Sache?“ Um den Ruf der Kirche Abadars in Silberhalle nicht zu beschmutzen, will er den Bewohnern der Stadt erzählen, dass Vater Grigori bereits in Silberhalle ermordet wurde. Sein Mörder nahm seine Identität an, verließ die Stadt in Richtung Narlgaard und verübte dort schreckliche Verbrechen. So würden unsere Geschichten sich nicht widersprechen, niemand würde Verdacht schöpfen. „Der Einfluss unserer ehrenwerten Institution hat unter dem Aufstieg des Hauses Lebedas gelitten. Wir können uns den Verdacht, dass wir über Jahre hinweg getäuscht wurden und ein Priester im Abadargewand derartige Gräueltaten verübt hat einfach nicht leisten.“ Über diese Wendung der Unterhaltung sind wir alle höchst irritiert. Wie kann ein Gelehrter einer Gottheit, welche sich dem Recht und Gesetz verschrieben hat, derartige Untaten vorsätzlich vertuschen? Aber Herr Cinovere betont, dass Vater Grigori, unserer Geschichte folgend, nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Daher gehe es nun um Schadensbegrenzung. Erwartungsvoll sieht der Bankier in ungläubige Gesichter. Er reicht uns ein unbeschriebenes Blatt Pergament mit der Forderung eine Summe zu nennen. „Wenn die Kirche Abadars irgendetwas ist, dann ist sie wohlhabend.“ Ich bin einigermaßen entsetzt. Dieser Kerl hat keine moralischen Bedenken einen Täuscher und Mörder zu decken. Eine Person, die vielfach und willkürlich unschuldige Personen abgeschlachtet hat. Er gibt uns etwas Bedenkzeit und verlässt den Raum. Kevil beginnt sofort Beträge in den Raum zu werfen. „Sie könnten die Reparatur des Tempels übernehmen. Oder den Bau einer Garnison. Vielleicht könnten sie uns sogar das Geld für eine kleine Armee zur Verfügung stellen!“ Eskel hört dem übersprudelnden Hexenmeister geduldig zu und erwidert nachdenklich. „Gehen wir auf das Geschäft ein, sind wir an unser Versprechen gebunden.“ Moraven und ich sind, was nicht häufig vorkommt, einer Meinung. Als Velarion Cinovere den Raum betritt und erwartungsvoll uns gegenüber Platz nimmt reicht Moraven ihm das Pergament. „Wir können eure Version der Geschichte nicht widerlegen.“ Lächelnd entrollt der Bankier die Rolle und ich füge hinzu. „Aber wir lassen uns nicht kaufen.“ Das Blatt ist leer.
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Im Neth kehrt Christine Balgator aus Mivon zurück. Ob sie in dort mit hochrangigen Schwertherren verhandelt oder die Führer anderer Organisationen getroffen hat, um ihre Feinde von innen zu schwächen erfahren wir nicht. Sie ist verschwiegen und selbst Moraven gelingt es nicht die wortkarge Diplomatin zum Plaudern zu bringen. Der Fürst hat fest vor sein Versprechen gegenüber Frau Balgator zu wahren und sie den weiten Weg zur Drelewfeste zu begleiten. Da uns bisher nicht die Ehre zu Teil wurde diesen Ort zu besuchen, Hannis Drelew hatte sich nie bemüht seine Geringschätzung uns gegenüber zu verbergen und erst im vergangenen Jahr den Kontakt nach Rivien gesucht, habe ich nicht die Möglichkeit den Weg auf magische Weise zu überbrücken. Zwar bin ich nicht erpicht darauf mehrere Tage die Gesellschaft dieser Dame zu teilen, doch sehe ich die Notwenigkeit Moraven bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Wir wollen freundschaftliche Signale in Richtung Pitax senden und die Beziehungen zu unserem Nachbar Hannis Drelew im Hakenzungensumpf intensivieren. Schließlich hat er erst kürzlich eine Handelsroute zwischen Narlgaard und der Drelewfeste ins Spiel gebracht. Von Handelsposten aus brauchen wir dank meines Phantomstreitwagens nur knapp zwei Tage, bis wir die Festung in den Sümpfen erspähen. Tatsächlich springt mir zuallererst der gelbe Kelch auf blauem Grund ins Auge, das Banner von Pitax, welches neben dem Wappen der Drelews im Wind weht.
Ich hatte befürchtet, dass Frau Balgator den Gesprächen zwischen uns und Hannis Drelew beiwohnen wird, um ihrem Herrn in Pitax davon zu berichten. Zu meiner Überraschung reist sie jedoch bereits früh am folgenden Tag weiter. Ich stelle ihr einen weiteren Phantomstreitwagen zur Verfügung. Sie scheint die Annehmlichkeiten dieser deutlich schnelleren Fortbewegungsart zu schätzen und bringt sogar einige wenige knappe Worte des Danks über die Lippen. Kurz danach teleportiere ich mich nach Narlgaard, um binnen weniger Minuten gemeinsam mit Kevil zurückzukehren. Wir hatten es vermeiden wollen die Reise mit einem Surtowa anzutreten, hatte sich doch Konfliktpotential bereits bei der ersten Begegnung abgezeichnet. Doch als Diplomat sollte er solch bedeutenden Gesprächen nicht fernbleiben.
Hannis Drelew war einige Monate vor uns ebenfalls von Jomani Surtowa, dem damaligen Bürgermeister Restovs, beauftragt worden die Raublande zu zivilisieren. Weil der Baron über das größte Kapital verfügte, wurde ihm die gefährlichste Region zugewiesen: Den Hakenzungensumpf. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich jemand freiwillig am Hakenzungensee niederlässt. Im Osten und Süden Moore so weit das Auge reicht. Ein gänzlich unattraktiver Landstrich, welcher von Boggards bewohnt wird. Noch haben wir uns kein eigenes Bild von der Landschaft und den Boggardsiedlungen gemacht, aber die Erzählungen Garuums waren allesamt wenig erfreulich. Im Norden das Glenebon-Oberland, welches von den Tigerherren, einem kriegerischen Barbarenstamm, kontrolliert wird. Und im Westen Pitax, was dem von den Surtowas ausgesandten Baron alles andere als Wohlwollen entgegenbrachte. Entsprechend schwierig gestaltete es sich dort Fuß zu fassen. Baron Hannis Drelew lieferte sich Scharmützel mit Boggards und sah sich der ständigen Bedrohung durch die Tigerherren ausgesetzt. Als er mit der Absetzung Jomani Surtowas auch noch die Unterstützung Restovs verlor, unterwarf er sich notgedrungen dem Tyrannen aus Pitax. Irovetti schickte seine Männer zur Drelewfeste, doch die erkaufte Sicherheit hatte einen hohen Preis. Es dauerte nicht lange bis auf den Straßen der kleinen Ortschaft pitaxsche Zustände herrschten. Kriminalität und Korruption stehen nun an der Tagesordnung, so berichtete es Thuul Klarhaupt. Baron Hannis Drelew, der bei unserer ersten Begegnung am Tag des ersten Schnees noch auf uns herabsah und keinerlei Interesse an Beziehungen zu seinen Nachbarn zeigte, sendet in den vergangenen Monaten vermehrt freundliche Signale. Thuul war von ihm persönlich empfangen worden und kehrte mit einem Schreiben zurück, welches das Interesse zum Ausdruck brachte, Handelsbeziehung zu uns aufzunehmen. Bei meiner Hochzeit war der Baron zwar nicht persönlich zugegen, ließ jedoch ein Geschenk und Grüße übermitteln. Nun wollen wir erste direkte Kontakte aufbauen und Pläne für eine Handelsroute ausarbeiten.
Tatsächlich ist man hier sehr bemüht einen guten Eindruck zu hinterlassen. Der Baron empfängt uns in seinen Hallen und über eine große Karte gebeugt loten wir die Möglichkeiten für eine Handelsroute aus. Doch die Planungen gestalten sich schwieriger als angenommen. Eine Schiffsverbindung über den Murks führt unweigerlich an M’Botuu, der größten Boggardsiedlung im Hakenzungensumpf vorbei. Alle Waren auf diesem Weg müssen gut geschützt werden. Eine Straße zwischen der Drelewfeste und Rezbinnen führt meilenweit durch Morast und über kleinere Flüsse, welche regelmäßig über die Ufer treten. Selbst wenn es gelänge eine Strecke durch den Sumpf trockenzulegen, wären die Karawanen auf dieser Route keineswegs sicher. Boggards können überall in den Sümpfen lauern. Moravens Frage, ob er versucht hätte mit den froschähnlichen Kreaturen Verhandlungen zu führen, hielt er offenbar für einen Scherz des exzentrischen Fürsten. Solche Überlegungen scheinen dem Baron gänzlich fremd. Bestechen könne man diese Kreaturen, aber mit ihnen verhandeln? Ein Ding der Unmöglichkeit.
