Ein Reseibericht von Faquarl
1. Die Bürden der Schuld
Wir beseitigen die Spuren unseres Massakers und setzen mit den acht hilflosen Echsen zum Flussufer über. Als wir ein notdürftiges Lager errichtet haben, teilen wir eine nächtliche Betreuung für die Kleinen ein. Da es uns allen aber schwerfällt zu schlafen, sitzen wir häufig zu zweit oder dritt schweigend nebeneinander am schwach glimmenden Lagerfeuer. Meine Versuche das weitere Vorgehen zu planen, werden entweder direkt abgewiesen, ignoriert oder führen ins Leere. Deprimiert gehe ich zu Bett. Einen ruhigen Schlaf kann ich jedoch nicht finden.
Auf unserem Rückweg verbringen wir einige Tage mehr als nötig in der Narlmark. Das liegt vor allem daran, dass wir aufgrund unserer Niedergeschlagenheit für jegliche Tätigkeiten, vom Aufschlagen des Lagers bis zur Nahrungszubereitung, deutlich länger brauchen als gewöhnlich. Auch leiden wir unter Schlafmangel, da wir von quälenden Gedanken wachgehalten werden. Und nicht zuletzt fehlt es an einem Plan. Was sollen wir nun mit den acht kleinen Echsen machen? Sie mit nach Narlgaard zu nehmen kommt nicht in Frage. Wir sind ermattet, reden kaum miteinander und befinden uns auf dem Weg in die Stadt, sie erreichen zu wollen. Noch nie war die Stimmung in unserer Gruppe so getrübt wie in diesen Tagen. Uns allen setzt die Erkenntnis, einen Stamm unschuldiger Lebewesen ausgelöscht zu haben, arg zu, aber keiner scheint so getroffen wie Eskel. Noch nie habe ich meinen Freund so betrübt, so in sich gekehrt erlebt. Auch kümmert er sich die meiste Zeit um die verbliebenen Echsen. In den Stunden, welche ich mit ihnen verbringe, rede ich stets mit ihnen auf drakonisch, wenngleich ich natürlich noch keine Antworten erhalte. Aber ich bilde mir ein, dass es wohl hilfreich ist, sie in ihrer eigenen Sprache zu unterrichten.
Einige Tage später, wir hätten schon längst den Wald in Richtung Narlgaard verlassen können, haben unsere Reise aber künstlich hinausgezögert, unternehme ich einen zweiten Versuch und spreche das unangenehme Thema erneut an. Was machen wir nun mit den Echsen? Analytisch trage ich jede erdenkliche Option vor: Wir können sie töten, sie zurücklassen, sie in der Stadt großziehen, sie abseits der Stadt großziehen oder versuchen einen anderen Echsenstamm ausfindig zu machen, um sie diesem zu übergeben. Da wir die ersten beiden Optionen einstimmig ablehnen und auch die Möglichkeit, sie in der Stadt großzuziehen, uns allen Unbehagen bereitet, diskutieren wir lange die letzten beiden Vorschläge aus. Wäre es möglich acht Echsenmenschen über Jahre hinweg in der Narlmark zu verstecken? Wie könnte man ihre Sicherheit gewährleisten? Und wie könnte man sie über die gesamte Zeit vor neugierigen Augen verstecken? Doch das größte Problem ist: Wer soll sie großziehen? Wir alle haben Verpflichtungen durch unsere Aufgaben im Hohen Rat. Und jemanden davon zu überzeugen, die nächsten Jahre seines Lebens acht Echsen zu behüten, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Das Beste wäre wohl Nachforschungen zu weiteren Stämmen von Echsenmenschen in der Region anzustellen. Könnten wir einen solchen ausfindig machen, ist es sicherlich möglich die Waisen dort unterzubringen. Dies wäre mit Sicherheit das Beste für sie, aber auch für uns. Eskel erklärt sich bereit den Grüngürtel zu verlassen, um in den Flusskönigreichen nach anderen Stämmen zu suchen. Ich will unterdessen Nachforschungen anstellen, vielleicht lassen sich nützliche Informationen in der ein oder anderen Aufzeichnung finden. Wir teilen die Beaufsichtigung der kleinen Echsen unter Ava, Magni, Karosh und mir auf, wobei Ava, aufgrund von Ausreden seitens des Zwerges, des Halb-Orks und von mir, meist mit ihnen allein gelassen wird.
Meine Nachforschungen zu Echsenstämmen in Brevoy, Numeria oder den Flusskönigreichen fördern keine hilfreichen Erkenntnisse zur Tage. Nachdem ich auch die Bibliothek Restovs einige Tage lang durchsucht habe, kehre ich nach Narlgaard zurück, um die Vorbereitungen für die Einweihung der Hirschfeste zu koordinieren. Viele Gäste wurden bereits eingeladen und die meisten haben ihr Erscheinen bereits angekündigt. Durch die Fertigstellung eines Rathauses, müssen Kevil und Svetlana nun auch nicht mehr in behelfsmäßig eingerichteten Kammern ihre Aufgaben verrichten, sondern können auf eigens für sie zugeschnittene Räumlichkeiten zurückgreifen. Unterdessen konnte Gustav Svanson einen Kleriker ausfindig machen, welcher ihn, Mareen und Kesten von dem mächtigen Zauber heilen kann, welchen Lucretia ausgelöst hatte, kurz bevor sie durch das Portal verschwand. Dieser lastet seither auf unseren Rettern, weshalb wir selbstverständlich die dafür anfallenden Kosten übernehmen. Dies und auch meine magischen Experimente zur Herstellung von magischen Artefakten, vornehmlich für meine Freunde, verschlingt große Summen an Gold. Diese bringen wir aus Erlösen durch Verkäufe unserer Beute auf und entnehmen es nicht unserer Stadtkasse, um den Aufbau unseres jungen Fürstentums nicht zu behindern.
2. Unerwarteter Besuch
In den Tagen vor dem großen Fest ist die gesamte Ortschaft auf den Beinen. In den wenigen Momenten der Ruhe lasse ich das vergangene Jahr Revue passieren. Denn nicht zufällig haben wir den 10. Rova als Tag für die Einweihung der Hirschfeste auserwählt. An diesem Tag vor exakt einem Jahr brachen wir in den Grüngürtel auf. Wir, das waren Ava, Xin, Karosh, Drugyr und ich. Was seither alles geschah, welche Gefahren wir gemeistert, welch gute Freundschaften wir geknüpft und welch tragische Verluste wir haben hinnehmen müssen. Zweifelsohne war dies das ereignisreichste Jahr meines bisherigen Lebens. Nun bin ich gespannt, was das folgende Jahr bringen wird. Kann es uns gelingen ein prosperierendes Reich in dieser rauen Region erblühen zu lassen, es gegen Feinde zu verteidigen und uns dabei nicht in die Intrigen der Machthaber in Brevoy und den Flusskönigreichen zu verstricken? Wir werden sehen. Nun aber steht das große Fest zur Einweihung der von mir entworfenen Burg bevor.
In den zwei Tagen vor den Festlichkeiten konnten wir noch einige Treffen organisieren. Fürst Keval Mannig haben wir gebeten, sich mit uns zu treffen und glücklicherweise hat dieser sich auch angekündigt. In einem kurzen aber freundschaftlichen Gespräch unterbreiten wir ihm ein Angebot für den Kauf des Handelspostens. Herr Mannig lenkt ein und wir können uns auf einen für beide Seiten fairen Betrag einigen. Svetlana ist von diesem Handel hoch erfreut und unterrichtet ihren Mann Oleg unverzüglich über die Neuigkeiten. Während der Unterhaltung mit Herrn Mannig wurde seine Abneigung gegenüber der Surtowas deutlich. Jedoch schien er, trotz unserer Verbindungen zu Jomani und der Tatsache, dass Kevil Surtowa Moraven bei allerlei Dingen zur Hand geht, keine Vorbehalte gegenüber uns zu hegen. Er scheint erkannt zu haben, dass wir nicht lediglich der verlängerte Arm der Herrscherfamilie sind. Aber vielleicht ist er dieser auch momentan sehr milde gestimmt, hat der König doch gerade erst den Aldori die Herrschaft über die Rostlande übertragen und ist damit einer Forderung nachgekommen, welche Keval Mannig seit längerem unterstützt.
Daraufhin empfangen wir Loy Rezbin. Wir wollen uns in erster Linie um sein Wohlergehen und das seiner Leute erkundigen, nachdem seine Frau vor wenigen Wochen auf so mysteriöse Weise verschwunden ist. Aber wir wollen ihm auch einige Fragen stellen, um so etwas mehr über Lucretia zu erfahren. Es stellt sich heraus, dass Lucretia ihre Pläne auch vor ihrem Mann geheim hielt und dieser von ihrem Verschwinden genauso überrascht war wie wir. Auch bezüglich Jahlefiz, das Feenwesen, welches Lucretia stets begleitete, kann er uns keine erhellenden Informationen bieten. Seine Fragen können wir zum Großteil leider ebenfalls nicht beantworten und so bleibt der Fall Lucretia ein ungelöstes Rätsel. Wir bitten ihn jedoch uns umgehend von Neuigkeiten zu unterrichten. Natürlich ist er schwer getroffen, hat er doch das ganze Vorhaben gemeinsam mit seiner nun verschollenen Frau geplant. Aber ansonsten scheint es ihm und den etwa fünfzig Personen in Rezbinnen, wie sie den Weiler am Stinker benannt haben, gut zu gehen.
Als nächstes erwarten wir eine Person, angekündigt unter dem Namen Bartholomäus Pfote, welche sich bisher ebenfalls in Rezbinnen aufhielt. Er schrieb Eskel einen Brief, in welchem er bat in seine Lehre treten zu dürfen.
Doch als die Tür geöffnet wird steht dort keine Person, zumindest keine humanoide Gestalt. Im ersten Augenblick übersehe ich, dass überhaupt irgendjemand anwesend ist, doch dann betritt eine Katze, auf den Hinterläufen aufrecht stehen, den Saal. Sie – nein er, schließlich handelt es sich um Bartholomäus – ist in edel wirkende Kleider gehüllt. Der Anblick eines Katers in weiten Hosen und mit einer Kopfbedeckung, welche auf seine großen Ohren zurechtgeschneidert ist, überrascht uns alle. Am meisten wohl Eskel, der sich sicherlich seinen potentiellen Schützling anders vorgestellt hat. Doch er ist nur einen Moment etwas verunsichert. Als sich der Kater wirklich als Bartholomäus Pfote vorstellt – bei dem Namen hätte man schon hellhörig werden können – spielt Eskel die anfängliche Irritation herunter und beginnt ein Gespräch mit dem schlagfertigen Tier. Bartolomäus berichtet von Rezbinnen, seiner Freundschaft zu Lucretia und seinem Wunsch als Lehrling Eskel begleiten zu dürfen. Er scheint sich ebenfalls für die Alchemie zu interessieren und ist, Eskels Einschätzungen zur Folge, wohl nicht unbegabt. Nach etwas Bedenkzeit willigt er ein und bietet dem Kater vorläufig an, ihn auf seiner Suche nach einem Echsenstamm begleiten zu dürfen. Unsere Fragen zu Lucretia kann er aber leider ebenso wenig beantworten. Er scheint sie zu verehren und gibt an ihr bei der Arbeit im Labor geholfen zu haben. Er sei ihr Heilkundiger und Berater gewesen, kann sich jedoch nicht erklären weshalb Lucretia verschwunden ist. Mit dem Feengeist Jahlefitz kam der Kater wohl nie sonderlich gut zurecht. Als Eskel darum bittet sich das Labor Lucretias in Rezbinnen zeigen zu lassen, willigt der Kater sofort ein.
Nachdem Bartholomäus den Saal wieder verlassen hat, scherzen wir belustigt über Eskel und seinen neuen Gefährten. Aber ich bin auch etwas misstrauisch. Denn noch immer ist uns das Handeln Lucretias ein Rätsel. Woher wusste sie von dem Ort und weshalb hat ist sie eine andere Existenzebene aufgesucht? Ich bitte Eskel den Kater im Blick zu behalten, um ausschließen zu können, dass er etwas im Schilde führt. Einen Spitzel Lucretias will ich nicht in der Stadt haben und schon gar nicht in unseren Reihen.
Am darauffolgenden Tag erreicht eine Delegation um Erikk Varn die Stadt. Die Varns haben darum gebeten die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit abzustecken. Erikk ist deutlich jünger und weniger mürrisch als sein Bruder Maeger. Die Varns, welche in den Niemannhöhen bereits eine Festung - die Varnburg - errichtet haben, bekunden kein Interesse daran westlich der nördlichen Ausläufer der Felsentürme von Levenis zu siedeln. Jedoch würden sie gerne die Varnburg durch eine Straße mit Narlgaard verbinden. Sie legen uns eine Karte vor, an welcher wir das Vorhaben, welches uns ebenfalls entgegenkommt, genauer abstecken können. Erikk bietet an, dass sie den beschwerlichen Straßenbau über die Berge hinweg bewerkstelligen würden. Dafür kommen wir ihnen entgegen und übernehmen den Bau der längeren Strecke bis zum Fuße der Berge. Gemeinsam streben wir an die Straßen binnen eines Jahres zusammenzuführen. Sie machen uns darauf aufmerksam, dass in den Bergen einige Orks gesichtet wurden und wir deshalb bei dem Bau der Straße auf Überfälle vorbereitet sein sollten.
Als letztes empfangen wir Lea Ianucci, die Anführerin der Aldori Schwertherren. Wir alle sind gespannt wie diese uns gegenüber auftreten wird. Was weiß sie über uns und unsere Beziehungen zu den Surtowas? Wird sie uns als Verbündete ihrer Feinde ansehen oder wird sie versuchen eine kooperative Nachbarschaft anzustreben? Oder hat sich das Verhältnis der Schwertherren zu den Surtowas nach dem Beschluss des Königs soweit entspannt, sodass vorherige gewaltsame Auseinandersetzungen keinen Grund mehr für Anfeindungen sind? Eine schlanke, elegant gekleidete und selbstbewusste Anführerin betritt die Halle und mustert uns aufmerksam. Wir stellen uns vor und erkundigen uns über die Zustände in Restov und den umliegenden kleineren Ortschaften. Sie versichert uns, dass die Machtübernahe geordnet stattfände, da die Aldori ohnehin über einen großen Rückhalt in der Bevölkerung der Raublande verfügten. Ob ihre Darstellungen zutreffen, können wir nicht beurteilen, aber beliebter als die Surtowas waren sie wohl allemal. Sie versichert uns, dass wir willkommene Gäste in Restov sind und scheint uns gegenüber recht unvoreingenommen zu sein. Auf die Frage nach einer Überstellung der Eberhauer verzichten wir. Wir wollen die Beziehungen nicht aufgrund einer Trophäe gefährden. Obwohl sich die Hauer Schlitzzahns sehr gut über den Toren des Handelspostens machen würden.
Am Vormittag des 10. Rova versammeln sich einige Bürgerinnen und Bürger am Ufer des Hauerwassers. Zunächst wird die imposante Statue Turalyns eingeweiht. Sie zeigt den Paladin in stolzer Pose, sein Schwert Rechtsklinge in den Händen haltend. Magni hat ihn, obgleich er ihm nie begegnet ist, ausgezeichnet getroffen. Zu diesem Zweck hatte ich dem Zwergen einige magische Abbilder unseres ersten Fürsten gezeigt. Zwar war Turalyn unter den Bewohnern aufgrund seines Ablebens noch vor der Gründung Narlgaards nur wenig bekannt, doch sein Spitzname der Totgeborene ist mittlerweile allen Bürgern Riviens ein Begriff. Dieser ist auch auf dem Sockel der Statue zu lesen, auf welchem steht:
Eskel hält eine flammende Rede, in welcher er die Taten des Paladins anpreist und im Anschluss findet ein Schweigemarsch zur Hirschfeste statt. Dort begrüßt Moraven das Volk vom Balkon und weiht die Burg offiziell mit einem Festakt ein. Nach der kurzen, humorvollen Ansprache werden Speisen und Getränke in den Burghof gebracht und weil nun immer mehr Dorfbewohner hoch zur Hirschfeste strömen, werden die Festlichkeiten sowohl vor die Burgmauern, als auch ins Innere der Burg ausgedehnt. Für interessierte Bürger biete ich eine Führung an, in welcher ich detaillierte Beschreibungen aus erster Hand liefere. Als nach dem ersten Rundgang nur noch eine Handvoll verwirrter Personen übriggeblieben sind, welche mir vermutlich nur noch folgen, um sich in den Gängen nicht zu verirren, passe ich meine Ausführungen an die Bedürfnisse des einfachen Volkes an. Von nun an schmücke ich meine Beschreibungen mit fiktiven Kampfhandlungen aus und erkläre so, welche Funktionen die einzelnen Räume und Vorrichtungen erfüllen. Obwohl meine Beschreibungen ganz offensichtlich nicht mehr den Tatsachen entsprechen, werden sie doch deutlich besser aufgenommen als die detaillierten Angaben zur Beschaffenheit der Steine und Stärke des Gemäuers.