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3. Ein Erlass des Königs
Frederick Weiß-Tosporius hält das Schriftstück vorsichtig mit den Fingerspitzen, als wäre es eine äußerst fragile Schnitzerei. Als ich an ihn herantrete und das versiegelte Schreiben entgegennehmen will, streckt er es mir nervös entgegen. Seine Hände zittern ein wenig, es entgleitet ihm und fällt zu Boden. Hastig bückt er sich und bittet mehrfach um Verzeihung. Mir ist das Siegel bekannt, es zeigt einen Einmaster. Mit einem Stirnrunzeln mustere ich das Schreiben. Den Grund für seine Unsicherheit kann ich nicht nachvollziehen. Im letzten Jahr, insbesondere im Zuge meiner Hochzeit, waren Briefe der großen Adelshäuser Brevoys eher an der Tagesordnung, als eine Ausnahme. „Ein Schreiben der Surtowas“, stelle ich fest. Weiß-Tosporius schüttelt den Kopf, um sofort energisch zu nicken. „Nein. Der Surtowas, sehr wohl. Aber nicht aus Eishafen. Herr Magister, seht, die Inschrift.“ Tatsächlich stammt dieser Brief nicht aus Eishafen, sondern aus Neu Stetven. „Die Anordnung der Sterne. Dies ist ein Erlass des Königs.“ Anerkennend betrachte ich die Details, welche ich beim ersten Hinsehen nicht bemerkt habe. Selbst wenn es mir aufgefallen wäre, so hätte ich daraus nicht diese Schlüsse ziehen können. Während ich darüber nachdenke, wer damals das glückliche Händchen bewies Frederick Weiß-Tosporius das Amt des Schreibers am Hofe auszustatten, breche ich das Siegel, halte dann jedoch inne. „An wen ist er adressiert?“ „Die Boten sagten, er solle dem Hohen Rat überbracht werden.“ Kurz überlege ich den Brief hervorzuholen, überreiche es dann jedoch dem Fürsten. Mit jedem Satz, den er im Stillen liest, verfinstert sich seine Miene. Schweigend reicht er ihn weiter und ich muss mitansehen, wie Magni empört grunzt und Eskels Kiefer sich anspannen. Ich versuche die aufsteigende Neugierde und Nervosität zu unterdrücken. Schließlich halte auch ich das Papier in Händen.
Tatsächlich handelt es sich um einen Erlass, unterschrieben von Noleski Surtowa, Regent des Drachenschuppenthrones. Darin teilt er uns sehr formell mit, dass Erwil Pendrot in ganz Brevoy alle Forschungsaufträge entzogen, alle Gelder und damit auch alle damit verbundenen Befugnisse gestrichen werden. Sollte einer Person sein Aufenthaltsort bekannt sein, verpflichtet dieser Brief dazu, den König in Neu Stetven darüber zu unterrichten. Über Gründe dieser abrupten Wendung werden wir in Unkenntnis gelassen. Der Erlass macht die Runde ich stelle fest, dass Moraven anscheinend während ich ihn las verschwunden ist. Wenig später taucht er wieder auf, doch sofort fällt auf: Seine Laute hat er nicht mehr dabei. Sein Tonfall verrät den Ernst der Lage. „Die Rivas werden sich in kleiner Runde beraten. Kevil, wenn Ihr mitkommen mögt.“ Ich erschaffe einen außerdimensionalen Raum, in den wir uns zurückziehen können. Eine Vorsichtsmaßnahme aus der Trickkiste des Historikers, der nun in Brevoy keine geduldete Person mehr zu sein scheint. Als zusätzlichen Schutz wirke ich einen Bannzauber auf alle Anwesenden, welcher uns vor den meisten Erkenntniszaubern schützen wird.
Oben angekommen liest sich der Fürst das Schreiben ein zweites Mal durch. Meine Augen ruhen auf Kevil. Moraven hat guten Grund ihn miteinzubeziehen. Es dauert einen Moment, bis der Fürst die richtigen Worte findet. „Erwil ist unser aller Freund.“ Zustimmendes Nicken, Kevil verharrt reglos. Er hatte bisher nur wenig Kontakt zu dem Magier. „Da jedoch niemand hier weiß wo er sich momentan aufhält“, sein Blick schweift durch die Runde und bleibt an mir hängen. Auch ich gebe mit einem Schulterzucken zu verstehen, dass ich nicht in Kenntnis über seinen Aufenthaltsort bin, „können wir dem König in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen.“ Kevil spürt die auf ihn gerichteten Augenpaare und beginnt sich sichtlich unwohl zu fühlen in seiner Haut. Trotzig blickt er auf und blickt entschlossen in die Runde. „In erster Linie bin ich ein Mitglied des Hohen Rates von Rivien. Mein Name macht mich nicht zu einem Verräter. Schon einmal habe ich mich den Befehlen eines Familienmitglieds verweigert.“ Nach dieser deutlichen Stellungnahme des Hexenmeisters weicht die Anspannung und Besorgnis macht sich breit. Was bewegt den König zu einem solchen Schritt? Weshalb ist Erwil dem Königsregenten ein Dorn im Auge? Offenbar scheint Noleski darauf bedacht den Historiker aufzuspüren. Was, wenn dies bereits geschehen ist? Moraven bittet mich Erwil mit einem Ausspähungszauber ausfindig zu machen. Ich weise den Vorschlag zurück. Es wäre keine gute Idee Erwils Aufenthaltsort zu erfahren, denn jedes Wissen kann letztlich eine Gefahr bedeuten. Sollte er sich bereits in den Händen des Königs befinden, werden seine Schutzzauber meine Versuche unterbinden. Außerdem würde es dem Magier vermutlich gelingen den Zauber abzuschütteln. Man sollte einen Freund nicht leichtfertig zum Ziel solcher Magie erklären. Ich biete jedoch an ihm mit Hilfe eines anderen Zaubers eine knappe Nachricht zukommen zu lassen. Moraven bringt mir einige Sätze auf zyklopisch bei, der Sprache, welche Erwil ihn lehrte. Weil das Alphabet dieser Sprache mir gänzlich unbekannt ist, schreibt er den Text in Lautschrift auf. Mehrmals üben wir gemeinsam, dann wirke ich den Zauber. Ich übermittle die Nachricht, bin mir jedoch aufgrund der ungewohnten Aussprache nicht sicher, ob meine Worte nur sinnentleertes Gefasel sind. Doch Moraven bestätigt, dass ich Erwil soeben über den Erlass des Königs informiert und mich nach seinem Wohlergehen erkundigt habe. Ich erhalte keine Antwort.
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4. Eine Vertraute Erwil Pendrots
Seit dem Erhalt des königlichen Erlasses ist keine Woche vergangen, als uns zwei Reisende aus Iobaria angekündigt werden. Ein Mann mittleren Alters, bärtigem, wettergegerbtem Gesicht und eine schlanke, aufgeweckte Halblingsfrau mit aufwändiger Gesichtsbemalung betreten die Halle der Hirschfeste. Ihre dicke Winterkleidung ist von der Reise sichtlich mitgenommen. Moraven begrüßt die beiden mit einer alt-iobarischen Redewendung und bietet ihnen Getränke an. Die kleine Frau ergreift zuerst das Wort und stellt sich vor. „Mein Name ist Gwin.“ Erwartungsvoll blickt sie zu ihrem Begleiter, doch der sucht schweigend und in Gedanken mit seinen dunklen Augen die Reihen des Hohen Rates ab. Als er keine Anstalten macht sich selbst vorzustellen spricht sie an seiner Stelle. „Und das ist mein Reisegefährte Josif.“ Erst als sein Name fällt zeigt er eine Regung, nickt und fügt knapp hinzu: „Man erzählte mir, dass Eskel hier anzutreffen sei.“ „Das ist korrekt“, erwidert Magni, „doch ihr habt ihn verpasst. Der Landvogt ist zurzeit in Dreistrom, aber vermutlich wird er bald zurück sein.“ „Richtet ihm aus, ein alter Freund wartet im Eber auf ihn.“ Ohne ein Wort des Abschieds macht der Mann auf dem Absatz kehrt.
Ein alter Freund? Eskel hat nie viel erzählt von seiner Vergangenheit. Er war Grenzer und habe die hilfsbedürftigen Bewohner Iobarias vor den Überfällen wilder Kreaturen beschützt. Wenn dieser Josif auch aus Iobaria kommt, vielleicht ist er auch ein Mitglied der Vereinigung, welche sich Grenzer nennt. Gwin scheint einen Moment amüsiert über das Getuschel. „Josif ist manchmal etwas wortkarg. Er findet an langatmigen Unterredungen wenig Gefallen.“ Dann wird sie jedoch wieder Ernst und verschafft sich Gehör. „Ich komme im Auftrag von Erwil Pendrot und habe beunruhigende Neuigkeiten.“ Sofort hat sie unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Moraven springt auf und macht eine Geste in ihre Richtung. Sie will gerade erneut ansetzen, als sich eine magische Stille über sie legt. Ihr Mund bewegt sich, doch kein Ton dringt hervor. Aus hellen Augen fixiert die Halblingsfrau den Fürsten. Kevil und Magni reden auf sie ein und es dauert einen Moment bis ich zu ihnen vordringe. „Sie kann euch nicht hören!“ Also versuchen sie mit beschwichtigenden Gesten auf sie einzuwirken. Gwin ist von diesem plötzlichen Tumult irritiert und angesichts von Moravens Zauber verärgert. So empfängt man auch wirklich keine Gäste. Moraven bittet mich, die gängigen Schutzzauber zu wirken. Kevil und Magni gelingt es unterdessen der Halblingsfrau deutlich zu machen, dass hier kein sicherer Ort für ein solches Gespräch sei. Als der Zauber endet schüttelt Gwin mit dem Kopf und nuschelt kaum vernehmbar: „Seltsame Freunde, das waren seine Worte. Wie Recht er hatte!“ Moraven bittet um Verzeihung, was sie milde zu stimmen scheint.