Gegen Abend werden die letzten Dorfbewohner freundlich aus der Burg gebeten, da nun die Feierlichkeiten für die geladenen Gäste beginnen. Während die Bürger der Stadt draußen weiterfeiern, empfängt der Rat Riviens im großen Saal Vertreter der Adelsfamilien von Brevoy, darunter Thomas Medwjed und seine Cousine Saskja, Tamara Grubner und Lander Lebeda, den kleinen Bruder der Königin und natürlich Prinzessin Mina Lodowka. Ebenfalls erschienen ist Toval Golka, das Zwergenmündel von Holan Garess und Sohn des Anführers der Golushkin, mitsamt einer ganzen Gefolgschaft von Zwergen. Nur von Haus Orlowski sind keine Vertreter erschienen. Ebenfalls fern geblieben ist Michael Granoff, der Prior der Front der Zivilisation in Silberhalle und Baron Hannis Drelew, welcher auf die Einladung nicht reagiert hat. Aber Erikk Varn ist selbstverständlich anwesend. Fürst Kevan Mannig und Lea Ianucci, welche wir ebenfalls im Vorfeld gesprochen hatten, sind auch für die Feier geblieben. Darüber hinaus sind viele Freunde von uns erschienen, darunter Jomani Surtowa, welcher noch immer einen sehr betrübten Eindruck macht, Grunder Holler, Magera Fiss, Mareen und ihre Söldnertruppe, Oleg, Djod, Joakim, Akiros, Joseph, Bartolomäus Pfote und Loy Rezbin mit einem Teil der Bewohner Rezbinnens.
Während Magni sich mit Toval Golka uns den anderen Zwergen prächtig zu verstehen scheint, unterhalten sich Moraven und Layra mit Herrn Medwjed. Karosh ist froh seinen engen Freund Joakim und Djod nach einiger Zeit wiederzusehen, aber mir entgeht nicht, dass er sich am späten Abend auch mit Tamara Grubner, welche er bei der Hochzeit des Königs zum Tanzen aufforderte, unterhält. Da Jomani weiterhin verdrossen alleine am Tisch sitzt, lade ich ihn ein auf einen Spaziergang durch Narlgaard. Dabei zeichne ich die vergangenen Monate nach, um ihm daraufhin für seine Starthilfe, ohne die all dies nicht möglich gewesen wäre, zu danken. Auch betone ich ein weiteres Mal, dass er sich auf unsere Loyalität ihm gegenüber verlassen könne. Das Treffen mit Lea Ianucci diene lediglich dazu, unsere neuen Nachbarn kennen und einschätzen zu lernen. Doch es bleibt weitestgehend bei einem Monolog meinerseits. Jomani residiert seit seiner Enthebung wieder in der Hauptstadt, scheint dort aber nicht glücklich zu sein. Nach dem Spaziergang sucht er nicht mehr die Feiergesellschaft auf, sondern begibt sich direkt auf sein Zimmer.
Als ich wieder den Saal betrete ist es merklich lauter. Viel Bier und Wein ist in der Zwischenzeit geflossen, wodurch sich alle prächtig amüsieren. Nur der junge Lander kann mit der feuchtfröhlichen Gesellschaft wenig anfangen, und so gebe ich auch ihm eine kleine Führung durch die Hirschfeste. Ihm erzähle ich währenddessen von unseren Abenteuern in den Raublanden. Umgehend lässt sich der aufgeweckte Junge von diesen begeistern und klagt über sein ereignisloses Leben in Silberhalle. Anscheinend wächst er dort sehr behütet auf. Um mir keinen Ärger einzufangen, betone ich die Gefahren von solchen Unternehmungen und stachle ihn nicht weiter auf. Er plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen der Familiengeschichten und so schnappe ich auf, dass Elanna angeblich nicht im Königspalast residiert. Weshalb kann ich leider nicht herausfinden.
Es ist bereits spät in der Nacht und einige Gäste amüsieren sich noch immer. Darunter natürlich auch Magni mit seinen bereits stark angetrunkenen Zwergenfreunden. Zumindest im Burghof ist mittlerweile Ruhe eingekehrt, wobei einige der Dorfbewohner nicht mehr in ihre Betten gefunden haben. Gemeinsam mit Mina verlasse ich die große Halle und führe sie auf einen Turm der Burg. Von dort aus haben wir eine prächtige Aussicht über die nächtlichen, im Mondschein liegenden Hügel. Die Nacht ist klar und eine kühle Brise weht vom Hauerwassersee über die Stadt. Wir blicken in den Sternenhimmel und genießen den Moment der Stille. Irgendwann frage ich sie leise: „Bist du schon einmal geflogen?“ Als sie dies verneint, hole ich eine Feder hervor, nehme sie an der Hand wirke den entsprechenden Zauber. Vorsichtig heben wir ab und schweben lautlos durch die Nacht hinunter zum See.
Ich habe Mina gerade in ihre Gemächer gebracht und bin auf dem Weg in mein Zimmer, als ich gedämpfte Stimmen in den dunklen Gängen höre. Dann sehe ich Moraven, vertieft in ein Gespräch mit einer Person, welche mir den Rücken zukehrt. Als Moraven mich bemerkt, winkt er mich heran. Als sein Gesprächspartner sich zu mir umdreht, brauche eine Sekunde, bis ich begreife, dass der König des Drachenschuppenthrons, Noleski Surtowa, vor mir steht. Irritiert suche ich nach der angemessenen Anrede, da ergreift Moraven die Initiative, stellt mich vor und sagt zu meiner Verblüffung: „Welch ein Zufall, der König wollte dich gerade sprechen. Es geht um das Geschenk, welches du Seiner Majestät zur Hochzeit zukommen ließest.“, „Die Kristallkugel?“ frage ich verblüfft. „Richtig, es geht um die Kristallkugel. Ein wirklich interessantes Geschenk, vielen Dank. Ich würde gerne wissen, wo Ihr sie gefunden habt. Ihr habt sie doch gefunden, nicht wahr?“ In den Worten des Königs manifestiert sich seine Erhabenheit. Sie strahlen vollkommene Ruhe und freundliche Bestimmtheit zugleich aus. Seine Bewegungen sind flüssig und elegant wie die eines Tänzers, sein Gang völlig lautlos, als würde er schweben. Eine beängstigend charismatische Person.
Bevor ich das Gespräch fortsetze, bitte ich den König mir auf mein Zimmer zu folgen. Dort greife ich das Thema wieder auf und frage, weshalb sich der König für die Kugel interessieren würde. Er gibt an, dass es ihm weniger um die Kugel an sich geht. Diese enthielt Erinnerungen. Erinnerungen einer Elfe namens Tessarael. Doch nicht deren Inhalt sei von Interesse, sondern der Ort, wo wir diese gefunden haben. Ich bin erstaunt über das Wissen Noleskis. Tatsächlich nannte sich die Stimme, welche auf telepathische Weise zu uns sprach Tessarael. Und auch fanden wir in dem Gewölbe die Statue einer Elfe, welche diesen Schriftzug trug. Ich will mehr über sie erfahren, doch der König weicht meinen Fragen durch vage, nichtssagende Antworten aus, in welchen er andeutet ebenso ahnungslos zu sein wie wir. Dies bezweifle ich. Denn wie kann man auf den Erschaffer eines Objektes schließen, ohne weitreichende Kenntnisse über diesen zu verfügen? Da er mir aber offensichtlich meine Fragen nicht beantworten will, stelle ich meine Nachfragen ein und zeige ihm schließlich auf der Karte den Ort der Hobgoblinfestung. Kurz fasse ich die Ereignisse zusammen und schließe mit der Bitte, uns von seinen Erkenntnissen bezüglich Tessarael und den Vorgängen in dem absonderlichen Gewölbe zu unterrichten. Ich füge hinzu, dass wir sehr dankbar über jede Information von Lucretia und den Umständen ihres Verschwindens wären. Der König bedankt sich für die Hilfe und merkt an, dass er sich, auf der Suche nach mysteriösen Orten und Artefakten, über jegliche Hinweise freuen würde. Dann verschwindet er mithilfe eines Teleportationszaubers von einem Moment auf den nächsten.
Wenige Augenblicke später klopfe ich an die Zimmertür des Fürsten. „Du stehst mit dem König in Kontakt? Wie und … seit wann?“ Moraven erzählt unaufgeregt, auf seinem Bett sitzend, dass er vom König persönlich den Auftrag erhalten habe uns aufzusuchen und bei der von Jomani erteilten Aufgabe zu unterstützen. Dabei solle er, wenn er auf interessante, geheimnisvolle Entdeckungen stoße, umgehend mit Noleski Kontakt aufnehmen. Das habe er getan. Ich bin beeindruckt. An was genau ist der König interessiert? Moravens Einschätzungen zufolge ist er auf der Suche nach etwas Bestimmten. Doch da Noleski Surtowa nicht durch präzise und detaillierte Ausführungen zu meinen Fragen aufgefallen ist, wird dies wohl vorerst im Geheimen bleiben. Verblüfft über die heutigen Ereignisse wünsche ich Moraven einen angenehmen Schlaf und ziehe mich zurück. Was ein einfaches Hochzeitsgeschenk alles bewirken kann …
3. Das Treffen des Zwergenclans
Am nächsten Tag, die Aufräumarbeiten sind bereits erledigt, ruft uns Magni zusammen. Er teilt uns mit vor einigen Tagen einen Brief von seinem Familienclan erhalten zu haben. Diese wollen sich bei der Klosterruine mit ihm treffen. Er solle in einer Woche dort eintreffen. Ein Grund für das Treffen wird jedoch nicht genannt. Merkwürdigerweise wird in dem Schreiben darum gebeten, niemanden von dem Treffen zu unterrichten, er solle alleine erscheinen. Nach längeren Überlegungen hat sich der Zwerg jedoch entschlossen uns den Brief zu zeigen. Wir bieten an, ihn zu begleiten, wenn er der Aufforderung nachkommen wolle. Magni nimmt unser Angebot dankend entgegen und so machen wir uns einige Tage später auf den Weg zur Klosterruine.
Wir erreichen die das alte Gemäuer einen Tag vor dem geplanten Treffen und schlagen unser Lager in einiger Entfernung auf. Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg. Magni entscheidet sich ein Stück vorauszugehen, während wir uns im Schatten der verfallenen Mauern bedeckt halten. Wir werden zur Sicherheit in der Nähe bleiben, da uns die geforderte Geheimhaltung des Treffens misstrauisch gemacht hat.
So beobachten wir, wie unseren Zwergenfreund den Innenhof der Klosterruine betritt. Dort erwartet ihn ein Bild des Grauens. Etwa ein Dutzend Zwerge, allesamt Familienangehörige seines Clans, liegen leblos am Boden. Ihre Leichen wurden sternförmig um den Brunnen herum angeordnet. Magni ist so geschockt, dass er vergisst uns ein Signal zu geben, wodurch wir von alledem nichts mitbekommen. Vom Anblick seiner ermordeten Familie völlig überrumpelt macht Magni einige unsichere Schritte auf die Leichen zu. Doch bevor er diese erreicht, klettert eine kleine Kreatur geschwind aus dem Inneren des Brunnens. Es handelt sich um ein Charda. Der Körper des Monsters ist von einer violetten Panzerung geschützt und an jedem ihrer sechs Fänge befinden sich lange, gebogene Klauen. Auf die Hinterläufe gestützt springt es auf Magni zu. Die Geräusche im Innenhof haben uns derweil misstrauisch gemacht, weshalb Eskel einen vorsichtigen Blick in den Innenhof wirft. In diesem Moment beobachtet er, wie ein zweites Wesen aus dem Brunnen klettert und sich ebenfalls auf Magni stürzt.
Gemeinsam eilen wir unserem Freund zu Hilfe, doch noch bevor wir ihn erreichen, öffnet eine der Kreaturen seinen Schlund und versprüht mit seinem eisigen Atem eine Kältewolke. Die Temperatur um uns herum scheint schlagartig zu sinken, unsere Glieder schmerzen und unsere Muskeln verkrampfen sich. Ich wirke einen Hast-Zauber und verschanze mich hinter einer Steinmauer, um einem weiteren derartigen Angriff aus dem Weg zu gehen. Ava versucht den Bestien mit einer Flammenkugel zuzusetzen und die beiden Nahkämpfer müssen feststellen, dass die Panzer der Kreaturen ihren Hieben ausgesprochen gut widerstehen können. Als auch der verbleibende Charda seinen Mund öffnet und eine weitere Wolke aus Kälte meine Gefährten erfasst, wird die kleine Halblingsdame auf der Stelle schockgefroren. Magni trotzt zwar dem Zauber, doch als sich die beiden Kreaturen mit ihren riesigen Klauen über den Zwerg hermachen, geht auch dieser schwerverletzt zu Boden. Eskel kann die Panzerung von einem der Angreifer durch einen heftigen Schwertstreich knacken und das Monster daraufhin zur Strecke bringen. Währenddessen eile ich zu Ava und flöße ihr einen Heiltrank ein. Am ganzen Leib zitternd kommt sie wieder zu sich, doch im ersten Moment fällt es ihr schwer sich auf ihren kurzen Beinen zu halten. In diesen Augenblicken müssen wir mitansehen, wie Eskel von dem verbleibenden Monster angegriffen wird. Der Charda beißt ihm in seinen Schwertarm und versenkt die Klauen tief im Fleisch unseres Freundes. Bewusstlos klappt auch dieser zusammen. Hektisch erzeuge ich eine Grube, aber der Charda springt geschickt zur Seite. Doch er hat seine Rechnung ohne Ava gemacht. Die Halblingsdame erzeugt in diesem Moment einen Windstoß, welcher die Bestie erfasst und in die Tiefe stürzen lässt.
Die Gefahr scheint vorerst gebannt. Ava kümmert sich um die beiden Verletzten und kann diese glücklicherweise mit Hilfe ihres Heilerstabs genesen lassen. Unterdessen wirke ich einen Fliegen-Zauber und schwinge mich in die Luft, um den Charda aus der Höhe anzugreifen und zu verhindern, dass dieser aus der Grube klettern kann. Als ich über ihn hinwegschwebe erkenne ich, dass die Kreatur wohl nicht in der Lage ist aus der Falle zu entkommen. Doch als mich der Charda entdeckt, fixiert er mich plötzlich mit seinen grünen Augen und aus dem Mund schießt ein Kältestrahl. Seine Wirkung verpufft nur einen Meter unter mir und so entgehe ich mit viel Glück einem Treffer, welcher mich in die Tiefe hätte stürzen lassen. Mit einem Strahl von einer solchen Reichweite habe ich nicht gerechnet. Von nun an sind wir vorsichtiger und mit vereinten Kräften gelingt es uns dem Charda am Boden der Grube den Garaus zu machen.
Als Magni wieder etwas aufgepäppelt ist und sich von dem größten Schock erholt hat, begutachtet er seine toten Verwandten. Sie wurden auf magische Weise konserviert, weshalb wir davon ausgehen, dass sie nicht erst kürzlich gestorben sind. Doch wie lange sie hier schon liegen, lässt sich nicht feststellen. Merkwürdigerweise können wir keine Spuren von äußeren Einwirkungen erkennen, welche das Ableben der Zwerge erklären könnten. Jedoch scheinen sie ausgeraubt worden zu sein, denn sie tragen weder Waffen und Rüstungen, noch andere Gegenstände bei sich. Wir durchsuchen das alte Kloster und stoßen im Keller auf in die Felswände gehauene Runen. Zuletzt waren diese unter einer dicken Eisschicht verborgen. Doch seit der Fluch gebrochen ist, konnte alles Eis schmilzen, wodurch sich hier unten auch ein großer See gebildet hat. Die Symbole können wir jedoch leider nicht auf Anhieb entschlüsseln und auch der Zauber Sprachen verstehen fördert keine Erkenntnisse zu Tage. Es handelt sich somit nicht um Schriftzeichen. Magni jedoch meint erkennen zu können, dass diese Symbole denen der Duergar, einer bösen Zwergenrasse, ähnlich seien. Auch in den oberirdischen Gemäuern der Ruine finden wir keine weiteren Hinweise auf die Geschehnisse. Den Kobold, welchen wir damals hier zurückgelassen haben, können wir ebenfalls nicht auffinden, aber neben den zwei Charda haben sich hier keine weiteren Kreaturen eingenistet. So bestatten wir die Zwerge und begeben uns auf den Rückweg, ohne die Umstände ihres Todes auch nur ansatzweise aufgeklärt zu haben.
Achzehnte Sitzung am Sonntag, den 21. Mai 2017 in Frankfurt im Garten.
Mit Tobi, Dominik, Lena, Lucas und mir.
1. Die Bürden der Schuld
Wir beseitigen die Spuren unseres Massakers und setzen mit den acht hilflosen Echsen zum Flussufer über. Als wir ein notdürftiges Lager errichtet haben, teilen wir eine nächtliche Betreuung für die Kleinen ein. Da es uns allen aber schwerfällt zu schlafen, sitzen wir häufig zu zweit oder dritt schweigend nebeneinander am schwach glimmenden Lagerfeuer. Meine Versuche das weitere Vorgehen zu planen, werden entweder direkt abgewiesen, ignoriert oder führen ins Leere. Deprimiert gehe ich zu Bett. Einen ruhigen Schlaf kann ich jedoch nicht finden.