Doch wer ist diese Halblingsfrau? Eine Freundin Erwils? Eine Spionin des Königs? Wie können wir ihr vertrauen? Wenn wir verifizieren könnten, dass sie tatsächlich das Vertrauen Erwils genießt, dann würde sich jegliche Bedenken zerstreuen. Nur wenige Personen sind bei den Mitgliedern des Hohen Rates so hoch angesehen wie der Historiker. Seine Freunde sind uns willkommene Gäste und selbstverständlich wollen wir in Erfahrung bringen, ob es Erwil gelungen ist sich vor dem König und seinen Häschern zu verstecken. Ich bitte sie daher mir die Erinnerung einer Begegnung mit Erwil zur Verfügung zu stellen, mir also einen kurzen Einblick in ihren Geist zu gewähren. Es bedarf etwas Überredungskunst, aber schließlich willigt sie ein. Als ich den Zauber wirke, stoße ich zunächst auf Widerstand. Instinktiv versucht Gwin dem Zauber zu widerstehen. Ich blicke tief in ihre goldgelb glühenden Augen und merke wie der Widerstand schwindet. Plötzlich bin ich an einem anderen Ort. Eisiger Wind peitscht gegen die klapprigen Fensterläden einer zwielichtigen Kaschemme. Vermutlich bin ich irgendwo in der frostigen Einöde Iobarias. Im Hintergrund erhasche ich den Blick auf einige schemenhafte Gestalten, eingehüllt in dicke Wollmäntel. Mir gegenüber sitzt Erwil Pendrot und vor ihm, auf dem mit Wachsflecken übersäten Holztisch knabbert Frau Herbstflügel an einer alten Rübe. Einige Sekunden verharrt mein Blick auf der zierlichen Schmetterlingsflügel der Lyrakien. Dann vernehme ich die vertraute Stimme Erwils. Es fallen mir unbekannte Ortsnamen. Gwin berichtet an den genannten Orten merkwürdigen Kreaturen begegnet zu sein und anhand ihrer Beschreibung erkenne ich sofort, dass es sich um Urdefhane handeln muss. Erwil nickt niedergeschlagen. Erst jetzt bemerke ich, dass die Schatten auf seinem Gesicht nicht das Produkt der flackernden Kerze sind, welche bei jedem Windzug durch den Raum auszugehen droht. Er hat tiefe, dunkle Ringe unter den Augen und wirkt matt. Doch als er Gwin ansieht lächelt er milde. Sein müder Blick strahlt eine tiefe Zuneigung ihr gegenüber aus. Er setzt zu einer Erklärung an, doch dann verschwimmt der Raum vor meinen Augen und ich stehe wieder in den Hallen der Hirschfeste. Gwin weicht erschrocken zurück und zischt etwas Unverständliches. Ich kann ihr das nicht übelnehmen. Einen fremden Geist eindringen zu lassen ist mit Sicherheit keine schöne Erfahrung. Die anderen Ratsmitglieder sehen mich fragend an und scheinen die Sorgenfalten in meinem Gesicht falsch zu deuten. Noch immer bin ich erschrocken von dem Anblick Erwils. Er sah ausgezehrt aus. Mit einem vorsichtigen Nicken gebe ich zu erkennen, dass ich der Halblingsfrau vertraue. Also belege ich auch sie mit einem Zauber, welche sie vor Ausspähungen schützt und bitte sie uns zu folgen. Ein zweites Mal binnen einer Woche wird eine Ratssitzung an einen außerdimensionalen Ort verlegt.
Gwin scheint mit diesem Prozedere bereits vertraut zu sein. Ein Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit, als sie den von mir geschaffenen Raum inspiziert. „Ich habe mich immer über diese Farbgebung gewundert.“ Wir machen es uns gemütlich und haben endlich die Gelegenheit uns in Ruhe vorzustellen. Moraven erklärt sich, indem er in Kürze den Inhalt des Briefes des Königs wiedergibt. Gwin scheint in Unkenntnis von dem königlichen Gesuch. „Als ich ihn das letzte Mal sah war er fahrig und wirkte gehetzt. Wenn ihr ihn kennt, dann wisst ihr, dass das nicht seine Art ist.“ Zumindest scheint er von dem Vorhaben des Königs in Kenntnis gewesen zu sein. War er auf der Flucht? Gwin berichtet im Auftrag Erwils alte Zyklopenstätten in Iobaria untersucht zu haben. „Es passieren seltsame Dinge und Erwil erzählte mir, dass hier Ähnliches geschieht. Grabstätten werden geöffnet. Inschriften unkenntlich gemacht und überall trifft man auf Urdefhane und schlimmere Kreaturen.“ Wir bestätigen, dass diese Monster auch hier ihr Unwesen treiben. „Erwil berichtete mir vor etwa einem Jahr, bevor diese Wesen auftauchten, dass einige unvorsichtige und leichtsinnige Personen zufällig auf ein uraltes Zyklopengrab gestoßen seien und dort Unsinn getrieben hätten. Er war etwas verärgert und meinte, dass dort Mächte geweckt wurden, die niemals hätten geweckt werden dürfen.“ Sie wirft einen spöttischen Blick in die Runde. „Ich nehme an er sprach von euch.“ Unter den Anwesenden war ich der einzige, welcher bei dem besagten Ereignis zugegen war. Ich lasse mich von dieser spitzen Bemerkung nicht provozieren und lasse sie unkommentiert im Raum stehen. „Nun ist seither viel geschehen. Die wenigen erhaltenen Aufzeichnungen über das alte Koloran, das riesige Zyklopenimperium, was sich weit über das heutige Iobaria, Issien und die Rostlande erstreckte, sind lückenhaft, sodass sich die genauen Standpunkte der damaligen Siedlungen nicht rekonstruieren lassen. Schon lange ist Erwil auf der Suche nach den alten Grabstätten, doch es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zudem werden diese ehrwürdigen Stätten mit mächtiger Magie geschützt. Doch was im letzten Jahr geschehen ist, hat ihn erschüttert. An einigen Orten in Iobaria sind riesige Berghänge eingestürzt. Die Stadt Orlov, erbaut auf den Ruinen einer Zyklopenstadt, wurde vor kurzem von einem heftigen Erdbeben heimgesucht. Ein Großteil der Gebäude ist eingestürzt, unter anderem alte zyklopische Bauwerke. Viele bezahlten mit ihrem Leben und die Überlebenden flohen vor den Kreaturen, welche zeitgleich dort auftauchten. Erwil vermutet, dass diese Wesen gezielt alte zyklopische Stätten zerstören. Das ist eine Katastrophe für unsere Arbeit! Jahrzehntelange Nachforschungen werden binnen weniger Monate zunichtegemacht.“ Moraven unterbricht Gwins Bericht. „Woher sollten die Urdefhane wissen, wo sich die alten Gräber der Zyklopen befinden?“, und Kevil füge hinzu: „Und wie sollten sie Berghänge zum Einsturz bringen und Erdbeben heraufbeschwören?“ „Fragen, die ich nicht beantworten kann“, entgegnet Gwin kurz angebunden. Ich gebe zu bedenken, dass die Vermutung doch naheliegt. Schließlich waren es Urdefhane und Daimonen, welche die zyklopischen Runen in dem Hügelgrab auslöschten und eben jene Grabstätte ist vor wenigen Wochen unter ungeklärten Umständen eingestürzt. Gwin nimmt ihre Erzählung wieder auf. „Weil Erwil sich seit geraumer Zeit nicht mehr bei mir gemeldet hat, beschloss ich euch ausfindig zu machen. Denn ihr scheint die Einzige Verbindung zu den Ereignissen zu sein und Erwil erwähnte mehrfach, dass Ihr – Moraven – großes Interesse an der Erforschung alter zyklopischer Geheimnisse gezeigt hättet. Ich arbeite eng mit der Kundschafterloge zusammen und diese vermittelte mir einen Kontakt zu den Kundschaftern in Narlgaard.“ Moraven stellt noch einige Nachfragen zu Gwins Forschungen, doch bald lässt sie sich entschuldigen. Sie ist von der wochenlangen Anreise erschöpft und sucht ein Bett im Eber auf. Wir bleiben ratlos zurück. Wie sollen wir ein Geheimnis lüften, was Erwil zu lüften nicht im Stande war? Und werden wir uns damit nicht mächtige Feinde machen, allen voran Noleski Surtowa?
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1. Eine Vertraute König Irovettis
Im Herbst werden wir vom Besuch einer uns bisher unbekannten jungen Frau überrascht. Auf ihr Drängen hin gewähren wir der Dame bereits kurz nach ihrem Eintreffen einen Empfang durch den Hohen Rat. Selbstsicher tritt sie vor. Ihre Haut ist tiefschwarz und die verfilzten Haare reichen ihr in langen Strähnen über die Schultern. Mit wachem Blick inspiziert sie den Ratssaal und richtet ihre Worte dann direkt an den Fürsten. In wenigen, knappen Sätzen stellt sie sich vor. Sie ist Christine Balgator aus Pitax, eine enge Vertraute von Castruccio Irovetti, dem durch die Gnade der Götter rechtmäßigem König von Pitax. Unverblümt kommt sie auf ihr Anliegen zu sprechen. „König Irovetti beobachtet die Geschehnisse im kleinen Rivien schon seit längerem und fragt sich: Wie stehen die Rivas zu Pitax?“ Die Direktheit der Frage ist irritierend und herausfordernd zugleich. Selbstverständlich war Pitax das ein oder andere Mal Gesprächsthema im Hohen Rat, doch bisher haben wir keine Strategie festgelegt, keinen Kurs, den wir König Irovetti gegenüber einschlagen wollen. Noch hatten wir keinen Kontakt mit Pitax und uns auch nicht um die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen bemüht. Vielmehr waren es unsere direkten Nachbarn – die Aldori Schwertherren in Restov, die Varns in den Niemannhöhen und Hannis Drelew im Hakenzungensumpf – bei welchen wir vorstellig wurden. Pitax hingegen stand nie auf unserer Agenda, wohl auch weil unser Auftraggeber Jomani Surtowa hieß und um die Feindschaft zwischen dem Hause Surtowa und Pitax kein Geheimnis gemacht wird. Doch auch nachdem Jomani als Bürgermeister Restovs abgesetzt wurde, waren die Anreize für eine Kontaktaufnahme gering. Denn auch die neuen Herrscher über die Rostlande sind keine Freunde Irovettis. Die Schwertherren in Mivon tragen seit Jahrzehnten militärische Konflikte um die Grenzregionen mit Pitax aus. Aber nicht nur die Sorgen unseren direkten Nachbarn auf die Füße zu treten hielten uns davon ab Boten nach Pitax zu entsenden. Was man bisher aus Pitax vernahm war uns stets suspekt. Irovetti gilt als Tyrann. Willkür scheint das einzige kontinuierliche Prinzip seines Handelns zu sein. Seine Feinde versucht er durch militärische Stärke abzuschrecken und anstelle von Freundschaften und Bündnissen zieht er es vor Vasallen zu unterhalten. So auch Baron Hannis Drelew. Als dieser notgedrungen Pitax um Hilfe bat, waren die Soldaten Irovettis sofort zur Stelle und mit ihnen hielt Korruption und Kriminalität Einzug. Die schlechten Beziehungen zwischen einigen Adelshäusern Brevoys und die beunruhigenden Nachrichten von der Drelewfeste haben uns bisher davon abgehalten Kontakte nach Pitax zu knüpfen.
Doch wollen wir Frau Balgator selbstverständlich nicht vergraulen und sind prinzipiell immer zu Gesprächen über mögliche Bündnisse bereit. Doch die forsche Gesandte gibt sich mit den Floskeln des Fürsten nicht zufrieden. Gerade heraus spricht sie die Konflikte zwischen Pitax und Brevoy an und will wissen, ob wir uns der Nation Brevoy zugehörig fühlen oder nicht. „Wir sehen uns als eigenständiges Adelshaus und Fürstentum“, entgegnet Moraven selbstbewusst. „Also bin ich hier gerade nicht in Brevoy?“ „Ihr seid in Rivien.“ Ich unterstreiche diese Aussage des Fürsten mit einem Nicken. Frau Balgator beäugt uns weiterhin misstrauisch. Tatsächlich entspricht diese Auffassung nicht ganz unserem Selbstverständnis. Zwar wären wir vermutlich gerne so eigenständig wie behauptet, doch sahen wir uns bisher stets eng an Brevoy gebunden und auch Noleski Surtowa, Königsregent ganz Brevoys, betrachtet Rivien als Teil seiner Einflusssphäre.
Christine Balgator informiert uns über geheime Treffen einiger Oberhäupter einflussreicher Adelsfamilien. In diesen ausgewählten Runden habe man über uns, über Rivien, gesprochen. Es wäre darüber beraten worden auf welcher Seite wir stehen und ob wir dem König gegenüber loyal seien. Auch gäbe es Pakte, welche uns betreffen. Von solchen Treffen höre ich das erste Mal. Offensichtlich schienen die Lodowka nicht eingeweiht gewesen zu sein, was angesichts unseres Bündnisses jedoch nicht verwunderlich ist. Doch gab es diese Treffen wirklich? Oder versucht die Gesandte aus Pitax nur einen Keil zwischen uns und den brevoyschen Adel zu treiben? Ich will genaueres über die Pakte herausfinden, von welchen Frau Balgator sprach, doch sie bleibt vage. Vermutlich ist sie selbst nicht im Bilde über den Inhalt der dort getroffenen Vereinbarungen – falls es solche tatsächlich geben sollte.
„Über kurz oder lang müsst ihr euch entscheiden. Auf welcher Seite steht ihr? Brevoy oder Pitax?“ Unmut macht sich breit unter den Mitgliedern des Hohen Rates. Erwartet sie etwa, dass wir uns dem Tyrannen Irovetti unterwerfen, wie es Hannis Drelew tat? „Ein Bündnis mit Pitax bietet euch viele Vorteile. In ganz Brevoy fürchtet man unsere militärische Stärke.“ Die unterschwelligen Drohungen sind nicht zu überhören und in den Gesichtern einiger Ratsmitglieder ist bereits die Zornesröte zu sehen, doch Moraven bleibt gelassen. „Was versteht ihr vom Jonglieren?“ Zum ersten Mal scheint es der Gesandten die Sprache verschlagen zu haben. „Die hohe Kunst ein Fürstentum zu leiten besteht darin, alle Bälle gleichzeitig im Auge zu behalten.“ Ein Lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. „Ich kann verstehen, dass ihr Ambitionen hegt beim Spiel der Großen teilzuhaben. Aber nicht Rhetorik entscheidet über eure Zukunft, sondern Macht. Früher oder später wird es hier zum Krieg kommen. Wo in Golarion, wenn nicht hier? Genau hier, an diesem Ort. Die Flusskönigreiche südlich von euch sind das vielleicht am meisten umkämpfte Gebiet Golarions. Brevoy, eine gespaltene Nation, die sich nur de jure auf einen gemeinsamen Namen geeinigt hat. Issien und die Rostlande sind seit jeher verfeindet. Viele zarte Blühten, die aus der Wiese des brevoyschen Adels sprossen, verwelkten. Im Namen Irovettis biete ich euch eine Partnerschaft an.“ „Eine Partnerschaft?“, frage ich skeptisch, „Oder eine Knechtschaft?“ Christine Balgator wendet sich mir zu. „Hannis Drelew konnte sich und seine Leute nicht mehr beschützen. Als dieser Surtowa ihn im Stich ließ bettelte er förmlich um Hilfe. Ihr jedoch seid nicht hilflos, oder? Selbstverständlich kann ich euch kein Bündnis auf Augenhöhe anbieten, aber wir verlangen von euch nicht das Knie zu beugen.“ Zumindest in diesem Punkte scheint das Angebot akzeptabel zu sein. Nun droht eine Diskussion zwischen einigen Mitgliedern des Hohen Rates zu entbrennen, doch Moraven sorgt für Ruhe und bittet um etwas Bedenkzeit. Man will sich in Ruhe über das freundliche Angebot beratschlagen. Christine Balgator zuckt mit den Schultern. „Ich werde euch nicht dazu drängen in diesen Tagen auf das Angebot einzugehen. Aber langfristig, sei es in einigen Monaten oder in wenigen Jahren, werdet ihr eine Entscheidung treffen müssen. Noch fühlt ihr euch sicher, noch unterhaltet ihr enge Beziehungen nach Brevoy. Über kurz oder lang wird es jedoch zum Krieg kommen. Wer sich bekriegen wird? Das lässt sich nicht vorhersehen. Aber zu einer vereinten brevoyschen Armee, das wissen wir alle, wird es in diesem Jahrtausend nicht mehr kommen. Was die militärische Schlagkraft angeht, so ist Pitax besser aufgestellt als die meisten Adelshäuser Brevoys. Ihr habt die Wahl, doch solltet ihr die Hand, die man euch reicht, nicht leichtfertigt ausschlagen.“
Sie ist bereits im Begriff zu gehen, da meldet sich Kevil zu Wort. „Seid ihr eine offizielle Gesandte von König Irovetti?“ Langsam wendet Frau Balgator sich dem Hexenmeister zu und taxiert ihn mit kühlem Blick. „Es ist nicht zu verkennen, dass ihr ein Surtowa seid. Das hochnäsige Gehabe, was man in Brevoy pflegt, scheint auf diesen Ort abzufärben. Ich habe mit König Irovetti gesprochen, bevor ich mich auf den Weg machte.“ Kevil setzt ein weiteres Mal an. Ich versuche ihm mit einer Handbewegung verständlich zu machen, dass es besser ist den Mund zu halten, doch er scheint es nicht zu bemerken. „Bekleidet ihr ein Amt oder nicht?“ Moraven verdreht angesichts dieser Frage die Augen. „Sagen wir einfach: Ich bin eine gute Freundin von Castruccio Irovetti. Ist euch das offiziell genug? Oder brauche ich noch einen Brief mit Stempel, der mich als Vertraute des Königs ausweist? Soll ich das nächste Mal einen Freundschaftsvertrag vorlegen?“ Der hitzige Kevil will etwas entgegnen, doch Moraven beendet das Gespräch an dieser Stelle, um weiterem Schaden vorzubeugen. Die Worte eines Surtowa werden auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Der Fürst bietet unserem Gast eine Kammer in der Hirschfeste an, doch Christine Balgator lehnt ab. Sie sei auf der Durchreise nach Mivon. Auf dem Rückweg jedoch will sie Narlgaard einen weiteren Besuch abstatten.