Auf unserem Rückweg verbringen wir einige Tage mehr als nötig in der Narlmark. Das liegt vor allem daran, dass wir aufgrund unserer Niedergeschlagenheit für jegliche Tätigkeiten, vom Aufschlagen des Lagers bis zur Nahrungszubereitung, deutlich länger brauchen als gewöhnlich. Auch leiden wir unter Schlafmangel, da wir von quälenden Gedanken wachgehalten werden. Und nicht zuletzt fehlt es an einem Plan. Was sollen wir nun mit den acht kleinen Echsen machen? Sie mit nach Narlgaard zu nehmen kommt nicht in Frage. Wir sind ermattet, reden kaum miteinander und befinden uns auf dem Weg in die Stadt, sie erreichen zu wollen. Noch nie war die Stimmung in unserer Gruppe so getrübt wie in diesen Tagen. Uns allen setzt die Erkenntnis, einen Stamm unschuldiger Lebewesen ausgelöscht zu haben, arg zu, aber keiner scheint so getroffen wie Eskel. Noch nie habe ich meinen Freund so betrübt, so in sich gekehrt erlebt. Auch kümmert er sich die meiste Zeit um die verbliebenen Echsen. In den Stunden, welche ich mit ihnen verbringe, rede ich stets mit ihnen auf drakonisch, wenngleich ich natürlich noch keine Antworten erhalte. Aber ich bilde mir ein, dass es wohl hilfreich ist, sie in ihrer eigenen Sprache zu unterrichten.
Einige Tage später, wir hätten schon längst den Wald in Richtung Narlgaard verlassen können, haben unsere Reise aber künstlich hinausgezögert, unternehme ich einen zweiten Versuch und spreche das unangenehme Thema erneut an. Was machen wir nun mit den Echsen? Analytisch trage ich jede erdenkliche Option vor: Wir können sie töten, sie zurücklassen, sie in der Stadt großziehen, sie abseits der Stadt großziehen oder versuchen einen anderen Echsenstamm ausfindig zu machen, um sie diesem zu übergeben. Da wir die ersten beiden Optionen einstimmig ablehnen und auch die Möglichkeit, sie in der Stadt großzuziehen, uns allen Unbehagen bereitet, diskutieren wir lange die letzten beiden Vorschläge aus. Wäre es möglich acht Echsenmenschen über Jahre hinweg in der Narlmark zu verstecken? Wie könnte man ihre Sicherheit gewährleisten? Und wie könnte man sie über die gesamte Zeit vor neugierigen Augen verstecken? Doch das größte Problem ist: Wer soll sie großziehen? Wir alle haben Verpflichtungen durch unsere Aufgaben im Hohen Rat. Und jemanden davon zu überzeugen, die nächsten Jahre seines Lebens acht Echsen zu behüten, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Das Beste wäre wohl Nachforschungen zu weiteren Stämmen von Echsenmenschen in der Region anzustellen. Könnten wir einen solchen ausfindig machen, ist es sicherlich möglich die Waisen dort unterzubringen. Dies wäre mit Sicherheit das Beste für sie, aber auch für uns. Eskel erklärt sich bereit den Grüngürtel zu verlassen, um in den Flusskönigreichen nach anderen Stämmen zu suchen. Ich will unterdessen Nachforschungen anstellen, vielleicht lassen sich nützliche Informationen in der ein oder anderen Aufzeichnung finden. Wir teilen die Beaufsichtigung der kleinen Echsen unter Ava, Magni, Karosh und mir auf, wobei Ava, aufgrund von Ausreden seitens des Zwerges, des Halb-Orks und von mir, meist mit ihnen allein gelassen wird.
Meine Nachforschungen zu Echsenstämmen in Brevoy, Numeria oder den Flusskönigreichen fördern keine hilfreichen Erkenntnisse zur Tage. Nachdem ich auch die Bibliothek Restovs einige Tage lang durchsucht habe, kehre ich nach Narlgaard zurück, um die Vorbereitungen für die Einweihung der Hirschfeste zu koordinieren. Viele Gäste wurden bereits eingeladen und die meisten haben ihr Erscheinen bereits angekündigt. Durch die Fertigstellung eines Rathauses, müssen Kevil und Svetlana nun auch nicht mehr in behelfsmäßig eingerichteten Kammern ihre Aufgaben verrichten, sondern können auf eigens für sie zugeschnittene Räumlichkeiten zurückgreifen. Unterdessen konnte Gustav Svanson einen Kleriker ausfindig machen, welcher ihn, Mareen und Kesten von dem mächtigen Zauber heilen kann, welchen Lucretia ausgelöst hatte, kurz bevor sie durch das Portal verschwand. Dieser lastet seither auf unseren Rettern, weshalb wir selbstverständlich die dafür anfallenden Kosten übernehmen. Dies und auch meine magischen Experimente zur Herstellung von magischen Artefakten, vornehmlich für meine Freunde, verschlingt große Summen an Gold. Diese bringen wir aus Erlösen durch Verkäufe unserer Beute auf und entnehmen es nicht unserer Stadtkasse, um den Aufbau unseres jungen Fürstentums nicht zu behindern.
2. Unerwarteter Besuch
In den Tagen vor dem großen Fest ist die gesamte Ortschaft auf den Beinen. In den wenigen Momenten der Ruhe lasse ich das vergangene Jahr Revue passieren. Denn nicht zufällig haben wir den 10. Rova als Tag für die Einweihung der Hirschfeste auserwählt. An diesem Tag vor exakt einem Jahr brachen wir in den Grüngürtel auf. Wir, das waren Ava, Xin, Karosh, Drugyr und ich. Was seither alles geschah, welche Gefahren wir gemeistert, welch gute Freundschaften wir geknüpft und welch tragische Verluste wir haben hinnehmen müssen. Zweifelsohne war dies das ereignisreichste Jahr meines bisherigen Lebens. Nun bin ich gespannt, was das folgende Jahr bringen wird. Kann es uns gelingen ein prosperierendes Reich in dieser rauen Region erblühen zu lassen, es gegen Feinde zu verteidigen und uns dabei nicht in die Intrigen der Machthaber in Brevoy und den Flusskönigreichen zu verstricken? Wir werden sehen. Nun aber steht das große Fest zur Einweihung der von mir entworfenen Burg bevor.
In den zwei Tagen vor den Festlichkeiten konnten wir noch einige Treffen organisieren. Fürst Keval Mannig haben wir gebeten, sich mit uns zu treffen und glücklicherweise hat dieser sich auch angekündigt. In einem kurzen aber freundschaftlichen Gespräch unterbreiten wir ihm ein Angebot für den Kauf des Handelspostens. Herr Mannig lenkt ein und wir können uns auf einen für beide Seiten fairen Betrag einigen. Svetlana ist von diesem Handel hoch erfreut und unterrichtet ihren Mann Oleg unverzüglich über die Neuigkeiten. Während der Unterhaltung mit Herrn Mannig wurde seine Abneigung gegenüber der Surtowas deutlich. Jedoch schien er, trotz unserer Verbindungen zu Jomani und der Tatsache, dass Kevil Surtowa Moraven bei allerlei Dingen zur Hand geht, keine Vorbehalte gegenüber uns zu hegen. Er scheint erkannt zu haben, dass wir nicht lediglich der verlängerte Arm der Herrscherfamilie sind. Aber vielleicht ist er dieser auch momentan sehr milde gestimmt, hat der König doch gerade erst den Aldori die Herrschaft über die Rostlande übertragen und ist damit einer Forderung nachgekommen, welche Keval Mannig seit längerem unterstützt.
Daraufhin empfangen wir Loy Rezbin. Wir wollen uns in erster Linie um sein Wohlergehen und das seiner Leute erkundigen, nachdem seine Frau vor wenigen Wochen auf so mysteriöse Weise verschwunden ist. Aber wir wollen ihm auch einige Fragen stellen, um so etwas mehr über Lucretia zu erfahren. Es stellt sich heraus, dass Lucretia ihre Pläne auch vor ihrem Mann geheim hielt und dieser von ihrem Verschwinden genauso überrascht war wie wir. Auch bezüglich Jahlefiz, das Feenwesen, welches Lucretia stets begleitete, kann er uns keine erhellenden Informationen bieten. Seine Fragen können wir zum Großteil leider ebenfalls nicht beantworten und so bleibt der Fall Lucretia ein ungelöstes Rätsel. Wir bitten ihn jedoch uns umgehend von Neuigkeiten zu unterrichten. Natürlich ist er schwer getroffen, hat er doch das ganze Vorhaben gemeinsam mit seiner nun verschollenen Frau geplant. Aber ansonsten scheint es ihm und den etwa fünfzig Personen in Rezbinnen, wie sie den Weiler am Stinker benannt haben, gut zu gehen.
Als nächstes erwarten wir eine Person, angekündigt unter dem Namen Bartholomäus Pfote, welche sich bisher ebenfalls in Rezbinnen aufhielt. Er schrieb Eskel einen Brief, in welchem er bat in seine Lehre treten zu dürfen.