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2. Bündnisse und Bestechungen
In den darauffolgenden Wochen reist Kevil von Nord nach Süd, von Ost nach West. In seiner Funktion als Diplomat ist sein Verhandlungsgeschick nun gefragt unsere Position im Beziehungsgeflecht der brevoyschen Adelshäuser, der Aldori Schwertherren in Restov und Mivon, unserem letzten verbliebenen Nachbarn Hannis Drelew und dem König in Pitax zu stärken. Seine Reise führt ihn zunächst zur Festung Steinstieg, dem Sitz des Hauses Medwjed am Fuße der Raueisgipfel. Es bedurfte der Überredungskünste einiger Ratsmitglieder, um unseren lustlosen Fürsten davon zu überzeugen ihn auf dieser Reise zu begleiten. Das Interesse Franziska Medwjeds, der Nichte von Fürst Gurev Medwjed, an Moraven war kaum zu übersehen. Die Vorzeichen eines Besuches stehen daher gut. Einer Annäherung zum Hause Medwjed steht nichts im Wege. Sie halten sich aus Streitigkeiten der anderen Adelshäuser heraus und verweigern seitjeher jede konfliktträchtige Positionierung. Freundschaftliche Beziehungen zur Familie Medwjed werden uns daher aller Wahrscheinlichkeit nach keine neuen Feinde einbringen, wie es etwa durch das Bündnis mit den Lodowka geschehen ist. Jedoch dürfen wir nicht auf einen Bündnispartner hoffen, welcher sich in Schwierigkeiten bringen wird, sollten wir in Konflikte hereingezogen werden.
Sein nächstes Ziel ist Silberhalle. Unsere Begegnungen mit den Lebedas waren stets erfreulich und so hoffen wir mit ihnen einflussreiche Partner zu gewinnen. Anlass des Besuchs ist der Erwerb einiger Handelsschiffe. Nach der Hochzeit sind einige Frauen und Männer der Lodowkas in Narlgaard verblieben, um den Bau eines Hafens zu koordinieren. Bis wir diesen in Betrieb nehmen können, werden noch viele Monate ins Land gehen. Doch was ist ein Hafen ohne Schiffe? Kozek, welcher uns den Hafen anlässlich der Verbindung unserer Häuser geschenkt hat, begleitet uns. Seit Kindertagen fährt er auf See und wird uns bei dem Kauf beraten. Wir werden von Lander Lebeda empfangen. Seit unserer ersten Begegnung, der Einweihung der Hirschfeste vor zwei Jahren, bei der ich dem begeisterten Jungspund eine ausgedehnte Führung durch die Burg bot, ist sein Auftreten deutlich seriöser geworden. Die kindliche Freude verbirgt er hinter ernster Miene und ist sichtlich bemüht seiner Mutter zu beweisen, dass er ein angemessener Repräsentant der altehrwürdigen Familie ist. Doch seine Ansprache wirkt gestelzt und wenig authentisch. Während den anschließenden informelleren Gesprächen, die Schiffe konnten wir zu angemessenen Preisen erwerben, gibt er sich seiner Neugierde hin und stellt eine Frage nach der anderen. Der aufgeweckte Junge will alles über unsere Erlebnisse in Erfahrung bringen. „Was ist geschehen mit dem Nebel in dem Wald?“, „Haben wirklich Trolle Narlgaard angegriffen?“, „Wo wart Ihr, so kurz nach der Hochzeit?“ Lachend klopft Kozek dem wissbegierigen Lander freundschaftlich auf die Schulter. Seine Mutter ist davon wenig begeistert, soll ihr Jüngster doch schon bald auf Augenhöhe mit den hohen Vertretern anderer Häuser Verhandlungen führen. Bevor wir zu sehr ins Detail gehen können, greift sie ein. Vermutlich befürchtet Saronna Lebeda, dass ihr Sohn auf dumme Gedanken kommen könnte, welche ihn von seiner Pflicht ablenken. Langfristig hoffen wir Botschafter auszutauschen und Handelsbeziehungen mit dem Hause Lebeda aufzunehmen. Doch viele Meilen trennen Narlgaard und Silberhalle. Bis die ersten Waren eintreffen ist noch ein weiter Weg.
Neben einem Geschäft mit dem Hause Lebeda führt uns noch ein anderes Anliegen nach Silberhalle. Vor wenigen Tagen erhielten wir einen Brief von Velarion Cinovere mit der Bitte um ein vertrauliches Gespräch. Herr Cinovere, so berichtete Thuul, sei Bankier und geweihter Abadars. Er verwaltet die Finanzen der Kirche Abadars in Silberhalle und verfügt somit über nicht unerhebliche Mengen an Gold und Platin. Kurz nach der Flucht Grigoris informierten Thuul, Grunda und Aljoscha Vertreter der Kirche Abadars über den Verrat des Hohepriesters, welcher vor über einem Jahr von Silberhalle nach Narlgaard kam. Vor dem imposanten Gebäude im Zentrum Silberhalles treffen Kevil und ich auf Moraven und Eskel.
Was von außen pompös wirkt ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns im Inneren des Tempels erwartet. Die Vorliebe für ausufernde Goldverzierungen, aufwändige Schnitzereien und roten Samt konnten wir schon in Narlgaard beobachten. Der Anblick, der sich uns hier jedoch bietet, ist mit dem unseres bescheidenen Tempels nicht zu vergleichen. Die ausladenden Hallen überwältigen die Sinne. Ein Mosaik aus Edelsteinen schmückt den Altar. Überall glänzt und funkelt es. Licht fällt durch die Fenster aus Buntglas, welche den Gott der Mauern und Gräben, die Goldfaust, den wohlhabenden Vater und Richter der Götter zeigen. Ich schreite die hohen, rund zulaufenden Fensterreihen ab und sehe Abadar, den Erbauer gigantischer Städte, Abadar im Zweikampf mit Lamashtu und Abadar, den Richter über die Taten der zivilisierten Völker. Der zurückhaltende Herr, welcher uns in Empfang nahm, gewährt uns einige Zeit, um den Prunk zu bestaunen, ehe wir den Grund unseres Besuches ansprechen. Er ist informiert und führt uns durch einige Gänge zum Schatzmeister. Vor der ersten Tür bleibe ich unvermittelt stehen. Mein Blick fällt auf das Symbol an der Tür: ein goldener Schlüssel. Ich sehe die dunkle Kammer dahinter, das Becken mit der zähen Flüssigkeit, die Fratze, das entstellte Gesicht Grigoris. „Alles in Ordnung?“ Eskel sieht mich besorgt an. Seinem irritierten Ausdruck ist zu entnehmen, dass seine ersten Ansprachen nicht zu mir durchgedrungen sind. Es braucht einen Moment, dann nicke ich unsicher. Mein Freund klopft mir auf die Schulter und ich gehe, etwas zu schnell, durch die Tür. Doch bei jeder weiteren Pforte, welche mit dem Symbol versehen ist, steigt ein altbekanntes Gefühl in mir auf. Mir wird mulmig, ich spüre mein schneller schlagendes Herz wie es gegen meine Brust hämmert, fühle den sauber vernähten Schnitt und ertappe mich dabei, wie ich mich gehetzt umsehe. Immer wieder blitzen verstörende Erinnerungen vor meinem geistigen Auge auf. Doch die Personen, denen wir begegnen sind nicht maskiert. Eine Gepflogenheit, welche nur Grigori und seinem engen Vertrauten zu eigen war. Aus gutem Grund, wie wir schmerzlich erfahren mussten.
Als wir schließlich die Gemächer Velarion Cinoveres Betreten steht mir der Schweiß auf der Stirn. Er begrüßt uns förmlich und streckt mir seine Hand entgegen. Fahrig ergreife ich sie und lasse mich hastig in einen Stuhl sinken, ohne seine Aufforderung abzuwarten. Uns gegenüber sitzt ein Elf. Erste Falten zeichnen sich auf seinem Gesicht ab. Er kleidet sich in teure Gewänder. Vom ersten Augenblick an ist mir dieser Zeitgenosse unsympathisch. Meine Unsicherheit kompensiere ich mit einer gehörigen Portion Verachtung. Doch überlasse ich, wie ich es in letzter Zeit regelmäßig zu tun pflege, das Wort unserem Fürsten. Auch Kevil hält sich, wie es für ihn doch eher untypisch ist, auffallend zurück. Herr Cinovere kannte Grigori nach eigner Aussage gut, was ich selbstverständlich entweder stark in Zweifel ziehen oder ihn verdächtigen muss in Dinge verwickelt zu sein, in die er besser nicht verstrickt ist. Er habe von den Vorwürfen gehört, welche wir gegen den Priester erheben und will genaueres über die Vorfälle wissen. Vorwürfe? Wenn ich diese Formulierung schon höre, könnte ich diesem eingebildeten Kautz seinen Silberlöffel ins Gesicht werfen. Doch das scheint schlicht der allgemeine Umgangston dieser seelenlosen Abadar-Emporkömmlinge zu sein.
Moraven klärt ihn auf, spart dabei aber die Geschehnisse in Dis aus. Grigori habe seine wahres Gesicht stets verborgen, seine Identität verschleiert. Er habe Zon-Kuthon, dem Prinzen der Schmerzen, gedient und eine Mordserie in Narlgaard und unseren Vermutungen zufolge auch in Silberhalle zu verantworten. Gemeinsam mit seinem Handlanger Jeremias hat er Personen entführt und rituell hingerichtet. Als Moraven mit seinem Bericht endet stellt der Meister der Münze zu unserer Überraschung keine Rückfragen, sondern bietet uns einen schlichten Handel an. „Was ist euch ein Schweigen wert in dieser Sache?“ Um den Ruf der Kirche Abadars in Silberhalle nicht zu beschmutzen, will er den Bewohnern der Stadt erzählen, dass Vater Grigori bereits in Silberhalle ermordet wurde. Sein Mörder nahm seine Identität an, verließ die Stadt in Richtung Narlgaard und verübte dort schreckliche Verbrechen. So würden unsere Geschichten sich nicht widersprechen, niemand würde Verdacht schöpfen. „Der Einfluss unserer ehrenwerten Institution hat unter dem Aufstieg des Hauses Lebedas gelitten. Wir können uns den Verdacht, dass wir über Jahre hinweg getäuscht wurden und ein Priester im Abadargewand derartige Gräueltaten verübt hat einfach nicht leisten.“ Über diese Wendung der Unterhaltung sind wir alle höchst irritiert. Wie kann ein Gelehrter einer Gottheit, welche sich dem Recht und Gesetz verschrieben hat, derartige Untaten vorsätzlich vertuschen? Aber Herr Cinovere betont, dass Vater Grigori, unserer Geschichte folgend, nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Daher gehe es nun um Schadensbegrenzung. Erwartungsvoll sieht der Bankier in ungläubige Gesichter. Er reicht uns ein unbeschriebenes Blatt Pergament mit der Forderung eine Summe zu nennen. „Wenn die Kirche Abadars irgendetwas ist, dann ist sie wohlhabend.“ Ich bin einigermaßen entsetzt. Dieser Kerl hat keine moralischen Bedenken einen Täuscher und Mörder zu decken. Eine Person, die vielfach und willkürlich unschuldige Personen abgeschlachtet hat. Er gibt uns etwas Bedenkzeit und verlässt den Raum. Kevil beginnt sofort Beträge in den Raum zu werfen. „Sie könnten die Reparatur des Tempels übernehmen. Oder den Bau einer Garnison. Vielleicht könnten sie uns sogar das Geld für eine kleine Armee zur Verfügung stellen!“ Eskel hört dem übersprudelnden Hexenmeister geduldig zu und erwidert nachdenklich. „Gehen wir auf das Geschäft ein, sind wir an unser Versprechen gebunden.“ Moraven und ich sind, was nicht häufig vorkommt, einer Meinung. Als Velarion Cinovere den Raum betritt und erwartungsvoll uns gegenüber Platz nimmt reicht Moraven ihm das Pergament. „Wir können eure Version der Geschichte nicht widerlegen.“ Lächelnd entrollt der Bankier die Rolle und ich füge hinzu. „Aber wir lassen uns nicht kaufen.“ Das Blatt ist leer.
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Im Neth kehrt Christine Balgator aus Mivon zurück. Ob sie in dort mit hochrangigen Schwertherren verhandelt oder die Führer anderer Organisationen getroffen hat, um ihre Feinde von innen zu schwächen erfahren wir nicht. Sie ist verschwiegen und selbst Moraven gelingt es nicht die wortkarge Diplomatin zum Plaudern zu bringen. Der Fürst hat fest vor sein Versprechen gegenüber Frau Balgator zu wahren und sie den weiten Weg zur Drelewfeste zu begleiten. Da uns bisher nicht die Ehre zu Teil wurde diesen Ort zu besuchen, Hannis Drelew hatte sich nie bemüht seine Geringschätzung uns gegenüber zu verbergen und erst im vergangenen Jahr den Kontakt nach Rivien gesucht, habe ich nicht die Möglichkeit den Weg auf magische Weise zu überbrücken. Zwar bin ich nicht erpicht darauf mehrere Tage die Gesellschaft dieser Dame zu teilen, doch sehe ich die Notwenigkeit Moraven bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Wir wollen freundschaftliche Signale in Richtung Pitax senden und die Beziehungen zu unserem Nachbar Hannis Drelew im Hakenzungensumpf intensivieren. Schließlich hat er erst kürzlich eine Handelsroute zwischen Narlgaard und der Drelewfeste ins Spiel gebracht. Von Handelsposten aus brauchen wir dank meines Phantomstreitwagens nur knapp zwei Tage, bis wir die Festung in den Sümpfen erspähen. Tatsächlich springt mir zuallererst der gelbe Kelch auf blauem Grund ins Auge, das Banner von Pitax, welches neben dem Wappen der Drelews im Wind weht.
Ich hatte befürchtet, dass Frau Balgator den Gesprächen zwischen uns und Hannis Drelew beiwohnen wird, um ihrem Herrn in Pitax davon zu berichten. Zu meiner Überraschung reist sie jedoch bereits früh am folgenden Tag weiter. Ich stelle ihr einen weiteren Phantomstreitwagen zur Verfügung. Sie scheint die Annehmlichkeiten dieser deutlich schnelleren Fortbewegungsart zu schätzen und bringt sogar einige wenige knappe Worte des Danks über die Lippen. Kurz danach teleportiere ich mich nach Narlgaard, um binnen weniger Minuten gemeinsam mit Kevil zurückzukehren. Wir hatten es vermeiden wollen die Reise mit einem Surtowa anzutreten, hatte sich doch Konfliktpotential bereits bei der ersten Begegnung abgezeichnet. Doch als Diplomat sollte er solch bedeutenden Gesprächen nicht fernbleiben.
Hannis Drelew war einige Monate vor uns ebenfalls von Jomani Surtowa, dem damaligen Bürgermeister Restovs, beauftragt worden die Raublande zu zivilisieren. Weil der Baron über das größte Kapital verfügte, wurde ihm die gefährlichste Region zugewiesen: Den Hakenzungensumpf. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich jemand freiwillig am Hakenzungensee niederlässt. Im Osten und Süden Moore so weit das Auge reicht. Ein gänzlich unattraktiver Landstrich, welcher von Boggards bewohnt wird. Noch haben wir uns kein eigenes Bild von der Landschaft und den Boggardsiedlungen gemacht, aber die Erzählungen Garuums waren allesamt wenig erfreulich. Im Norden das Glenebon-Oberland, welches von den Tigerherren, einem kriegerischen Barbarenstamm, kontrolliert wird. Und im Westen Pitax, was dem von den Surtowas ausgesandten Baron alles andere als Wohlwollen entgegenbrachte. Entsprechend schwierig gestaltete es sich dort Fuß zu fassen. Baron Hannis Drelew lieferte sich Scharmützel mit Boggards und sah sich der ständigen Bedrohung durch die Tigerherren ausgesetzt. Als er mit der Absetzung Jomani Surtowas auch noch die Unterstützung Restovs verlor, unterwarf er sich notgedrungen dem Tyrannen aus Pitax. Irovetti schickte seine Männer zur Drelewfeste, doch die erkaufte Sicherheit hatte einen hohen Preis. Es dauerte nicht lange bis auf den Straßen der kleinen Ortschaft pitaxsche Zustände herrschten. Kriminalität und Korruption stehen nun an der Tagesordnung, so berichtete es Thuul Klarhaupt. Baron Hannis Drelew, der bei unserer ersten Begegnung am Tag des ersten Schnees noch auf uns herabsah und keinerlei Interesse an Beziehungen zu seinen Nachbarn zeigte, sendet in den vergangenen Monaten vermehrt freundliche Signale. Thuul war von ihm persönlich empfangen worden und kehrte mit einem Schreiben zurück, welches das Interesse zum Ausdruck brachte, Handelsbeziehung zu uns aufzunehmen. Bei meiner Hochzeit war der Baron zwar nicht persönlich zugegen, ließ jedoch ein Geschenk und Grüße übermitteln. Nun wollen wir erste direkte Kontakte aufbauen und Pläne für eine Handelsroute ausarbeiten.
Tatsächlich ist man hier sehr bemüht einen guten Eindruck zu hinterlassen. Der Baron empfängt uns in seinen Hallen und über eine große Karte gebeugt loten wir die Möglichkeiten für eine Handelsroute aus. Doch die Planungen gestalten sich schwieriger als angenommen. Eine Schiffsverbindung über den Murks führt unweigerlich an M’Botuu, der größten Boggardsiedlung im Hakenzungensumpf vorbei. Alle Waren auf diesem Weg müssen gut geschützt werden. Eine Straße zwischen der Drelewfeste und Rezbinnen führt meilenweit durch Morast und über kleinere Flüsse, welche regelmäßig über die Ufer treten. Selbst wenn es gelänge eine Strecke durch den Sumpf trockenzulegen, wären die Karawanen auf dieser Route keineswegs sicher. Boggards können überall in den Sümpfen lauern. Moravens Frage, ob er versucht hätte mit den froschähnlichen Kreaturen Verhandlungen zu führen, hielt er offenbar für einen Scherz des exzentrischen Fürsten. Solche Überlegungen scheinen dem Baron gänzlich fremd. Bestechen könne man diese Kreaturen, aber mit ihnen verhandeln? Ein Ding der Unmöglichkeit.