Bartholomäus Pfote schrieb:Euer Edelgeboren, Herr Eskel von Riva,
Bitte verzeiht mein törichtes Anliegen! Mein Name ist Bartholomäus Pfote und ich bin ein einfacher Trankbrauer aus dem Weiler der Rezbins tief in der Narlmark. Für Lucretia, Loy Rezbins Gemahlin, arbeitete ich die letzten Monate als Mediziner und Berater. Nun begab es sich, dass Lucretia auszog, um die umliegenden Wälder zu bestimmen und dort auf die Ruine eines alten Gemäuers stieß. Über zwei Wochen ist es nun her, ihr kennt die Geschichte - meine Herrin verschwand in den Katakomben, während Ihr, Eskel von Riva und Euer Geschlecht nach Wochen der Unauffindbarkeit zurück ins Tageslicht tratet. Eine heroische, wie aber auch tragische Geschichte. Verzweiflung überkam mich, ihr verdanke ich doch tatsächlich mehr als allen Göttern der Sphären und so sinnierte ich, hoffte ich, Tag um Tag. Das Resultat nun ist dieser Brief an Euch. Meine Herrin sah in euch so vieles, wenn sie ein solches Opfer einging, um den Schlund umzustülpen, der euch hatte verschlungen! Nun hält mich wenig hier in der Wildnis, lernen möchte ich, mein Wissen verfeinern und gar neues mir aneignen. Und wer, wenn nicht Ihr wäret dazu in der Lage? Mir erscheint es wie Schicksal, die einzige all meiner Möglichkeiten, die ich zu erwählen im Stande bin, Euch, Eskel von Riva, darum zu bitten, fortan mein Meister zu sein.
Hochachtungsvoll, Bartholomäus Pfote
Doch als die Tür geöffnet wird steht dort keine Person, zumindest keine humanoide Gestalt. Im ersten Augenblick übersehe ich, dass überhaupt irgendjemand anwesend ist, doch dann betritt eine Katze, auf den Hinterläufen aufrecht stehen, den Saal. Sie – nein er, schließlich handelt es sich um Bartholomäus – ist in edel wirkende Kleider gehüllt. Der Anblick eines Katers in weiten Hosen und mit einer Kopfbedeckung, welche auf seine großen Ohren zurechtgeschneidert ist, überrascht uns alle. Am meisten wohl Eskel, der sich sicherlich seinen potentiellen Schützling anders vorgestellt hat. Doch er ist nur einen Moment etwas verunsichert. Als sich der Kater wirklich als Bartholomäus Pfote vorstellt – bei dem Namen hätte man schon hellhörig werden können – spielt Eskel die anfängliche Irritation herunter und beginnt ein Gespräch mit dem schlagfertigen Tier. Bartolomäus berichtet von Rezbinnen, seiner Freundschaft zu Lucretia und seinem Wunsch als Lehrling Eskel begleiten zu dürfen. Er scheint sich ebenfalls für die Alchemie zu interessieren und ist, Eskels Einschätzungen zur Folge, wohl nicht unbegabt. Nach etwas Bedenkzeit willigt er ein und bietet dem Kater vorläufig an, ihn auf seiner Suche nach einem Echsenstamm begleiten zu dürfen. Unsere Fragen zu Lucretia kann er aber leider ebenso wenig beantworten. Er scheint sie zu verehren und gibt an ihr bei der Arbeit im Labor geholfen zu haben. Er sei ihr Heilkundiger und Berater gewesen, kann sich jedoch nicht erklären weshalb Lucretia verschwunden ist. Mit dem Feengeist Jahlefitz kam der Kater wohl nie sonderlich gut zurecht. Als Eskel darum bittet sich das Labor Lucretias in Rezbinnen zeigen zu lassen, willigt der Kater sofort ein.
Nachdem Bartholomäus den Saal wieder verlassen hat, scherzen wir belustigt über Eskel und seinen neuen Gefährten. Aber ich bin auch etwas misstrauisch. Denn noch immer ist uns das Handeln Lucretias ein Rätsel. Woher wusste sie von dem Ort und weshalb hat ist sie eine andere Existenzebene aufgesucht? Ich bitte Eskel den Kater im Blick zu behalten, um ausschließen zu können, dass er etwas im Schilde führt. Einen Spitzel Lucretias will ich nicht in der Stadt haben und schon gar nicht in unseren Reihen.
Am darauffolgenden Tag erreicht eine Delegation um Erikk Varn die Stadt. Die Varns haben darum gebeten die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit abzustecken. Erikk ist deutlich jünger und weniger mürrisch als sein Bruder Maeger. Die Varns, welche in den Niemannhöhen bereits eine Festung - die Varnburg - errichtet haben, bekunden kein Interesse daran westlich der nördlichen Ausläufer der Felsentürme von Levenis zu siedeln. Jedoch würden sie gerne die Varnburg durch eine Straße mit Narlgaard verbinden. Sie legen uns eine Karte vor, an welcher wir das Vorhaben, welches uns ebenfalls entgegenkommt, genauer abstecken können. Erikk bietet an, dass sie den beschwerlichen Straßenbau über die Berge hinweg bewerkstelligen würden. Dafür kommen wir ihnen entgegen und übernehmen den Bau der längeren Strecke bis zum Fuße der Berge. Gemeinsam streben wir an die Straßen binnen eines Jahres zusammenzuführen. Sie machen uns darauf aufmerksam, dass in den Bergen einige Orks gesichtet wurden und wir deshalb bei dem Bau der Straße auf Überfälle vorbereitet sein sollten.
Als letztes empfangen wir Lea Ianucci, die Anführerin der Aldori Schwertherren. Wir alle sind gespannt wie diese uns gegenüber auftreten wird. Was weiß sie über uns und unsere Beziehungen zu den Surtowas? Wird sie uns als Verbündete ihrer Feinde ansehen oder wird sie versuchen eine kooperative Nachbarschaft anzustreben? Oder hat sich das Verhältnis der Schwertherren zu den Surtowas nach dem Beschluss des Königs soweit entspannt, sodass vorherige gewaltsame Auseinandersetzungen keinen Grund mehr für Anfeindungen sind? Eine schlanke, elegant gekleidete und selbstbewusste Anführerin betritt die Halle und mustert uns aufmerksam. Wir stellen uns vor und erkundigen uns über die Zustände in Restov und den umliegenden kleineren Ortschaften. Sie versichert uns, dass die Machtübernahe geordnet stattfände, da die Aldori ohnehin über einen großen Rückhalt in der Bevölkerung der Raublande verfügten. Ob ihre Darstellungen zutreffen, können wir nicht beurteilen, aber beliebter als die Surtowas waren sie wohl allemal. Sie versichert uns, dass wir willkommene Gäste in Restov sind und scheint uns gegenüber recht unvoreingenommen zu sein. Auf die Frage nach einer Überstellung der Eberhauer verzichten wir. Wir wollen die Beziehungen nicht aufgrund einer Trophäe gefährden. Obwohl sich die Hauer Schlitzzahns sehr gut über den Toren des Handelspostens machen würden.
Am Vormittag des 10. Rova versammeln sich einige Bürgerinnen und Bürger am Ufer des Hauerwassers. Zunächst wird die imposante Statue Turalyns eingeweiht. Sie zeigt den Paladin in stolzer Pose, sein Schwert Rechtsklinge in den Händen haltend. Magni hat ihn, obgleich er ihm nie begegnet ist, ausgezeichnet getroffen. Zu diesem Zweck hatte ich dem Zwergen einige magische Abbilder unseres ersten Fürsten gezeigt. Zwar war Turalyn unter den Bewohnern aufgrund seines Ablebens noch vor der Gründung Narlgaards nur wenig bekannt, doch sein Spitzname der Totgeborene ist mittlerweile allen Bürgern Riviens ein Begriff. Dieser ist auch auf dem Sockel der Statue zu lesen, auf welchem steht:
Eskel hält eine flammende Rede, in welcher er die Taten des Paladins anpreist und im Anschluss findet ein Schweigemarsch zur Hirschfeste statt. Dort begrüßt Moraven das Volk vom Balkon und weiht die Burg offiziell mit einem Festakt ein. Nach der kurzen, humorvollen Ansprache werden Speisen und Getränke in den Burghof gebracht und weil nun immer mehr Dorfbewohner hoch zur Hirschfeste strömen, werden die Festlichkeiten sowohl vor die Burgmauern, als auch ins Innere der Burg ausgedehnt. Für interessierte Bürger biete ich eine Führung an, in welcher ich detaillierte Beschreibungen aus erster Hand liefere. Als nach dem ersten Rundgang nur noch eine Handvoll verwirrter Personen übriggeblieben sind, welche mir vermutlich nur noch folgen, um sich in den Gängen nicht zu verirren, passe ich meine Ausführungen an die Bedürfnisse des einfachen Volkes an. Von nun an schmücke ich meine Beschreibungen mit fiktiven Kampfhandlungen aus und erkläre so, welche Funktionen die einzelnen Räume und Vorrichtungen erfüllen. Obwohl meine Beschreibungen ganz offensichtlich nicht mehr den Tatsachen entsprechen, werden sie doch deutlich besser aufgenommen als die detaillierten Angaben zur Beschaffenheit der Steine und Stärke des Gemäuers.