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3. Ein Erlass des Königs
Frederick Weiß-Tosporius hält das Schriftstück vorsichtig mit den Fingerspitzen, als wäre es eine äußerst fragile Schnitzerei. Als ich an ihn herantrete und das versiegelte Schreiben entgegennehmen will, streckt er es mir nervös entgegen. Seine Hände zittern ein wenig, es entgleitet ihm und fällt zu Boden. Hastig bückt er sich und bittet mehrfach um Verzeihung. Mir ist das Siegel bekannt, es zeigt einen Einmaster. Mit einem Stirnrunzeln mustere ich das Schreiben. Den Grund für seine Unsicherheit kann ich nicht nachvollziehen. Im letzten Jahr, insbesondere im Zuge meiner Hochzeit, waren Briefe der großen Adelshäuser Brevoys eher an der Tagesordnung, als eine Ausnahme. „Ein Schreiben der Surtowas“, stelle ich fest. Weiß-Tosporius schüttelt den Kopf, um sofort energisch zu nicken. „Nein. Der Surtowas, sehr wohl. Aber nicht aus Eishafen. Herr Magister, seht, die Inschrift.“ Tatsächlich stammt dieser Brief nicht aus Eishafen, sondern aus Neu Stetven. „Die Anordnung der Sterne. Dies ist ein Erlass des Königs.“ Anerkennend betrachte ich die Details, welche ich beim ersten Hinsehen nicht bemerkt habe. Selbst wenn es mir aufgefallen wäre, so hätte ich daraus nicht diese Schlüsse ziehen können. Während ich darüber nachdenke, wer damals das glückliche Händchen bewies Frederick Weiß-Tosporius das Amt des Schreibers am Hofe auszustatten, breche ich das Siegel, halte dann jedoch inne. „An wen ist er adressiert?“ „Die Boten sagten, er solle dem Hohen Rat überbracht werden.“ Kurz überlege ich den Brief hervorzuholen, überreiche es dann jedoch dem Fürsten. Mit jedem Satz, den er im Stillen liest, verfinstert sich seine Miene. Schweigend reicht er ihn weiter und ich muss mitansehen, wie Magni empört grunzt und Eskels Kiefer sich anspannen. Ich versuche die aufsteigende Neugierde und Nervosität zu unterdrücken. Schließlich halte auch ich das Papier in Händen.
Tatsächlich handelt es sich um einen Erlass, unterschrieben von Noleski Surtowa, Regent des Drachenschuppenthrones. Darin teilt er uns sehr formell mit, dass Erwil Pendrot in ganz Brevoy alle Forschungsaufträge entzogen, alle Gelder und damit auch alle damit verbundenen Befugnisse gestrichen werden. Sollte einer Person sein Aufenthaltsort bekannt sein, verpflichtet dieser Brief dazu, den König in Neu Stetven darüber zu unterrichten. Über Gründe dieser abrupten Wendung werden wir in Unkenntnis gelassen. Der Erlass macht die Runde ich stelle fest, dass Moraven anscheinend während ich ihn las verschwunden ist. Wenig später taucht er wieder auf, doch sofort fällt auf: Seine Laute hat er nicht mehr dabei. Sein Tonfall verrät den Ernst der Lage. „Die Rivas werden sich in kleiner Runde beraten. Kevil, wenn Ihr mitkommen mögt.“ Ich erschaffe einen außerdimensionalen Raum, in den wir uns zurückziehen können. Eine Vorsichtsmaßnahme aus der Trickkiste des Historikers, der nun in Brevoy keine geduldete Person mehr zu sein scheint. Als zusätzlichen Schutz wirke ich einen Bannzauber auf alle Anwesenden, welcher uns vor den meisten Erkenntniszaubern schützen wird.
Oben angekommen liest sich der Fürst das Schreiben ein zweites Mal durch. Meine Augen ruhen auf Kevil. Moraven hat guten Grund ihn miteinzubeziehen. Es dauert einen Moment, bis der Fürst die richtigen Worte findet. „Erwil ist unser aller Freund.“ Zustimmendes Nicken, Kevil verharrt reglos. Er hatte bisher nur wenig Kontakt zu dem Magier. „Da jedoch niemand hier weiß wo er sich momentan aufhält“, sein Blick schweift durch die Runde und bleibt an mir hängen. Auch ich gebe mit einem Schulterzucken zu verstehen, dass ich nicht in Kenntnis über seinen Aufenthaltsort bin, „können wir dem König in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen.“ Kevil spürt die auf ihn gerichteten Augenpaare und beginnt sich sichtlich unwohl zu fühlen in seiner Haut. Trotzig blickt er auf und blickt entschlossen in die Runde. „In erster Linie bin ich ein Mitglied des Hohen Rates von Rivien. Mein Name macht mich nicht zu einem Verräter. Schon einmal habe ich mich den Befehlen eines Familienmitglieds verweigert.“ Nach dieser deutlichen Stellungnahme des Hexenmeisters weicht die Anspannung und Besorgnis macht sich breit. Was bewegt den König zu einem solchen Schritt? Weshalb ist Erwil dem Königsregenten ein Dorn im Auge? Offenbar scheint Noleski darauf bedacht den Historiker aufzuspüren. Was, wenn dies bereits geschehen ist? Moraven bittet mich Erwil mit einem Ausspähungszauber ausfindig zu machen. Ich weise den Vorschlag zurück. Es wäre keine gute Idee Erwils Aufenthaltsort zu erfahren, denn jedes Wissen kann letztlich eine Gefahr bedeuten. Sollte er sich bereits in den Händen des Königs befinden, werden seine Schutzzauber meine Versuche unterbinden. Außerdem würde es dem Magier vermutlich gelingen den Zauber abzuschütteln. Man sollte einen Freund nicht leichtfertig zum Ziel solcher Magie erklären. Ich biete jedoch an ihm mit Hilfe eines anderen Zaubers eine knappe Nachricht zukommen zu lassen. Moraven bringt mir einige Sätze auf zyklopisch bei, der Sprache, welche Erwil ihn lehrte. Weil das Alphabet dieser Sprache mir gänzlich unbekannt ist, schreibt er den Text in Lautschrift auf. Mehrmals üben wir gemeinsam, dann wirke ich den Zauber. Ich übermittle die Nachricht, bin mir jedoch aufgrund der ungewohnten Aussprache nicht sicher, ob meine Worte nur sinnentleertes Gefasel sind. Doch Moraven bestätigt, dass ich Erwil soeben über den Erlass des Königs informiert und mich nach seinem Wohlergehen erkundigt habe. Ich erhalte keine Antwort.
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4. Eine Vertraute Erwil Pendrots
Seit dem Erhalt des königlichen Erlasses ist keine Woche vergangen, als uns zwei Reisende aus Iobaria angekündigt werden. Ein Mann mittleren Alters, bärtigem, wettergegerbtem Gesicht und eine schlanke, aufgeweckte Halblingsfrau mit aufwändiger Gesichtsbemalung betreten die Halle der Hirschfeste. Ihre dicke Winterkleidung ist von der Reise sichtlich mitgenommen. Moraven begrüßt die beiden mit einer alt-iobarischen Redewendung und bietet ihnen Getränke an. Die kleine Frau ergreift zuerst das Wort und stellt sich vor. „Mein Name ist Gwin.“ Erwartungsvoll blickt sie zu ihrem Begleiter, doch der sucht schweigend und in Gedanken mit seinen dunklen Augen die Reihen des Hohen Rates ab. Als er keine Anstalten macht sich selbst vorzustellen spricht sie an seiner Stelle. „Und das ist mein Reisegefährte Josif.“ Erst als sein Name fällt zeigt er eine Regung, nickt und fügt knapp hinzu: „Man erzählte mir, dass Eskel hier anzutreffen sei.“ „Das ist korrekt“, erwidert Magni, „doch ihr habt ihn verpasst. Der Landvogt ist zurzeit in Dreistrom, aber vermutlich wird er bald zurück sein.“ „Richtet ihm aus, ein alter Freund wartet im Eber auf ihn.“ Ohne ein Wort des Abschieds macht der Mann auf dem Absatz kehrt.
Ein alter Freund? Eskel hat nie viel erzählt von seiner Vergangenheit. Er war Grenzer und habe die hilfsbedürftigen Bewohner Iobarias vor den Überfällen wilder Kreaturen beschützt. Wenn dieser Josif auch aus Iobaria kommt, vielleicht ist er auch ein Mitglied der Vereinigung, welche sich Grenzer nennt. Gwin scheint einen Moment amüsiert über das Getuschel. „Josif ist manchmal etwas wortkarg. Er findet an langatmigen Unterredungen wenig Gefallen.“ Dann wird sie jedoch wieder Ernst und verschafft sich Gehör. „Ich komme im Auftrag von Erwil Pendrot und habe beunruhigende Neuigkeiten.“ Sofort hat sie unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Moraven springt auf und macht eine Geste in ihre Richtung. Sie will gerade erneut ansetzen, als sich eine magische Stille über sie legt. Ihr Mund bewegt sich, doch kein Ton dringt hervor. Aus hellen Augen fixiert die Halblingsfrau den Fürsten. Kevil und Magni reden auf sie ein und es dauert einen Moment bis ich zu ihnen vordringe. „Sie kann euch nicht hören!“ Also versuchen sie mit beschwichtigenden Gesten auf sie einzuwirken. Gwin ist von diesem plötzlichen Tumult irritiert und angesichts von Moravens Zauber verärgert. So empfängt man auch wirklich keine Gäste. Moraven bittet mich, die gängigen Schutzzauber zu wirken. Kevil und Magni gelingt es unterdessen der Halblingsfrau deutlich zu machen, dass hier kein sicherer Ort für ein solches Gespräch sei. Als der Zauber endet schüttelt Gwin mit dem Kopf und nuschelt kaum vernehmbar: „Seltsame Freunde, das waren seine Worte. Wie Recht er hatte!“ Moraven bittet um Verzeihung, was sie milde zu stimmen scheint.