Gegen Abend werden die letzten Dorfbewohner freundlich aus der Burg gebeten, da nun die Feierlichkeiten für die geladenen Gäste beginnen. Während die Bürger der Stadt draußen weiterfeiern, empfängt der Rat Riviens im großen Saal Vertreter der Adelsfamilien von Brevoy, darunter Thomas Medwjed und seine Cousine Saskja, Tamara Grubner und Lander Lebeda, den kleinen Bruder der Königin und natürlich Prinzessin Mina Lodowka. Ebenfalls erschienen ist Toval Golka, das Zwergenmündel von Holan Garess und Sohn des Anführers der Golushkin, mitsamt einer ganzen Gefolgschaft von Zwergen. Nur von Haus Orlowski sind keine Vertreter erschienen. Ebenfalls fern geblieben ist Michael Granoff, der Prior der Front der Zivilisation in Silberhalle und Baron Hannis Drelew, welcher auf die Einladung nicht reagiert hat. Aber Erikk Varn ist selbstverständlich anwesend. Fürst Kevan Mannig und Lea Ianucci, welche wir ebenfalls im Vorfeld gesprochen hatten, sind auch für die Feier geblieben. Darüber hinaus sind viele Freunde von uns erschienen, darunter Jomani Surtowa, welcher noch immer einen sehr betrübten Eindruck macht, Grunder Holler, Magera Fiss, Mareen und ihre Söldnertruppe, Oleg, Djod, Joakim, Akiros, Joseph, Bartolomäus Pfote und Loy Rezbin mit einem Teil der Bewohner Rezbinnens.
Während Magni sich mit Toval Golka uns den anderen Zwergen prächtig zu verstehen scheint, unterhalten sich Moraven und Layra mit Herrn Medwjed. Karosh ist froh seinen engen Freund Joakim und Djod nach einiger Zeit wiederzusehen, aber mir entgeht nicht, dass er sich am späten Abend auch mit Tamara Grubner, welche er bei der Hochzeit des Königs zum Tanzen aufforderte, unterhält. Da Jomani weiterhin verdrossen alleine am Tisch sitzt, lade ich ihn ein auf einen Spaziergang durch Narlgaard. Dabei zeichne ich die vergangenen Monate nach, um ihm daraufhin für seine Starthilfe, ohne die all dies nicht möglich gewesen wäre, zu danken. Auch betone ich ein weiteres Mal, dass er sich auf unsere Loyalität ihm gegenüber verlassen könne. Das Treffen mit Lea Ianucci diene lediglich dazu, unsere neuen Nachbarn kennen und einschätzen zu lernen. Doch es bleibt weitestgehend bei einem Monolog meinerseits. Jomani residiert seit seiner Enthebung wieder in der Hauptstadt, scheint dort aber nicht glücklich zu sein. Nach dem Spaziergang sucht er nicht mehr die Feiergesellschaft auf, sondern begibt sich direkt auf sein Zimmer.
Als ich wieder den Saal betrete ist es merklich lauter. Viel Bier und Wein ist in der Zwischenzeit geflossen, wodurch sich alle prächtig amüsieren. Nur der junge Lander kann mit der feuchtfröhlichen Gesellschaft wenig anfangen, und so gebe ich auch ihm eine kleine Führung durch die Hirschfeste. Ihm erzähle ich währenddessen von unseren Abenteuern in den Raublanden. Umgehend lässt sich der aufgeweckte Junge von diesen begeistern und klagt über sein ereignisloses Leben in Silberhalle. Anscheinend wächst er dort sehr behütet auf. Um mir keinen Ärger einzufangen, betone ich die Gefahren von solchen Unternehmungen und stachle ihn nicht weiter auf. Er plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen der Familiengeschichten und so schnappe ich auf, dass Elanna angeblich nicht im Königspalast residiert. Weshalb kann ich leider nicht herausfinden.
Es ist bereits spät in der Nacht und einige Gäste amüsieren sich noch immer. Darunter natürlich auch Magni mit seinen bereits stark angetrunkenen Zwergenfreunden. Zumindest im Burghof ist mittlerweile Ruhe eingekehrt, wobei einige der Dorfbewohner nicht mehr in ihre Betten gefunden haben. Gemeinsam mit Mina verlasse ich die große Halle und führe sie auf einen Turm der Burg. Von dort aus haben wir eine prächtige Aussicht über die nächtlichen, im Mondschein liegenden Hügel. Die Nacht ist klar und eine kühle Brise weht vom Hauerwassersee über die Stadt. Wir blicken in den Sternenhimmel und genießen den Moment der Stille. Irgendwann frage ich sie leise: „Bist du schon einmal geflogen?“ Als sie dies verneint, hole ich eine Feder hervor, nehme sie an der Hand wirke den entsprechenden Zauber. Vorsichtig heben wir ab und schweben lautlos durch die Nacht hinunter zum See.
Ich habe Mina gerade in ihre Gemächer gebracht und bin auf dem Weg in mein Zimmer, als ich gedämpfte Stimmen in den dunklen Gängen höre. Dann sehe ich Moraven, vertieft in ein Gespräch mit einer Person, welche mir den Rücken zukehrt. Als Moraven mich bemerkt, winkt er mich heran. Als sein Gesprächspartner sich zu mir umdreht, brauche eine Sekunde, bis ich begreife, dass der König des Drachenschuppenthrons, Noleski Surtowa, vor mir steht. Irritiert suche ich nach der angemessenen Anrede, da ergreift Moraven die Initiative, stellt mich vor und sagt zu meiner Verblüffung: „Welch ein Zufall, der König wollte dich gerade sprechen. Es geht um das Geschenk, welches du Seiner Majestät zur Hochzeit zukommen ließest.“, „Die Kristallkugel?“ frage ich verblüfft. „Richtig, es geht um die Kristallkugel. Ein wirklich interessantes Geschenk, vielen Dank. Ich würde gerne wissen, wo Ihr sie gefunden habt. Ihr habt sie doch gefunden, nicht wahr?“ In den Worten des Königs manifestiert sich seine Erhabenheit. Sie strahlen vollkommene Ruhe und freundliche Bestimmtheit zugleich aus. Seine Bewegungen sind flüssig und elegant wie die eines Tänzers, sein Gang völlig lautlos, als würde er schweben. Eine beängstigend charismatische Person.
Bevor ich das Gespräch fortsetze, bitte ich den König mir auf mein Zimmer zu folgen. Dort greife ich das Thema wieder auf und frage, weshalb sich der König für die Kugel interessieren würde. Er gibt an, dass es ihm weniger um die Kugel an sich geht. Diese enthielt Erinnerungen. Erinnerungen einer Elfe namens Tessarael. Doch nicht deren Inhalt sei von Interesse, sondern der Ort, wo wir diese gefunden haben. Ich bin erstaunt über das Wissen Noleskis. Tatsächlich nannte sich die Stimme, welche auf telepathische Weise zu uns sprach Tessarael. Und auch fanden wir in dem Gewölbe die Statue einer Elfe, welche diesen Schriftzug trug. Ich will mehr über sie erfahren, doch der König weicht meinen Fragen durch vage, nichtssagende Antworten aus, in welchen er andeutet ebenso ahnungslos zu sein wie wir. Dies bezweifle ich. Denn wie kann man auf den Erschaffer eines Objektes schließen, ohne weitreichende Kenntnisse über diesen zu verfügen? Da er mir aber offensichtlich meine Fragen nicht beantworten will, stelle ich meine Nachfragen ein und zeige ihm schließlich auf der Karte den Ort der Hobgoblinfestung. Kurz fasse ich die Ereignisse zusammen und schließe mit der Bitte, uns von seinen Erkenntnissen bezüglich Tessarael und den Vorgängen in dem absonderlichen Gewölbe zu unterrichten. Ich füge hinzu, dass wir sehr dankbar über jede Information von Lucretia und den Umständen ihres Verschwindens wären. Der König bedankt sich für die Hilfe und merkt an, dass er sich, auf der Suche nach mysteriösen Orten und Artefakten, über jegliche Hinweise freuen würde. Dann verschwindet er mithilfe eines Teleportationszaubers von einem Moment auf den nächsten.
Wenige Augenblicke später klopfe ich an die Zimmertür des Fürsten. „Du stehst mit dem König in Kontakt? Wie und … seit wann?“ Moraven erzählt unaufgeregt, auf seinem Bett sitzend, dass er vom König persönlich den Auftrag erhalten habe uns aufzusuchen und bei der von Jomani erteilten Aufgabe zu unterstützen. Dabei solle er, wenn er auf interessante, geheimnisvolle Entdeckungen stoße, umgehend mit Noleski Kontakt aufnehmen. Das habe er getan. Ich bin beeindruckt. An was genau ist der König interessiert? Moravens Einschätzungen zufolge ist er auf der Suche nach etwas Bestimmten. Doch da Noleski Surtowa nicht durch präzise und detaillierte Ausführungen zu meinen Fragen aufgefallen ist, wird dies wohl vorerst im Geheimen bleiben. Verblüfft über die heutigen Ereignisse wünsche ich Moraven einen angenehmen Schlaf und ziehe mich zurück. Was ein einfaches Hochzeitsgeschenk alles bewirken kann …
3. Das Treffen des Zwergenclans
Am nächsten Tag, die Aufräumarbeiten sind bereits erledigt, ruft uns Magni zusammen. Er teilt uns mit vor einigen Tagen einen Brief von seinem Familienclan erhalten zu haben. Diese wollen sich bei der Klosterruine mit ihm treffen. Er solle in einer Woche dort eintreffen. Ein Grund für das Treffen wird jedoch nicht genannt. Merkwürdigerweise wird in dem Schreiben darum gebeten, niemanden von dem Treffen zu unterrichten, er solle alleine erscheinen. Nach längeren Überlegungen hat sich der Zwerg jedoch entschlossen uns den Brief zu zeigen. Wir bieten an, ihn zu begleiten, wenn er der Aufforderung nachkommen wolle. Magni nimmt unser Angebot dankend entgegen und so machen wir uns einige Tage später auf den Weg zur Klosterruine.
Wir erreichen die das alte Gemäuer einen Tag vor dem geplanten Treffen und schlagen unser Lager in einiger Entfernung auf. Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg. Magni entscheidet sich ein Stück vorauszugehen, während wir uns im Schatten der verfallenen Mauern bedeckt halten. Wir werden zur Sicherheit in der Nähe bleiben, da uns die geforderte Geheimhaltung des Treffens misstrauisch gemacht hat.
So beobachten wir, wie unseren Zwergenfreund den Innenhof der Klosterruine betritt. Dort erwartet ihn ein Bild des Grauens. Etwa ein Dutzend Zwerge, allesamt Familienangehörige seines Clans, liegen leblos am Boden. Ihre Leichen wurden sternförmig um den Brunnen herum angeordnet. Magni ist so geschockt, dass er vergisst uns ein Signal zu geben, wodurch wir von alledem nichts mitbekommen. Vom Anblick seiner ermordeten Familie völlig überrumpelt macht Magni einige unsichere Schritte auf die Leichen zu. Doch bevor er diese erreicht, klettert eine kleine Kreatur geschwind aus dem Inneren des Brunnens. Es handelt sich um ein Charda. Der Körper des Monsters ist von einer violetten Panzerung geschützt und an jedem ihrer sechs Fänge befinden sich lange, gebogene Klauen. Auf die Hinterläufe gestützt springt es auf Magni zu. Die Geräusche im Innenhof haben uns derweil misstrauisch gemacht, weshalb Eskel einen vorsichtigen Blick in den Innenhof wirft. In diesem Moment beobachtet er, wie ein zweites Wesen aus dem Brunnen klettert und sich ebenfalls auf Magni stürzt.
Gemeinsam eilen wir unserem Freund zu Hilfe, doch noch bevor wir ihn erreichen, öffnet eine der Kreaturen seinen Schlund und versprüht mit seinem eisigen Atem eine Kältewolke. Die Temperatur um uns herum scheint schlagartig zu sinken, unsere Glieder schmerzen und unsere Muskeln verkrampfen sich. Ich wirke einen Hast-Zauber und verschanze mich hinter einer Steinmauer, um einem weiteren derartigen Angriff aus dem Weg zu gehen. Ava versucht den Bestien mit einer Flammenkugel zuzusetzen und die beiden Nahkämpfer müssen feststellen, dass die Panzer der Kreaturen ihren Hieben ausgesprochen gut widerstehen können. Als auch der verbleibende Charda seinen Mund öffnet und eine weitere Wolke aus Kälte meine Gefährten erfasst, wird die kleine Halblingsdame auf der Stelle schockgefroren. Magni trotzt zwar dem Zauber, doch als sich die beiden Kreaturen mit ihren riesigen Klauen über den Zwerg hermachen, geht auch dieser schwerverletzt zu Boden. Eskel kann die Panzerung von einem der Angreifer durch einen heftigen Schwertstreich knacken und das Monster daraufhin zur Strecke bringen. Währenddessen eile ich zu Ava und flöße ihr einen Heiltrank ein. Am ganzen Leib zitternd kommt sie wieder zu sich, doch im ersten Moment fällt es ihr schwer sich auf ihren kurzen Beinen zu halten. In diesen Augenblicken müssen wir mitansehen, wie Eskel von dem verbleibenden Monster angegriffen wird. Der Charda beißt ihm in seinen Schwertarm und versenkt die Klauen tief im Fleisch unseres Freundes. Bewusstlos klappt auch dieser zusammen. Hektisch erzeuge ich eine Grube, aber der Charda springt geschickt zur Seite. Doch er hat seine Rechnung ohne Ava gemacht. Die Halblingsdame erzeugt in diesem Moment einen Windstoß, welcher die Bestie erfasst und in die Tiefe stürzen lässt.
Die Gefahr scheint vorerst gebannt. Ava kümmert sich um die beiden Verletzten und kann diese glücklicherweise mit Hilfe ihres Heilerstabs genesen lassen. Unterdessen wirke ich einen Fliegen-Zauber und schwinge mich in die Luft, um den Charda aus der Höhe anzugreifen und zu verhindern, dass dieser aus der Grube klettern kann. Als ich über ihn hinwegschwebe erkenne ich, dass die Kreatur wohl nicht in der Lage ist aus der Falle zu entkommen. Doch als mich der Charda entdeckt, fixiert er mich plötzlich mit seinen grünen Augen und aus dem Mund schießt ein Kältestrahl. Seine Wirkung verpufft nur einen Meter unter mir und so entgehe ich mit viel Glück einem Treffer, welcher mich in die Tiefe hätte stürzen lassen. Mit einem Strahl von einer solchen Reichweite habe ich nicht gerechnet. Von nun an sind wir vorsichtiger und mit vereinten Kräften gelingt es uns dem Charda am Boden der Grube den Garaus zu machen.
Als Magni wieder etwas aufgepäppelt ist und sich von dem größten Schock erholt hat, begutachtet er seine toten Verwandten. Sie wurden auf magische Weise konserviert, weshalb wir davon ausgehen, dass sie nicht erst kürzlich gestorben sind. Doch wie lange sie hier schon liegen, lässt sich nicht feststellen. Merkwürdigerweise können wir keine Spuren von äußeren Einwirkungen erkennen, welche das Ableben der Zwerge erklären könnten. Jedoch scheinen sie ausgeraubt worden zu sein, denn sie tragen weder Waffen und Rüstungen, noch andere Gegenstände bei sich. Wir durchsuchen das alte Kloster und stoßen im Keller auf in die Felswände gehauene Runen. Zuletzt waren diese unter einer dicken Eisschicht verborgen. Doch seit der Fluch gebrochen ist, konnte alles Eis schmilzen, wodurch sich hier unten auch ein großer See gebildet hat. Die Symbole können wir jedoch leider nicht auf Anhieb entschlüsseln und auch der Zauber Sprachen verstehen fördert keine Erkenntnisse zu Tage. Es handelt sich somit nicht um Schriftzeichen. Magni jedoch meint erkennen zu können, dass diese Symbole denen der Duergar, einer bösen Zwergenrasse, ähnlich seien. Auch in den oberirdischen Gemäuern der Ruine finden wir keine weiteren Hinweise auf die Geschehnisse. Den Kobold, welchen wir damals hier zurückgelassen haben, können wir ebenfalls nicht auffinden, aber neben den zwei Charda haben sich hier keine weiteren Kreaturen eingenistet. So bestatten wir die Zwerge und begeben uns auf den Rückweg, ohne die Umstände ihres Todes auch nur ansatzweise aufgeklärt zu haben.
Achzehnte Sitzung am Sonntag, den 21. Mai 2017 in Frankfurt im Garten.
Mit Tobi, Dominik, Lena, Lucas und mir.
Zuletzt von Jakob am Sa Apr 13, 2019 12:31 pm bearbeitet; insgesamt 7-mal bearbeitet