Doch wer ist diese Halblingsfrau? Eine Freundin Erwils? Eine Spionin des Königs? Wie können wir ihr vertrauen? Wenn wir verifizieren könnten, dass sie tatsächlich das Vertrauen Erwils genießt, dann würde sich jegliche Bedenken zerstreuen. Nur wenige Personen sind bei den Mitgliedern des Hohen Rates so hoch angesehen wie der Historiker. Seine Freunde sind uns willkommene Gäste und selbstverständlich wollen wir in Erfahrung bringen, ob es Erwil gelungen ist sich vor dem König und seinen Häschern zu verstecken. Ich bitte sie daher mir die Erinnerung einer Begegnung mit Erwil zur Verfügung zu stellen, mir also einen kurzen Einblick in ihren Geist zu gewähren. Es bedarf etwas Überredungskunst, aber schließlich willigt sie ein. Als ich den Zauber wirke, stoße ich zunächst auf Widerstand. Instinktiv versucht Gwin dem Zauber zu widerstehen. Ich blicke tief in ihre goldgelb glühenden Augen und merke wie der Widerstand schwindet. Plötzlich bin ich an einem anderen Ort. Eisiger Wind peitscht gegen die klapprigen Fensterläden einer zwielichtigen Kaschemme. Vermutlich bin ich irgendwo in der frostigen Einöde Iobarias. Im Hintergrund erhasche ich den Blick auf einige schemenhafte Gestalten, eingehüllt in dicke Wollmäntel. Mir gegenüber sitzt Erwil Pendrot und vor ihm, auf dem mit Wachsflecken übersäten Holztisch knabbert Frau Herbstflügel an einer alten Rübe. Einige Sekunden verharrt mein Blick auf der zierlichen Schmetterlingsflügel der Lyrakien. Dann vernehme ich die vertraute Stimme Erwils. Es fallen mir unbekannte Ortsnamen. Gwin berichtet an den genannten Orten merkwürdigen Kreaturen begegnet zu sein und anhand ihrer Beschreibung erkenne ich sofort, dass es sich um Urdefhane handeln muss. Erwil nickt niedergeschlagen. Erst jetzt bemerke ich, dass die Schatten auf seinem Gesicht nicht das Produkt der flackernden Kerze sind, welche bei jedem Windzug durch den Raum auszugehen droht. Er hat tiefe, dunkle Ringe unter den Augen und wirkt matt. Doch als er Gwin ansieht lächelt er milde. Sein müder Blick strahlt eine tiefe Zuneigung ihr gegenüber aus. Er setzt zu einer Erklärung an, doch dann verschwimmt der Raum vor meinen Augen und ich stehe wieder in den Hallen der Hirschfeste. Gwin weicht erschrocken zurück und zischt etwas Unverständliches. Ich kann ihr das nicht übelnehmen. Einen fremden Geist eindringen zu lassen ist mit Sicherheit keine schöne Erfahrung. Die anderen Ratsmitglieder sehen mich fragend an und scheinen die Sorgenfalten in meinem Gesicht falsch zu deuten. Noch immer bin ich erschrocken von dem Anblick Erwils. Er sah ausgezehrt aus. Mit einem vorsichtigen Nicken gebe ich zu erkennen, dass ich der Halblingsfrau vertraue. Also belege ich auch sie mit einem Zauber, welche sie vor Ausspähungen schützt und bitte sie uns zu folgen. Ein zweites Mal binnen einer Woche wird eine Ratssitzung an einen außerdimensionalen Ort verlegt.
Gwin scheint mit diesem Prozedere bereits vertraut zu sein. Ein Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit, als sie den von mir geschaffenen Raum inspiziert. „Ich habe mich immer über diese Farbgebung gewundert.“ Wir machen es uns gemütlich und haben endlich die Gelegenheit uns in Ruhe vorzustellen. Moraven erklärt sich, indem er in Kürze den Inhalt des Briefes des Königs wiedergibt. Gwin scheint in Unkenntnis von dem königlichen Gesuch. „Als ich ihn das letzte Mal sah war er fahrig und wirkte gehetzt. Wenn ihr ihn kennt, dann wisst ihr, dass das nicht seine Art ist.“ Zumindest scheint er von dem Vorhaben des Königs in Kenntnis gewesen zu sein. War er auf der Flucht? Gwin berichtet im Auftrag Erwils alte Zyklopenstätten in Iobaria untersucht zu haben. „Es passieren seltsame Dinge und Erwil erzählte mir, dass hier Ähnliches geschieht. Grabstätten werden geöffnet. Inschriften unkenntlich gemacht und überall trifft man auf Urdefhane und schlimmere Kreaturen.“ Wir bestätigen, dass diese Monster auch hier ihr Unwesen treiben. „Erwil berichtete mir vor etwa einem Jahr, bevor diese Wesen auftauchten, dass einige unvorsichtige und leichtsinnige Personen zufällig auf ein uraltes Zyklopengrab gestoßen seien und dort Unsinn getrieben hätten. Er war etwas verärgert und meinte, dass dort Mächte geweckt wurden, die niemals hätten geweckt werden dürfen.“ Sie wirft einen spöttischen Blick in die Runde. „Ich nehme an er sprach von euch.“ Unter den Anwesenden war ich der einzige, welcher bei dem besagten Ereignis zugegen war. Ich lasse mich von dieser spitzen Bemerkung nicht provozieren und lasse sie unkommentiert im Raum stehen. „Nun ist seither viel geschehen. Die wenigen erhaltenen Aufzeichnungen über das alte Koloran, das riesige Zyklopenimperium, was sich weit über das heutige Iobaria, Issien und die Rostlande erstreckte, sind lückenhaft, sodass sich die genauen Standpunkte der damaligen Siedlungen nicht rekonstruieren lassen. Schon lange ist Erwil auf der Suche nach den alten Grabstätten, doch es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zudem werden diese ehrwürdigen Stätten mit mächtiger Magie geschützt. Doch was im letzten Jahr geschehen ist, hat ihn erschüttert. An einigen Orten in Iobaria sind riesige Berghänge eingestürzt. Die Stadt Orlov, erbaut auf den Ruinen einer Zyklopenstadt, wurde vor kurzem von einem heftigen Erdbeben heimgesucht. Ein Großteil der Gebäude ist eingestürzt, unter anderem alte zyklopische Bauwerke. Viele bezahlten mit ihrem Leben und die Überlebenden flohen vor den Kreaturen, welche zeitgleich dort auftauchten. Erwil vermutet, dass diese Wesen gezielt alte zyklopische Stätten zerstören. Das ist eine Katastrophe für unsere Arbeit! Jahrzehntelange Nachforschungen werden binnen weniger Monate zunichtegemacht.“ Moraven unterbricht Gwins Bericht. „Woher sollten die Urdefhane wissen, wo sich die alten Gräber der Zyklopen befinden?“, und Kevil füge hinzu: „Und wie sollten sie Berghänge zum Einsturz bringen und Erdbeben heraufbeschwören?“ „Fragen, die ich nicht beantworten kann“, entgegnet Gwin kurz angebunden. Ich gebe zu bedenken, dass die Vermutung doch naheliegt. Schließlich waren es Urdefhane und Daimonen, welche die zyklopischen Runen in dem Hügelgrab auslöschten und eben jene Grabstätte ist vor wenigen Wochen unter ungeklärten Umständen eingestürzt. Gwin nimmt ihre Erzählung wieder auf. „Weil Erwil sich seit geraumer Zeit nicht mehr bei mir gemeldet hat, beschloss ich euch ausfindig zu machen. Denn ihr scheint die Einzige Verbindung zu den Ereignissen zu sein und Erwil erwähnte mehrfach, dass Ihr – Moraven – großes Interesse an der Erforschung alter zyklopischer Geheimnisse gezeigt hättet. Ich arbeite eng mit der Kundschafterloge zusammen und diese vermittelte mir einen Kontakt zu den Kundschaftern in Narlgaard.“ Moraven stellt noch einige Nachfragen zu Gwins Forschungen, doch bald lässt sie sich entschuldigen. Sie ist von der wochenlangen Anreise erschöpft und sucht ein Bett im Eber auf. Wir bleiben ratlos zurück. Wie sollen wir ein Geheimnis lüften, was Erwil zu lüften nicht im Stande war? Und werden wir uns damit nicht mächtige Feinde machen, allen voran Noleski Surtowa?
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Zuletzt von Jakob am Mo Sep 09, 2019 12:24 am bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet