Ein Reisebericht von Faquarl
1. Gefangen im Chaos
Mit jedem Schritt sinken wir bis zu den Waden tief in die blau-durchsichtige Substanz zu unseren Füßen. Die Luft, welche uns umgibt, ist klar, geruchslos, weder kalt noch warm, aber merkwürdig präsent, greifbar, fast flüssig. Wie leichtes, weiches, waberndes Wasser, welches uns umströmt und am Boden zu einer federnden Masse komprimiert wird. Die Fortbewegung fällt schwer, jedoch ist es möglich sich von eben dieser, alles umgebenden Substanz ein wenig abzustoßen. Dabei verursacht der Kontakt mit unserer Umwelt keinerlei Geräusche und unsere Stimmen werden durch sie gedämpft. Zu sehen gibt es nicht viel. Keine Berge, keine Flüsse, keine Bäume, keine Lebewesen und am Horizont nur undefinierbare blaue-grüne Muster ohne klare Konturen, welche sich ständig zu verändern scheinen. Wir haben das Gefühl in die Unendlichkeit, in ein Meer aus Nichts zu blicken.
Ich versuche die Situation zu erschließen. Wir sind auf einer anderen Existenzebene, aber auf welcher? Was gilt es nun zu tun? Und birgt diese Umgebung, welche sich so fundamental von der uns bekannten unterscheidet, Gefahren? Vermutlich. Zunächst kläre ich die anderen über meine Erkenntnis auf. Diese haben zwar schon von anderen Ebenen gehört, können jedoch erdenklich wenig mit der Information anfangen. Ich kann mich nicht erinnern meinen verängstigten Gefährten jemals Mut zugesprochen zu haben. Doch anscheinend wirkt all dies deutlich verstörender auf sie. Indem ich das Buch über die Innere und Äußere Sphäre, welches ich vermutlich nicht ganz zufällig in der Hobgoblinfestung gefunden habe, hervorhole, gelingt es mir die drei zu beruhigen. In diesem Lexikon der Existenzebenen, so erkläre ich, seien sicherlich alle Informationen zu finden, welche uns in unserer absonderlichen Lage weiterhelfen könnten. Eskel und Magni sammeln den bewusstlosen Karosh ein, welcher weich gebettet in der blauen Masse umhertreibt. Zur Sicherheit binden sie zwei Seile um seine Hüften und schlingen diese um sich, damit der Halb-Ork nicht in dem Meer aus Nichts verloren geht.
Nachdem wir uns alle etwas gesammelt haben, tritt eine beklemmende Stille ein. Alle Erwartungen, das spüre ich, sind nun auf mich gerichtet. Ich versuche dies zu ignorieren und vertiefe mich in das Buch. Zwar kann ich schnell zweifelsfrei bestimmen auf welcher Ebene wir uns befinden, doch diese Information wird den anderen vermutlich nicht sonderlich gefallen. Und zugegeben: Ich hätte mir auch etwas Besseres vorstellen können als in der Äußeren Sphäre, in den unendlichen Weiten des Mahlstroms zu landen. Zumal ich dem Band nicht entnehmen kann, wie es uns gelingen kann von hier auf die Materielle Ebene zurückzukehren.
Wie erwartet beginnen Magni, Eskel und Ava bald mir alle erdenklichen Fragen zu stellen. Ich weise sie gereizt ab, versuche zunächst noch einen nützlichen Hinweis zu finden. Doch es gelingt mit nicht meine Unzufriedenheit zu verbergen und so erfolgen die Nachfragen immer kürzeren Abständen, bis ich ihnen wütend offenbare, was ich herausgefunden habe. „Das ewige Chaos?“, fragt Magni entsetzt. „Und auf was müssen wir uns hier gefasst machen, was lauert hier draußen?“, will Eskel wissen. Ich berichte von schlangenähnlichen Wesen, welche Proteaner genannt werden, und von Chaosbestien, welche sich hier angeblich vermehrt herumtreiben. Dies versetzt alle in Aufruhr, nur Karosh bleibt ruhig und wabert komatös im blauen Nichts umher. Auch ich bin etwas verzweifelt, hatte ich doch große Erwartungen in dieses Buch gesetzt. Ich studiere eindringlich die Karte, jedoch ist es völlig unmöglich mich hier zu orientieren. Immer wenn ich meine etwas in den grenzenlosen blau-grünlichen Weiten entdeckt zu haben und dies mit der skizzenhaften Karte im Buch abzugleichen versuche, erblicke ich beim Aufschauen andere verwaschene Konturen am Horizont.
So vergeht einige Zeit. Um auch wirklich ganz sicher zu gehen, studiere ich das Buch von vorne bis hinten und wieder zurück. Wie kommen wir weg von hier? Zwar lese ich von Portalen, magischen Artefakten und mächtigen Zaubern, welche einen Ebenenwechsel ermöglichen, jedoch steht nichts davon uns zur Verfügung und mir erschließt sich auch kein Weg um etwas Derartiges aufzutreiben oder zu erschaffen. Jede weitere hoffnungsvolle Frage meiner Freunde muss ich verneinen, bis sie so enttäuscht, verängstigt und zornig sind, dass ich beginne auf diese nicht mehr einzugehen. Als ich den sarkastischen Vorschlag unterbreite Nethys‘ Reich in den Tiefen des Mahlstroms aufzusuchen, schlägt mir offene Feindseligkeit entgegen und ich hülle mich von nun an in Schweigen.
Als wir das erste Mal von einem herumirrenden Proteaner attackiert werden, können wir diesen problemlos in die Flucht schlagen. Wie viel Zeit bereits vergangen ist lässt sich kaum sagen, denn Tag und Nacht scheint es nicht zu geben. Ich schätze, dass es bereits einige Tage sind, liege vermutlich jedoch völlig falsch. Und wer weiß, vielleicht folgt die Zeit hier auch anderen Spielregeln. Doch die Hoffnung auf Rückkehr habe ich nicht aufgegeben. Das macht sich an den quälenden Gedanken an ein verpasstes Treffen mit Mina Lodowka deutlich. Was würde ich dafür geben jetzt bei ihr in Neu Stetven zu sein, anstatt an einem solch trostlosen Ort.
Doch ewig können wir nicht in Selbstmitleid versinken, weshalb ich vorschlage ohne konkreten Plan in eine Richtung aufzubrechen. Zunächst stoße ich auf Widerwillen, kann meine Freunde aber motivieren, indem ich die Möglichkeit hervorhebe auf ein permanentes Portal zu stoßen oder anderen Kreaturen zu begegnen, welche uns in unserer misslichen Lage helfen können. Ich bin zwar selbst davon überzeugt, dass dies nicht geschehen wird, jedoch hebt es die Stimmung und wir unternehmen wenigstens etwas. Mein eigentliches Vorhaben ist es jedoch, mich in diesem riesigen Ozean des Nichts durch einen Ortswechsel ein wenig zu orientieren. Deshalb versuche ich darauf zu achten auf einer Linie immer geradeaus zu laufen, was mir aufgrund fehlender Orientierungspunkte vermutlich nicht gelingt. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit gelaufen sind, wobei unsere Fortbewegung mehr an ein von Schwimmbewegungen begleitetes Wettrennen im Schleichtempo erinnert, bemerke ich ganz allmählich Veränderungen. Die Substanz um uns herum wird fester und die Grüntöne werden schwächer, während die blauen Farben kaum merklich zunehmen. Ich weise meine Freunde auf meine Entdeckung hin, doch sie bestreiten, dass meine Beobachtungen zutreffend sind.
Wir setzen unsere beschwerliche Reise fort, bis Karosh sich zu regen beginnt. Ganz allmählich kommt er zu sich, wobei er vermutlich über Stunden hinweg nicht ganz wach ist, aber auch nicht schläft. Einige Male wechseln wir mit ihm ein paar Worte und als er das nächste Mal seine Augen aufschlägt beteuert er, dass genau dies ein Traum gewesen sei. Aufgrund der absonderlichen Umgebung ist das wahrscheinlich auch eine angemessene Interpretation. Es dauert ein wenig, bis meine drei Freunde ihn davon überzeugen können, dass alles um ihn real ist. Im Gegensatz zu uns, nimmt er die Situation aber deutlich gelassener hin. Angst scheint ihm die ungewohnte Situation jedenfalls nicht zu bereiten.
Indem ich erkläre, dass wir uns meinen Beobachtungen zur Folge immer weiter in den Mahlstrom hineinbewegen und deshalb umkehren sollten, um zu den Grenzlanden, einem Übergangsbereich zu anderen Ebenen, zu gelangen, gelingt es mir die Gruppe zur Umkehr zu bewegen. Und so irren wir eine Ewigkeit, vermutlich viele Tage, meine Gefährten gehen mittlerweile schon von einigen Wochen aus, durch wabernde Massen. Den Angriff einer Chaosbestie können wir mit vereinten Kräften abwehren und auch gegen eine Handvoll Proteaner müssen wir uns verteidigen. Viel Zeit vergeht und einige Male korrigieren wir unseren Kurs, doch allmählich verändert sich die Umgebung und erscheint uns weniger bizarr. Doch nichts deutet auf einen Ausweg hin. Völlig unerwartet werden wir irgendwann, inmitten dieser unbestimmten Ewigkeit, von einem Augenblick auf den nächsten, wie durch ein Wunder gerettet. Vor uns – oder war es gar über oder unter uns? – erscheint ein Spalt, welcher sich in rasch ausbreitet und zu einem ovalen, uns umhüllenden schwarzen Nichts formt und verschluckt. In rasender Geschwindigkeit werden wir durch den Strudel der Existenzebenen gezogen. Lichter und Farben vergehen schneller als sie erschienen sind und für den Bruchteil einer Sekunde meine ich den Blick auf eine Frau vor einem von vielen Sternen erleuchteten Himmel zu erhaschen, doch als ich mich umschaue, ist das Portal bereits verschwunden. All dies geht so schnell, dass wir noch in den schwimmartigen Bewegungen verharren, während wir schon den ersten Schritt auf den Boden des Gewölbes setzen. Wir befinden uns wieder in dem Raum, von wo aus wir diese ungeplante Reise in den Mahlstrom begonnen haben.
2. Eine unerwartete Entscheidung
Aufgrund unser insgesamt 17-tägigen Gefangenschaft in den Äußeren Sphären, ist meine Zeitplanung etwas aus den Fugen geraten. Hatte ich Mina Lodowka doch zugesagt mich mit ihr in Neu Stetven zu treffen, um der Hochzeit von Noleski Surtowa und Elanna Lebeda beizuwohnen. Jedoch bleiben mir nur noch zehn Tage bis zur Hochzeit, weshalb ich mit Karosh vorauseile, in Narlgaard die Pferde sattle und gemeinsam mit dem Halb-Ork und Layra, in Richtung der Hauptstadt reite. Glücklicherweise verläuft die Reise ohne Zwischenfälle, wodurch wir diese drei Tage vor der Vermählung erreichen. Wir beziehen dasselbe luxuriöse Etablissement, welches auch die Lodowkas bewohnen und entsprechend teuer zu Buche schlägt.
Beim gemeinsamen Abendessen lerne ich Minas Vater, Fürst Kozek Lodowka, kennen. Meine Bedenken, er könnte misstrauisch mir gegenüber sein, schließlich stamme ich nicht aus einer altehrwürdigen Adelsfamilie, werden umgehend zerstreut. Durch seine humorvolle Art weicht meine Anspannung schnell einem großen Interesse für seine Seefahrergeschichten. Begeistert erzählt er von der Heimat der Lodowkas und dem Leben auf dem Meer. Meine Nachfragen beantwortet er detailliert, wodurch aus einem Essen eine abendfüllende Unterhaltung wird. Einige Male nehme ich seine maßlosen Übertreibungen und ironischen Bemerkungen wortwörtlich und sorge so unabsichtlich für Heiterkeit.
Es ist bereits spät, als die Runde sich auflöst und ich mit Mina Lodowka einen nächtlichen Spaziergang durch Neu Stetven mache. Auch nach Einbruch der Dunkelheit ist die Hauptstadt geschäftiger als Restov bei Tag. Mina kennt sich anscheinend schon ein wenig aus und führt mich durch die verwinkelten Gassen, bis wir das Ufer des Reykalsees erreichen. Zielsicher steuert sie zwischen den Anlegestellen auf einen großen Steg zu. Mit den beiden Wächtern der Lodowkas, welche uns bisher in einiger Entfernung begleitet haben, wechselt sie selbstbewusst einige wenige Worte, woraufhin diese uns etwas Zweisamkeit gewähren. Am Ende Stegs setzen wir uns auf die Holzplanken und blicken auf kleine Fischerboote und große Handelsschiffe, welche im Wind hin und her wiegen. Lange verweilen wir dort, bis wir von der kalten Brise durchgefroren sind und uns auf den Rückweg begeben.
In den nächsten Tagen verbringe ich viel Zeit mit Mina. Gemeinsam erkunden wir die Stadt, stöbern in kleinen Lädchen und lassen uns von Straßenkünstlern unterhalten. Ich genieße die Gesellschaft der jungen Dame, ihr heiteres Gemüt und die ungezwungenen Gespräche, bei denen sie mich – wie auch schon bei unserer ersten Begegnung – regelmäßig in die Irre führt. Die Tage vergehen wie im Flug und ihre Erzählungen wecken große Vorfreude auf unsere Reise auf die Akubeninsel.
Noch vor der Hochzeit suche ich mit Layra und Karosh die riesige Bibliothek der Hauptstadt auf. In der Hoffnung, dass die Gelehrten der Stadt das Geheimnis des Folianten lüften können, wurde er im Auftrag Jomani Surtowas hierher geschickt. Doch angeblich erreichte er nie sein Ziel. Anfangs versuche ich dem wortkargen Mann gut zuzureden, doch wir werden abgewiesen. Ich bin verärgert, überlege kurz mit Hilfe von Karosh forscher aufzutreten, denn ich traue den Aussagen des unsympathischen Herren nicht. Doch dann besinne ich mich eines Besseren. Was kann ich schon erreichen ohne jegliche Anhaltspunkte, wo nach dem alten Buch zu suchen sei? Also kehre ich enttäuscht zurück. Dort bereite ich mich auf die Festlichkeiten vor, indem ich mir von einem begnadeten Tänzer in die gängigsten Schritte zeigen lasse. Doch seinem Lob für meine Fortschritte traue ich nicht, denn was ich zustande bringe, hat nicht im Entferntesten etwas mit seinen Bewegungen gemein. Jedoch ich bin nicht allzu verzagt, da ich schätze, dass Mina mir mein Unvermögen nicht krummnehmen wird.
An einem Eidtag, dem 30. Sarenith, findet die Hochzeit statt. Ich bin freudig gespannt und sogar etwas verlegen bei der Wahl meiner Gewänder. Ich entscheide mich für meine schicke und etwas exzentrische rote Robe und warte auf Mina, meine Begleitung an diesem heutigen Festtag. Als sie die Halle betritt, bin ich verblüfft von ihrer kleinen Verwandlung, so anmutig ist ihre Erscheinung. Die Stimmung ist ausgelassen, als wir uns auf den Weg zur wichtigsten Zeremonie im ganzen Lande machen. In den vergangen Tagen habe ich bereits einen ersten Eindruck von der prächtigen Stadt gewinnen können, doch was uns nun erwartet, übersteigt meine Vorstellungskraft. Die pompöse Rubinburg ist von unzähligen Zaubern geschützt, deren Macht ich lediglich erahnen kann. Edle Gäste aus allen umliegenden Regionen treffen hier aufeinander und ich mittendrin – in Begleitung von einer ausgesprochen hübschen und charmanten Prinzessin.
Ich sehe einige bekannte Gesichter, darunter Saronna Lebeda, die Mutter der Braut, und auch Lander, den kleinen Bruder von Elanna. Fürst Gurev Medwjed und seine Tochter Saskja sind ebenfalls anwesend, sowie Graf Paul Orlowski und sein Sohn Jasper Orlowski. Wie schon bei unserer ersten Begegnung wirkt er gelangweilt und abwesend. Aus Minas Kommentaren schließe ich, dass auch ihre Familie nicht gut auf die Orlowskis zu sprechen sind. Ebenfalls anwesend ist Fürst Kevan Mannig, der Besitzer von Olegs Handelsposten. Ich bitte Layra darum, ihn zur Einweihung der Hirschfeste einzuladen. Vielleicht gelingt es uns ihm den Handelsposten abzukaufen. Des Weiteren erkenne ich Baron Hannes Drelew, Maeger Varn, Fürst Holan Garess und Toval Golkar, sein Zwergenmündel, Erbe und Anführer von Magnis Clan.
Die Zeremonie ist formell und unterschiedet sich wenig von den mir bekannten. Doch gegen Ende geschieht etwas Unvorhergesehenes, was ebenso schnell wieder vorbei ist. Ich höre nur den zornigen Ruf einer Männerstimme und als ich mich umdrehe, sehe ich einen Mann auf das Brautpaar zustürmen. Mit einer lässigen und unscheinbaren Geste, lässt der König einen Strahl auf den Störenfried niederfahren, wodurch dieser sofort zu Boden geht. Die Gäste haben den Vorfall noch gar nicht realisiert, da wird die Zeremonie bereits fortgesetzt, als wäre nichts geschehen.
Im Anschluss überreiche ich Vertretern der Familie Surtowa und Lebeda meine Hochzeitsgeschenke. Für König Noleski habe ich etwas sehr Außergewöhnliches mitgebracht, eine der Kristallkugeln aus dem Gewölbe. Ihr Wert dürfte nicht ansatzweise an den der anderen Gäste heranreichen, jedoch bin ich der Meinung, dass dieses Geschenk ausgesprochen interessant ist. Mit einer kurzen schriftlichen Instruktion zum Gebrauch dieser, überreiche ich sie und hoffe dadurch keinen Spott zu ernten. Doch der Herr, welcher die zahlreichen Gaben entgegennimmt, inspiziert diese gar nicht und so werde ich voraussichtlich nie erfahren, ob der König sich überhaupt mit meinem Geschenk beschäftigt hat. Für Elanna Lebeda habe ich ebenfalls etwas Besonderes. Da wir Tamara Grubner, die Haushaltshilfe und engste Vertraute der neuen Königin, persönlich kennen, überreiche ich ihr die hölzerne Schatulle. In ihr befindet sich ein Kurzschwert der Lebedas, welches wir vor einiger Zeit in einem verlassenen Kloster im Grüngürtel gefunden haben. Nun kehrt es in den Familienbesitz zurück.
Die Hauptpersonen dieses Tages, Noleski und Elanna, verlassen die Veranstaltung merkwürdigerweise bereits kurz nach der Zeremonie und wohnen den Festlichkeiten im Anschluss nicht bei. Noleski, welcher gar etwas gelangweilt wirkt, hält jedoch noch eine kurze Ansprache, welche im gesamten Publikum für große Überraschung sorgt. Nachdem der König ein paar Floskeln gesprochen und seinen Dank ausgesprochen hat, kündigt er eine Entscheidung an. Nach Jahren des blutigen Konflikts unterstellt er die Stadt Restov der Verwaltung durch die Aldori Schwertherren. Ungläubig stehe ich in der Menge und versuche die Worte Noleskis zu verarbeiten. Dabei geht es nicht nur mir so, die gesamte Menge ist totenstill und sichtlich irritiert. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und finde den Mann, welchen ich suche. Jomani Surtowa, der bis vor wenigen Sekunden noch Bürgermeister Restovs war, steht kreidebleich etwas abseits und lässt sich mit zittrigen Beinen in einen Stuhl fallen. Ich warte einige Minuten, dann suche ich ihn auf und spreche ihm mein Beileid aus. Zudem betone ich, dass meine Freundschaft zu ihm nicht an irgendein Amt geknüpft ist. Falls er irgendetwas bräuchte, so solle er sich bitte an mich oder irgendeinen anderen Riva wenden. Da ich ihn nicht länger belästigen will und nicht das Gefühl habe, als sehne er sich momentan nach Gesellschaft, lasse ich ihn mit seinem Schreck alleine. Im Verlaufe des Abend schnappe ich ab und zu einige Gesprächsfetzen auf, aus welchen hervorgeht, dass die Lebedas wohl mit den Schwertherren sympathisieren, was die Entscheidung des Königs eventuell erklären könnte.
Der Abend wird trotz der verstörenden Nachricht ein denkwürdiger. Aufgrund einiger Tanzlehrstunden in den vergangenen Tagen, traue ich es mir zu Mina zum Tanz aufzufordern. Wie bereits vermutet erweise ich mich nicht als begnadeter Tänzer, aber ich bemerke doch, dass sich noch einige wesentlich untalentiertere Herren auf dieser Veranstaltung tummeln. Mina und ich haben viel Spaß und aus einem Tanz werden mehrere, bis ich das zählen aufgebe. Auch Karosh ist sich nicht zu schade die Damen aufzufordern. Ohne lange zu überlegen spricht er Tamara an. Diese ist im ersten Moment etwas überrumpelt, doch bereits nach wenigen Takten freudig überrascht. Die tänzerischen Fähigkeiten des Barbaren halten sich zwar in Grenzen, aber durch spektakuläre Flug- und Wurffiguren sorgt er für großes Aufsehen. Auch Layra mischt sich unter die hohen Gäste und nutzt die Gelegenheit um Kontakte zu knüpfen und Sympathien zu erwerben. Mit viel Musik, Wein und gutem Essen vergeht der Abend im Fluge und am nächsten Morgen, eigentlich ist es bereits später Nachmittag, verabschiede ich mich von meinen zwei Freunden. Sie werden in den Grüngürtel zurückkehren. Ich jedoch werde meine Reise in den Norden fortsetzen und einer Einladung von Prinzessin Mina in ihre Heimat, die Akubeninsel, nachkommen.
Die Reise in die nördlichsten Gefilde Brevoys führt uns entlang des Reykalsees über Silberhalle. Auf dem Weg bekommen wir atemberaubende Aussichten auf imposante Gipfel geboten. Als ich das das Meer erblicke bin ich zunächst überwältigt, doch als ich realisiere nun mit einem Schiff zu der Insel übersetzen zu müssen, wird mir etwas mulmig zumute. Mina scheint das zu merken und muntert mich auf, indem sie mir zeigt, dass die Akubeninsel bereits am Horizont zu sehen ist. Die Überfahrt wird glücklicherweise nicht zum Desaster, im Gegenteil. Nachdem ich mich etwas an das Schaukeln gewöhnt habe, kann ich die Fahrt sogar etwas genießen. Ich erfreue mich sehr an dem Aufenthalt in Winterklippe, der größten Stadt auf der Akubeninsel und Sitz der Familie Lodowka. Mina stellt mir ihre gesamte Familie vor, wir gehen gemeinsam am Strand spazieren und fahren aufs Meer um zu fischen. Als ich nach fast einer Woche bereits wieder aufbrechen muss, bitte ich Mina mich ebenfalls in Narlgaard besuchen zu kommen. Ich lade sie und ihre Familie zur Einweihung der Hirschfeste in zwei Monaten ein und sie versichert mir den langen Weg auf sich zu nehmen.
3. Warnungen und Visionen
Als ich nach Narlgaard zurückkehre holen mich vom ersten Tag an meine Verpflichtungen wieder ein. Aufgrund meiner langen Abwesenheit gibt es viel zu erledigen. Mareen, Gustav und Kesten, welche während ihrer Rettungsmission aufgrund eines magischen Effekts, ausgelöst von Lucretia, geschwächt wurden, sind noch immer nicht bei Kräften. Ihre Erzählungen geben uns einige Rätsel auf. Lucretia scheint gewusst zu haben, was sie unter der alten Burgruine erwartet, denn sie hätte den Raum mit den merkwürdigen Apparaturen zielstrebig aufgesucht. Auch wusste sie, wie diese zu bedienen sei. So konnte sie Mareen, Gustav und Kesten gezielt in die Irre geführt, als sie diese aufforderte das eiserne Rad an den Hebeln zu berühren. Dann muss sie einen mächtigen Zauber ausgelöst haben, welcher durch die Lebenskraft unserer drei Retter gespeißt wurde. Dieser führte zum einen dazu, dass wir durch ein Portal aus dem "Ewigen Chaos" zurückkehren konnten. Zum anderen tat sich ein weiteres Portal auf, durch welches Lucretia gemeinsam mit dem Feengeist Jahlefitz entschwand. Ich versuche mich an die verstörenden Eindrücke zu erinnern, welche auf uns einprasselten, als wir jäh vom Mahlstrom zurück auf die Materielle Ebene gerissen wurden. Vermutlich handelte es sich bei der Frau, welche ich kurz erblickte, um Lucretia. Doch welchen Ort hat sie aufgesucht? Der Sternenhimmel, welcher sie umgab war von vielen, unterschiedlich großen Lichtern in verschiedenen Farben erhellt. Einen solchen Sternenhimmel habe ich noch nie zuvor gesehen. Daraus schließe ich, dass sie weder in den Mahlstrom, noch an einen anderen Ort der Materiellen Ebene reiste. Doch welche Existenzebene sie aufgesucht hat kann ich nicht erahnen. Wenn das, was ich glaube gesehen zu haben, überhaupt real war. Doch weshalb sollte Lucretia einen solchen Ort aufsuchen? Ob sie nur zu diesem Zweck in die Narlmark aufgebrochen ist? Durch die Berichte unserer Retter, können wir jedoch noch auf weitere interessante Dinge schließen. Zum einen befand sich die eiserne Jungfrau, welche durch Schläuche mit der Apparatur verbunden war, nicht mehr in dem Raum. Im Inneren der Eisenstatue hatte ich eine Kreatur wahrgenommen, welche von hasserfüllten Gedanken durchsetzt war. Die Schläuche hatte Eskel durchtrennt, woraufhin wir in den Mahlstrom katapultiert worden sind. Doch wohin ist die eiserne Jungfrau mit der Kreatur verschwunden? Und welches Interesse hatte die Elfe Tesarel an der Rettung des Gefangenen? Dieser schien dauerhaft an die Apparatur angeschlossen zu sein, welche Mareen, Kesten und Gustav schwächte. War die Kreatur etwa dauerhaft von demselben magischen Effekt betroffen? Von der Statue ausgehend hatte ich eine starke Beschwörungsaura wahrgenommen, konnte den Zauber jedoch leider nicht identifizieren. Auch deshalb wissen wir nun nicht, wie unseren Rettern zu helfen ist. Die anwesenden Priester in Narlgaard sind dieser Aufgabe nicht gewachsen. Auch Djod, welcher vom Elchtempel nach Narlgaard reist, um sich ihrer anzunehmen, kann nichts gegen den Effekt ausrichten. Somit lasse ich sie ihre Beschwerden schildern und schicke einen Brief nach Restov, in der Hoffnung, dass sich dort ein Gelehrter findet, welcher die Leiden zu identifizieren weiß und über die Fähigkeiten verfügt diese auf magische Weise zu kurieren.
Grunda Holler hat wohl Bedenken geäußert bezüglich unseres Vorhabens einen Abadartempel zu errichten. Nun, da Turalyn das Reich nicht mehr anführe und kein Anhänger des Abadar im Hohen Rat vertreten sei, befürchte sie, dass ihre Gottheit an Einfluss verliere. Um sie zu beschwichtigen, wurde ihr zugesichert, dass der Tempel bereits binnen eines Jahres errichtet werden würde. Nun bin ich gezwungen meine Pläne diesen neuen Gegebenheiten anzupassen, denn ein solches Vorhaben verschlingt eine Menge an Arbeitskraft und Ressourcen. Mittlerweile hat sich auch herausgestellt, wer nun in Restov regiert. Die Schwertherrin Lea Ianucchi ist demnach neue Bürgermeisterin der nächstgelegenen Stadt. Moraven genießt Gerüchten zur Folge unter den Aldori wohl keinen allzu schlechten Ruf, bei Turalyn hätte das sicherlich anders ausgesehen. Auch ist ein Brief aus der Varnburg eingetroffen. Maeger Varn bittet darin um ein Treffen. Er hat anscheinend vor unsere beiden Städte durch eine Straße zu verbinden. Dies scheint uns in beidseitigem Interesse zu sein und so laden wir ihn zur Einweihung der Hirschfeste ein. Dies ist eine gute Gelegenheit um derartige Projekte voranzutreiben. Bei der langen Sitzung des Hohen Rats wird ebenfalls festgelegt, wer ansonsten zu den Festlichkeiten eingeladen werden soll. Als dies erledigt ist, Layra übernimmt glücklicherweise diese Angelegenheit, beschließen wir in kleiner Runde einvernehmlich die zwei Seen im Süden zu erkunden.
Akiros berichtete uns, dass am südwestlichen Ufer des Hauerwassers eine Vettel hausen soll. Zudem erwähnte er eine kleine Insel inmitten des Kerzensees, auf welcher des nachts unheimliche Lichter gesichtet wurden. An einem warmen Tag des Erastus machen wir uns auf den Weg, am westlichen Ufer des Hauerwassers entlang. Das teils sumpfige Gebiet erschwert das Vorankommen und Karosh, welcher gut zu Fuß ist, stapft einige Male ein ganzes Stück voraus um Jagd auf Vögel zu machen. Am dritten Tag sehen wir aus der Ferne ein einsames, schiefes Häuschen. Es erinnert ein bisschen an Bockens Hütte, und wie wir feststellen werden, bewohnt das Häuschen eine nicht minder schräge Gestalt. Als wir uns der notdürftig errichteten Holzhütte nähern, erwacht die davor errichtete Vogelscheuche und frag uns nach unserem Begehr. Als wir dem verzauberten Wächter berichten, dass wir lediglich die Bewohner des Hauses sprechen wollen, tritt eine fürchterlich entstellte alte Hexe aus der dämmrigen Behausung. Auf den ersten Blick hätte man sie für eine Untote halten können. Ihr deformiertes Gesicht ist eingefallen, völlig verrunzelt, die Haut grau und ihr ganzer Körper sehnig und abgemagert. Sie trägt keine Kleidung, zumindest lassen sich die völlig zerschlissenen Tücher nicht mehr als solche identifizieren. Auch die unfassbar langen, dunklen, verfilzten Haare, in welchen sich allerlei Getier tummelt, bedecken ihre Blöße nur teilweise. Das einzig gepflegte an ihr scheinen einige Schmuckstücke zu sein, welche sie um den Hals trägt. Die Hexe betrachtet uns mit ihren rötlich schimmernden Augen, begegnet uns aber weit weniger misstrauisch und feindselig als wir es erwartet hätten. Nachdem wir ihr einige Fragen nach unserer Identität wahrheitsgemäß beantwortet haben, bittet sie uns gar in ihre Hütte.
Die Hexenhütte sieht von innen genauso schäbig aus wie von außen. Nur dem Umstand, dass einige poröse Holzbalken herausgebrochen sind ist es zu verdanken, dass es nicht stockfinster ist. So können wir erkennen, dass allerlei merkwürdige Utensilien im Raum verstreut herumliegen. Das auffälligste ist ein abgetrennter und anscheinend konservierter Pferdekopf, welcher auf einem kleinen Tisch liegt. Wir stellen der absonderlichen Frau einige Fragen und ich will wissen, ob ihr der Name Ismera bekannt ist. Und tatsächlich, entgegen meinen Vermutungen, scheint sie meine Jugendfreundin zu kennen. Doch als ich versuche mehr zu erfahren weicht sie meinen Fragen aus. Des Weiteren finden wir heraus, dass die Hexe den Druiden Raifs kennt, ihm jedoch nicht sonderlich wohl gesonnen ist. Auch seinem Sohn, dem Hirschkönig, scheint sie bereits begegnet zu sein. Ihm habe sie vor langer Zeit eine Vision gezeigt, welche dazu führte, dass er sich in die Narlmark zurückzog und vom Bösen durchtrieben zurückkehrte. Wir wollen alles über diese Vision erfahren, doch leider kann oder will uns die Alte nichts dergleichen verraten. Stattdessen bietet sie an, uns ebenfalls „ein Bild von dem was sein könnte“ zu offenbaren. Karosh ist begeistert, doch ich bin etwas misstrauisch. Was führt diese schrullige Frau im Schilde? Meine Freunde scheinen weniger Bedenken zu haben und wollen das Angebot wahrnehmen. Wir finden uns um den Tisch ein, auf welchem der Pferdekopf liegt und werden von der Hexe eindringlich aufgefordert unsere Augen zu schließen und während der Prozedur geschlossen zu halten. Ich denke gar nicht daran und während meine Kameraden ohne Widerworte den Anweisungen folgeleisten, beobachte ich das Geschehen misstrauisch. Auch die alte Frau schließt ihre Augen und beginnt mit ihr merkwürdiges Ritual. Ich bemerke, dass Ava neben mir das Geschehen ebenfalls verfolgt, indem sie durch ihre Finger linst. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen lenke, stelle ich erschrocken fest, dass der Pferdekopf sich aufzurichten beginnt. Dann wird die kleine, dunkle Hütte urplötzlich von gleißendem Licht erfüllt. Ich schließe unwillkürlich meine schmerzenden Augen. Ava stöhnt auf, sie scheint es ebenfalls erwischt zu haben. Dann wird alles schwarz …
Als wir die Augen wieder öffnen, liegt der Pferdekopf bewegungslos auf dem Tisch. Die alte Frau blickt Ava und mich streng an. „Ich habe euch gewarnt“, entgegnet sie mit schneidender Stimme. Ava scheint durch den grellen Lichtblitz auf einem Auge erblindet zu sein. Die Hexe hat offensichtlich genug von unserer Anwesenheit, führt uns wieder vor die Tür und schickt und fort. Eine denkwürdige Begegnung. Aber entgegen Akiros‘ Aussage meinen Eskel und Ava erkannt zu haben, dass es sich wohl nicht um eine Vettel handelt. Doch was hat es mit den Bildern auf sich? Inwiefern haben sie etwas mit uns zu tun, oder handelt es lediglich um eine Spinnerei? Wir sahen alle dieselben Bilder. Handelt es sich also um die Zukunft Riviens, den Untergang unseres Reiches in einem Meer aus Flammen? Etwas ratlos stapfen wir schweigend am Ufer des Hauerwassers entlang und versuchen die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten.
4. Schattenseiten
Am darauffolgenden Tag beginnt Ava mit dem Bau eines Floßes. Mit diesem wollen wir die Insel im Kerzensee erkunden. Tatsächlich sahen wir des Nachts in der Ferne einige diffuse Lichter, von welchen uns bereits berichtet wurde. Magni und Karosh helfen der Halblingsdame, indem sie einige Bäume fällen und das Holz zum Ufer schleppen. Unterdessen wandere ich mit Eskel am Fuße des Sees entlang bis wir die Mündung des Flusses Murks erreichen. Es dauert nicht lange, da erspähen wir eine Aue, welche mit Palisaden befestigt ist. Im Unterholz versteckt beobachten wir einige Echsenmenschen, welche sich dort aufzuhalten scheinen. Auch entdeckt der Alchemist im Wasser ein Krokodil, was anscheinend in friedlicher Koexistenz mit dem Echsenvolk lebt.
Wir kehren zu unseren Gefährten zurück und berichten ihnen von unseren Beobachtungen. Dabei erinnern wir uns an den Troll, von welchem unser Koboldfreund Rußschuppe erzählte. Dieser meinte die Echsenmenschen für einen Krieg gegen uns gewonnen zu haben. Kurzentschlossen ändern wir unser Vorhaben und fahren mit dem von Ava gebautem Floss am Ufer entlang bis zur Flussmündung. Dort verstecken wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit und beratschlagen unser Vorgehen. Ich plädiere dafür Kontakt mit dem Echsenvolk aufzunehmen, doch meine Freunde wollen die Möglichkeit eines Hinterhalts nutzen. Somit setzen wir im Schutze der Dunkelheit über. Wachen wurden nicht aufgestellt, weshalb wir problemlos unbemerkt bis zu dem massiven Holztor vordringen können. Da wir davon ausgehen, dem Echsenstamm überlegen zu sein, verzichten wir auf einen komplizierten Plan. Ich vergrößere Karosh und dieser wirft sich mit voller Wucht, gemeinsam mit Eskel und Magni, gegen das Tor. Es dauert nicht lange bis die Balken nachgeben und das massive Holz unter dem Ansturm birst.
Als Karosh sich durch die Trümmer kämpft, fliegt ihm ein Dutzend Speere entgegen. Die meisten verfehlen ihn oder prallen von seiner Rüstung ab, doch einige durchdringen seine ledrige Haut. Rasend vor Wut stürzt er sich auf die Echsenmenschen in vorderster Front. Der Stammesführer gibt einige kehlige Laute von sich, woraufhin vier Krokodile aus der Dunkelheit hervorgeschossen kommen und Magni anfallen. Eskel und Ava eilen dem Zwerg zur Seite. Die Druidin beschwört sogleich einen Felshagel, welchen sie auf die dicht gedrängt stehenden Echsen niederregnen lässt. Jedoch ist sie einen Moment lang unaufmerksam und wird von einem zuschnappenden Krokodil gepackt. Eskel drischt panisch mit seinem Bastardschwert auf das Tier ein, bis sich Ava aus dem Maul des leblosen Ungetüms befreien kann. Ich unterstützte meine Freunde mit einem Hast-Zauber und bringe unsere Gegner ins Wanken, indem ich den sandigen Untergrund aufwühle. Doch kaum habe ich die Zauber gewirkt, da erteilt der Echsenhäuptling einen weiteren Befehl: „Schnapp dir den Magier.“ Bevor ich reagieren kann, erscheint ein Lichtball über mir und ein heftiger elektrischer Schock durchfährt mich. Sofort mache ich mich unsichtbar und fliehe. Bei der mysteriösen Lichtkugel handelt es sich um ein Irrlicht und ich bin mir nicht sicher, ob dieses mich nicht trotz des Zaubers wahrnehmen kann. Karosh hat mittlerweile einen Leichenberg um sich herum aufgetürmt und Blut rinnt seine Arme herab, wobei ich nicht einschätzen kann, ob es sich lediglich um das seiner Feinde handelt. Eskel wendet sich nun dem Irrlicht zu, welches meinen Freunden elektrische Stöße versetzt. Zwar hätte ich nicht vermutet, dass er mit seinem Schwert etwas gegen dieses Wesen ausrichten kann, doch als seine Klinge durch den Lichtball pflügt, trudelt dieser. Nach einem weiteren perfekt gezielten Hieb verpufft das Irrlicht gänzlich. Magni ist inzwischen mit den restlichen Krokodilen beschäftigt und die mächtigen Kiefer der Reptilien haben sich einige Male tief in seine Beine geschlagen. Für Verwirrung unter unseren Gegnern sorgt Ava, indem sie zwei weitere Krokodile beschwört, welche ihre Artgenossen anfallen. Zudem schickt sie eine Flammenkugel durch die Reihen der Echsen. Aus sicherer Entfernung gelingt es mir eines der Krokodile und den Echsenanführer in eine beschworene Grube zu stürzen. Wenige Augenblicke später können wir den Kampf für uns entscheiden. Den Echsenhäuptling nehmen wir als Gefangenen, um Informationen bezüglich der Allianz der Wilden zu erhalten.
Doch die Befragung verläuft gänzlich anders, als wir es uns vorgestellt haben. Schnell stellt sich heraus, dass die Echsen ein recht friedliches Volk sind. Zwar habe der besagte Troll namens Vasket die Echsenmenschen tatsächlich aufgesucht und sie durch Drohungen dazu bringen können, ihm Unterstützung zuzusagen, jedoch sei es nie zu kriegerischen Maßnahmen gekommen. Derartiges sei nicht im Interesse des Echsenvolks gewesen, welches ein zurückgezogenes traditionelles Leben präferiert. Den Aussagen des Anführers scheinen aufrichtig zu sein und jeder Satz offenbart deutlicher unseren Irrtum und unser höchst unmoralisches Vorgehen. Zwar hatten wir guten Grund zu anderen Annahmen, mussten wir doch mitansehen, wie sich wilde Völker des Waldes bereits gegen uns verschworen hatten, jedoch handelten wir unüberlegt und überstürzt. Durch eine Kontaktaufnahme hätten wir sicherlich Unstimmigkeiten beseitigen und einer blutigen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen können. So haben wir einen ganzen Stamm auf brutalste Weise abgeschlachtet. Überlebt haben lediglich einige Echsenweibchen, acht kleine Geschöpfe im Säuglingsalter und der Häuptling. Nach kurzer Beratung, in welcher wir alle sehr getroffen sind, wir uns jedoch klar, dass es nun zu spät ist die Echsen zu verschonen. Ließen wir die Überlebenden in Freiheit, wären sie unsere ärgsten Feinde auf Lebenszeit. Und dies unmittelbar vor den Toren unseres Reiches. Widerwillig und zutiefst getroffen, vollenden wir unser schreckliches Werk, indem wir Anführer und Echsenweibchen exekutieren. Alle Leichen verbrennen wir inmitten des Lagers. Die Kleinen verschonen wir jedoch. Zwar haben wir keinen Plan, wie mit ihnen in Zukunft zu verfahren sei, aber sie werden sich wohl nicht an diesen Tag erinnern können. Ihre Schreie klingen wie Anklagen in unseren Ohren.
Siebzehnte Sitzung am Samstag, den 15. April 2017 in Frankfurt.
Mit Tobi, Dominik, Lena, Lucas, Lukas und mir.
1. Gefangen im Chaos
Mit jedem Schritt sinken wir bis zu den Waden tief in die blau-durchsichtige Substanz zu unseren Füßen. Die Luft, welche uns umgibt, ist klar, geruchslos, weder kalt noch warm, aber merkwürdig präsent, greifbar, fast flüssig. Wie leichtes, weiches, waberndes Wasser, welches uns umströmt und am Boden zu einer federnden Masse komprimiert wird. Die Fortbewegung fällt schwer, jedoch ist es möglich sich von eben dieser, alles umgebenden Substanz ein wenig abzustoßen. Dabei verursacht der Kontakt mit unserer Umwelt keinerlei Geräusche und unsere Stimmen werden durch sie gedämpft. Zu sehen gibt es nicht viel. Keine Berge, keine Flüsse, keine Bäume, keine Lebewesen und am Horizont nur undefinierbare blaue-grüne Muster ohne klare Konturen, welche sich ständig zu verändern scheinen. Wir haben das Gefühl in die Unendlichkeit, in ein Meer aus Nichts zu blicken.
Ich versuche die Situation zu erschließen. Wir sind auf einer anderen Existenzebene, aber auf welcher? Was gilt es nun zu tun? Und birgt diese Umgebung, welche sich so fundamental von der uns bekannten unterscheidet, Gefahren? Vermutlich. Zunächst kläre ich die anderen über meine Erkenntnis auf. Diese haben zwar schon von anderen Ebenen gehört, können jedoch erdenklich wenig mit der Information anfangen. Ich kann mich nicht erinnern meinen verängstigten Gefährten jemals Mut zugesprochen zu haben. Doch anscheinend wirkt all dies deutlich verstörender auf sie. Indem ich das Buch über die Innere und Äußere Sphäre, welches ich vermutlich nicht ganz zufällig in der Hobgoblinfestung gefunden habe, hervorhole, gelingt es mir die drei zu beruhigen. In diesem Lexikon der Existenzebenen, so erkläre ich, seien sicherlich alle Informationen zu finden, welche uns in unserer absonderlichen Lage weiterhelfen könnten. Eskel und Magni sammeln den bewusstlosen Karosh ein, welcher weich gebettet in der blauen Masse umhertreibt. Zur Sicherheit binden sie zwei Seile um seine Hüften und schlingen diese um sich, damit der Halb-Ork nicht in dem Meer aus Nichts verloren geht.
Nachdem wir uns alle etwas gesammelt haben, tritt eine beklemmende Stille ein. Alle Erwartungen, das spüre ich, sind nun auf mich gerichtet. Ich versuche dies zu ignorieren und vertiefe mich in das Buch. Zwar kann ich schnell zweifelsfrei bestimmen auf welcher Ebene wir uns befinden, doch diese Information wird den anderen vermutlich nicht sonderlich gefallen. Und zugegeben: Ich hätte mir auch etwas Besseres vorstellen können als in der Äußeren Sphäre, in den unendlichen Weiten des Mahlstroms zu landen. Zumal ich dem Band nicht entnehmen kann, wie es uns gelingen kann von hier auf die Materielle Ebene zurückzukehren.
Wie erwartet beginnen Magni, Eskel und Ava bald mir alle erdenklichen Fragen zu stellen. Ich weise sie gereizt ab, versuche zunächst noch einen nützlichen Hinweis zu finden. Doch es gelingt mit nicht meine Unzufriedenheit zu verbergen und so erfolgen die Nachfragen immer kürzeren Abständen, bis ich ihnen wütend offenbare, was ich herausgefunden habe. „Das ewige Chaos?“, fragt Magni entsetzt. „Und auf was müssen wir uns hier gefasst machen, was lauert hier draußen?“, will Eskel wissen. Ich berichte von schlangenähnlichen Wesen, welche Proteaner genannt werden, und von Chaosbestien, welche sich hier angeblich vermehrt herumtreiben. Dies versetzt alle in Aufruhr, nur Karosh bleibt ruhig und wabert komatös im blauen Nichts umher. Auch ich bin etwas verzweifelt, hatte ich doch große Erwartungen in dieses Buch gesetzt. Ich studiere eindringlich die Karte, jedoch ist es völlig unmöglich mich hier zu orientieren. Immer wenn ich meine etwas in den grenzenlosen blau-grünlichen Weiten entdeckt zu haben und dies mit der skizzenhaften Karte im Buch abzugleichen versuche, erblicke ich beim Aufschauen andere verwaschene Konturen am Horizont.
So vergeht einige Zeit. Um auch wirklich ganz sicher zu gehen, studiere ich das Buch von vorne bis hinten und wieder zurück. Wie kommen wir weg von hier? Zwar lese ich von Portalen, magischen Artefakten und mächtigen Zaubern, welche einen Ebenenwechsel ermöglichen, jedoch steht nichts davon uns zur Verfügung und mir erschließt sich auch kein Weg um etwas Derartiges aufzutreiben oder zu erschaffen. Jede weitere hoffnungsvolle Frage meiner Freunde muss ich verneinen, bis sie so enttäuscht, verängstigt und zornig sind, dass ich beginne auf diese nicht mehr einzugehen. Als ich den sarkastischen Vorschlag unterbreite Nethys‘ Reich in den Tiefen des Mahlstroms aufzusuchen, schlägt mir offene Feindseligkeit entgegen und ich hülle mich von nun an in Schweigen.
Als wir das erste Mal von einem herumirrenden Proteaner attackiert werden, können wir diesen problemlos in die Flucht schlagen. Wie viel Zeit bereits vergangen ist lässt sich kaum sagen, denn Tag und Nacht scheint es nicht zu geben. Ich schätze, dass es bereits einige Tage sind, liege vermutlich jedoch völlig falsch. Und wer weiß, vielleicht folgt die Zeit hier auch anderen Spielregeln. Doch die Hoffnung auf Rückkehr habe ich nicht aufgegeben. Das macht sich an den quälenden Gedanken an ein verpasstes Treffen mit Mina Lodowka deutlich. Was würde ich dafür geben jetzt bei ihr in Neu Stetven zu sein, anstatt an einem solch trostlosen Ort.
Doch ewig können wir nicht in Selbstmitleid versinken, weshalb ich vorschlage ohne konkreten Plan in eine Richtung aufzubrechen. Zunächst stoße ich auf Widerwillen, kann meine Freunde aber motivieren, indem ich die Möglichkeit hervorhebe auf ein permanentes Portal zu stoßen oder anderen Kreaturen zu begegnen, welche uns in unserer misslichen Lage helfen können. Ich bin zwar selbst davon überzeugt, dass dies nicht geschehen wird, jedoch hebt es die Stimmung und wir unternehmen wenigstens etwas. Mein eigentliches Vorhaben ist es jedoch, mich in diesem riesigen Ozean des Nichts durch einen Ortswechsel ein wenig zu orientieren. Deshalb versuche ich darauf zu achten auf einer Linie immer geradeaus zu laufen, was mir aufgrund fehlender Orientierungspunkte vermutlich nicht gelingt. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit gelaufen sind, wobei unsere Fortbewegung mehr an ein von Schwimmbewegungen begleitetes Wettrennen im Schleichtempo erinnert, bemerke ich ganz allmählich Veränderungen. Die Substanz um uns herum wird fester und die Grüntöne werden schwächer, während die blauen Farben kaum merklich zunehmen. Ich weise meine Freunde auf meine Entdeckung hin, doch sie bestreiten, dass meine Beobachtungen zutreffend sind.
Wir setzen unsere beschwerliche Reise fort, bis Karosh sich zu regen beginnt. Ganz allmählich kommt er zu sich, wobei er vermutlich über Stunden hinweg nicht ganz wach ist, aber auch nicht schläft. Einige Male wechseln wir mit ihm ein paar Worte und als er das nächste Mal seine Augen aufschlägt beteuert er, dass genau dies ein Traum gewesen sei. Aufgrund der absonderlichen Umgebung ist das wahrscheinlich auch eine angemessene Interpretation. Es dauert ein wenig, bis meine drei Freunde ihn davon überzeugen können, dass alles um ihn real ist. Im Gegensatz zu uns, nimmt er die Situation aber deutlich gelassener hin. Angst scheint ihm die ungewohnte Situation jedenfalls nicht zu bereiten.
Indem ich erkläre, dass wir uns meinen Beobachtungen zur Folge immer weiter in den Mahlstrom hineinbewegen und deshalb umkehren sollten, um zu den Grenzlanden, einem Übergangsbereich zu anderen Ebenen, zu gelangen, gelingt es mir die Gruppe zur Umkehr zu bewegen. Und so irren wir eine Ewigkeit, vermutlich viele Tage, meine Gefährten gehen mittlerweile schon von einigen Wochen aus, durch wabernde Massen. Den Angriff einer Chaosbestie können wir mit vereinten Kräften abwehren und auch gegen eine Handvoll Proteaner müssen wir uns verteidigen. Viel Zeit vergeht und einige Male korrigieren wir unseren Kurs, doch allmählich verändert sich die Umgebung und erscheint uns weniger bizarr. Doch nichts deutet auf einen Ausweg hin. Völlig unerwartet werden wir irgendwann, inmitten dieser unbestimmten Ewigkeit, von einem Augenblick auf den nächsten, wie durch ein Wunder gerettet. Vor uns – oder war es gar über oder unter uns? – erscheint ein Spalt, welcher sich in rasch ausbreitet und zu einem ovalen, uns umhüllenden schwarzen Nichts formt und verschluckt. In rasender Geschwindigkeit werden wir durch den Strudel der Existenzebenen gezogen. Lichter und Farben vergehen schneller als sie erschienen sind und für den Bruchteil einer Sekunde meine ich den Blick auf eine Frau vor einem von vielen Sternen erleuchteten Himmel zu erhaschen, doch als ich mich umschaue, ist das Portal bereits verschwunden. All dies geht so schnell, dass wir noch in den schwimmartigen Bewegungen verharren, während wir schon den ersten Schritt auf den Boden des Gewölbes setzen. Wir befinden uns wieder in dem Raum, von wo aus wir diese ungeplante Reise in den Mahlstrom begonnen haben.
2. Eine unerwartete Entscheidung
Aufgrund unser insgesamt 17-tägigen Gefangenschaft in den Äußeren Sphären, ist meine Zeitplanung etwas aus den Fugen geraten. Hatte ich Mina Lodowka doch zugesagt mich mit ihr in Neu Stetven zu treffen, um der Hochzeit von Noleski Surtowa und Elanna Lebeda beizuwohnen. Jedoch bleiben mir nur noch zehn Tage bis zur Hochzeit, weshalb ich mit Karosh vorauseile, in Narlgaard die Pferde sattle und gemeinsam mit dem Halb-Ork und Layra, in Richtung der Hauptstadt reite. Glücklicherweise verläuft die Reise ohne Zwischenfälle, wodurch wir diese drei Tage vor der Vermählung erreichen. Wir beziehen dasselbe luxuriöse Etablissement, welches auch die Lodowkas bewohnen und entsprechend teuer zu Buche schlägt.
Beim gemeinsamen Abendessen lerne ich Minas Vater, Fürst Kozek Lodowka, kennen. Meine Bedenken, er könnte misstrauisch mir gegenüber sein, schließlich stamme ich nicht aus einer altehrwürdigen Adelsfamilie, werden umgehend zerstreut. Durch seine humorvolle Art weicht meine Anspannung schnell einem großen Interesse für seine Seefahrergeschichten. Begeistert erzählt er von der Heimat der Lodowkas und dem Leben auf dem Meer. Meine Nachfragen beantwortet er detailliert, wodurch aus einem Essen eine abendfüllende Unterhaltung wird. Einige Male nehme ich seine maßlosen Übertreibungen und ironischen Bemerkungen wortwörtlich und sorge so unabsichtlich für Heiterkeit.
Es ist bereits spät, als die Runde sich auflöst und ich mit Mina Lodowka einen nächtlichen Spaziergang durch Neu Stetven mache. Auch nach Einbruch der Dunkelheit ist die Hauptstadt geschäftiger als Restov bei Tag. Mina kennt sich anscheinend schon ein wenig aus und führt mich durch die verwinkelten Gassen, bis wir das Ufer des Reykalsees erreichen. Zielsicher steuert sie zwischen den Anlegestellen auf einen großen Steg zu. Mit den beiden Wächtern der Lodowkas, welche uns bisher in einiger Entfernung begleitet haben, wechselt sie selbstbewusst einige wenige Worte, woraufhin diese uns etwas Zweisamkeit gewähren. Am Ende Stegs setzen wir uns auf die Holzplanken und blicken auf kleine Fischerboote und große Handelsschiffe, welche im Wind hin und her wiegen. Lange verweilen wir dort, bis wir von der kalten Brise durchgefroren sind und uns auf den Rückweg begeben.
In den nächsten Tagen verbringe ich viel Zeit mit Mina. Gemeinsam erkunden wir die Stadt, stöbern in kleinen Lädchen und lassen uns von Straßenkünstlern unterhalten. Ich genieße die Gesellschaft der jungen Dame, ihr heiteres Gemüt und die ungezwungenen Gespräche, bei denen sie mich – wie auch schon bei unserer ersten Begegnung – regelmäßig in die Irre führt. Die Tage vergehen wie im Flug und ihre Erzählungen wecken große Vorfreude auf unsere Reise auf die Akubeninsel.
Noch vor der Hochzeit suche ich mit Layra und Karosh die riesige Bibliothek der Hauptstadt auf. In der Hoffnung, dass die Gelehrten der Stadt das Geheimnis des Folianten lüften können, wurde er im Auftrag Jomani Surtowas hierher geschickt. Doch angeblich erreichte er nie sein Ziel. Anfangs versuche ich dem wortkargen Mann gut zuzureden, doch wir werden abgewiesen. Ich bin verärgert, überlege kurz mit Hilfe von Karosh forscher aufzutreten, denn ich traue den Aussagen des unsympathischen Herren nicht. Doch dann besinne ich mich eines Besseren. Was kann ich schon erreichen ohne jegliche Anhaltspunkte, wo nach dem alten Buch zu suchen sei? Also kehre ich enttäuscht zurück. Dort bereite ich mich auf die Festlichkeiten vor, indem ich mir von einem begnadeten Tänzer in die gängigsten Schritte zeigen lasse. Doch seinem Lob für meine Fortschritte traue ich nicht, denn was ich zustande bringe, hat nicht im Entferntesten etwas mit seinen Bewegungen gemein. Jedoch ich bin nicht allzu verzagt, da ich schätze, dass Mina mir mein Unvermögen nicht krummnehmen wird.
An einem Eidtag, dem 30. Sarenith, findet die Hochzeit statt. Ich bin freudig gespannt und sogar etwas verlegen bei der Wahl meiner Gewänder. Ich entscheide mich für meine schicke und etwas exzentrische rote Robe und warte auf Mina, meine Begleitung an diesem heutigen Festtag. Als sie die Halle betritt, bin ich verblüfft von ihrer kleinen Verwandlung, so anmutig ist ihre Erscheinung. Die Stimmung ist ausgelassen, als wir uns auf den Weg zur wichtigsten Zeremonie im ganzen Lande machen. In den vergangen Tagen habe ich bereits einen ersten Eindruck von der prächtigen Stadt gewinnen können, doch was uns nun erwartet, übersteigt meine Vorstellungskraft. Die pompöse Rubinburg ist von unzähligen Zaubern geschützt, deren Macht ich lediglich erahnen kann. Edle Gäste aus allen umliegenden Regionen treffen hier aufeinander und ich mittendrin – in Begleitung von einer ausgesprochen hübschen und charmanten Prinzessin.
Ich sehe einige bekannte Gesichter, darunter Saronna Lebeda, die Mutter der Braut, und auch Lander, den kleinen Bruder von Elanna. Fürst Gurev Medwjed und seine Tochter Saskja sind ebenfalls anwesend, sowie Graf Paul Orlowski und sein Sohn Jasper Orlowski. Wie schon bei unserer ersten Begegnung wirkt er gelangweilt und abwesend. Aus Minas Kommentaren schließe ich, dass auch ihre Familie nicht gut auf die Orlowskis zu sprechen sind. Ebenfalls anwesend ist Fürst Kevan Mannig, der Besitzer von Olegs Handelsposten. Ich bitte Layra darum, ihn zur Einweihung der Hirschfeste einzuladen. Vielleicht gelingt es uns ihm den Handelsposten abzukaufen. Des Weiteren erkenne ich Baron Hannes Drelew, Maeger Varn, Fürst Holan Garess und Toval Golkar, sein Zwergenmündel, Erbe und Anführer von Magnis Clan.
Die Zeremonie ist formell und unterschiedet sich wenig von den mir bekannten. Doch gegen Ende geschieht etwas Unvorhergesehenes, was ebenso schnell wieder vorbei ist. Ich höre nur den zornigen Ruf einer Männerstimme und als ich mich umdrehe, sehe ich einen Mann auf das Brautpaar zustürmen. Mit einer lässigen und unscheinbaren Geste, lässt der König einen Strahl auf den Störenfried niederfahren, wodurch dieser sofort zu Boden geht. Die Gäste haben den Vorfall noch gar nicht realisiert, da wird die Zeremonie bereits fortgesetzt, als wäre nichts geschehen.
Im Anschluss überreiche ich Vertretern der Familie Surtowa und Lebeda meine Hochzeitsgeschenke. Für König Noleski habe ich etwas sehr Außergewöhnliches mitgebracht, eine der Kristallkugeln aus dem Gewölbe. Ihr Wert dürfte nicht ansatzweise an den der anderen Gäste heranreichen, jedoch bin ich der Meinung, dass dieses Geschenk ausgesprochen interessant ist. Mit einer kurzen schriftlichen Instruktion zum Gebrauch dieser, überreiche ich sie und hoffe dadurch keinen Spott zu ernten. Doch der Herr, welcher die zahlreichen Gaben entgegennimmt, inspiziert diese gar nicht und so werde ich voraussichtlich nie erfahren, ob der König sich überhaupt mit meinem Geschenk beschäftigt hat. Für Elanna Lebeda habe ich ebenfalls etwas Besonderes. Da wir Tamara Grubner, die Haushaltshilfe und engste Vertraute der neuen Königin, persönlich kennen, überreiche ich ihr die hölzerne Schatulle. In ihr befindet sich ein Kurzschwert der Lebedas, welches wir vor einiger Zeit in einem verlassenen Kloster im Grüngürtel gefunden haben. Nun kehrt es in den Familienbesitz zurück.
Die Hauptpersonen dieses Tages, Noleski und Elanna, verlassen die Veranstaltung merkwürdigerweise bereits kurz nach der Zeremonie und wohnen den Festlichkeiten im Anschluss nicht bei. Noleski, welcher gar etwas gelangweilt wirkt, hält jedoch noch eine kurze Ansprache, welche im gesamten Publikum für große Überraschung sorgt. Nachdem der König ein paar Floskeln gesprochen und seinen Dank ausgesprochen hat, kündigt er eine Entscheidung an. Nach Jahren des blutigen Konflikts unterstellt er die Stadt Restov der Verwaltung durch die Aldori Schwertherren. Ungläubig stehe ich in der Menge und versuche die Worte Noleskis zu verarbeiten. Dabei geht es nicht nur mir so, die gesamte Menge ist totenstill und sichtlich irritiert. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und finde den Mann, welchen ich suche. Jomani Surtowa, der bis vor wenigen Sekunden noch Bürgermeister Restovs war, steht kreidebleich etwas abseits und lässt sich mit zittrigen Beinen in einen Stuhl fallen. Ich warte einige Minuten, dann suche ich ihn auf und spreche ihm mein Beileid aus. Zudem betone ich, dass meine Freundschaft zu ihm nicht an irgendein Amt geknüpft ist. Falls er irgendetwas bräuchte, so solle er sich bitte an mich oder irgendeinen anderen Riva wenden. Da ich ihn nicht länger belästigen will und nicht das Gefühl habe, als sehne er sich momentan nach Gesellschaft, lasse ich ihn mit seinem Schreck alleine. Im Verlaufe des Abend schnappe ich ab und zu einige Gesprächsfetzen auf, aus welchen hervorgeht, dass die Lebedas wohl mit den Schwertherren sympathisieren, was die Entscheidung des Königs eventuell erklären könnte.
Der Abend wird trotz der verstörenden Nachricht ein denkwürdiger. Aufgrund einiger Tanzlehrstunden in den vergangenen Tagen, traue ich es mir zu Mina zum Tanz aufzufordern. Wie bereits vermutet erweise ich mich nicht als begnadeter Tänzer, aber ich bemerke doch, dass sich noch einige wesentlich untalentiertere Herren auf dieser Veranstaltung tummeln. Mina und ich haben viel Spaß und aus einem Tanz werden mehrere, bis ich das zählen aufgebe. Auch Karosh ist sich nicht zu schade die Damen aufzufordern. Ohne lange zu überlegen spricht er Tamara an. Diese ist im ersten Moment etwas überrumpelt, doch bereits nach wenigen Takten freudig überrascht. Die tänzerischen Fähigkeiten des Barbaren halten sich zwar in Grenzen, aber durch spektakuläre Flug- und Wurffiguren sorgt er für großes Aufsehen. Auch Layra mischt sich unter die hohen Gäste und nutzt die Gelegenheit um Kontakte zu knüpfen und Sympathien zu erwerben. Mit viel Musik, Wein und gutem Essen vergeht der Abend im Fluge und am nächsten Morgen, eigentlich ist es bereits später Nachmittag, verabschiede ich mich von meinen zwei Freunden. Sie werden in den Grüngürtel zurückkehren. Ich jedoch werde meine Reise in den Norden fortsetzen und einer Einladung von Prinzessin Mina in ihre Heimat, die Akubeninsel, nachkommen.
Die Reise in die nördlichsten Gefilde Brevoys führt uns entlang des Reykalsees über Silberhalle. Auf dem Weg bekommen wir atemberaubende Aussichten auf imposante Gipfel geboten. Als ich das das Meer erblicke bin ich zunächst überwältigt, doch als ich realisiere nun mit einem Schiff zu der Insel übersetzen zu müssen, wird mir etwas mulmig zumute. Mina scheint das zu merken und muntert mich auf, indem sie mir zeigt, dass die Akubeninsel bereits am Horizont zu sehen ist. Die Überfahrt wird glücklicherweise nicht zum Desaster, im Gegenteil. Nachdem ich mich etwas an das Schaukeln gewöhnt habe, kann ich die Fahrt sogar etwas genießen. Ich erfreue mich sehr an dem Aufenthalt in Winterklippe, der größten Stadt auf der Akubeninsel und Sitz der Familie Lodowka. Mina stellt mir ihre gesamte Familie vor, wir gehen gemeinsam am Strand spazieren und fahren aufs Meer um zu fischen. Als ich nach fast einer Woche bereits wieder aufbrechen muss, bitte ich Mina mich ebenfalls in Narlgaard besuchen zu kommen. Ich lade sie und ihre Familie zur Einweihung der Hirschfeste in zwei Monaten ein und sie versichert mir den langen Weg auf sich zu nehmen.
3. Warnungen und Visionen
Als ich nach Narlgaard zurückkehre holen mich vom ersten Tag an meine Verpflichtungen wieder ein. Aufgrund meiner langen Abwesenheit gibt es viel zu erledigen. Mareen, Gustav und Kesten, welche während ihrer Rettungsmission aufgrund eines magischen Effekts, ausgelöst von Lucretia, geschwächt wurden, sind noch immer nicht bei Kräften. Ihre Erzählungen geben uns einige Rätsel auf. Lucretia scheint gewusst zu haben, was sie unter der alten Burgruine erwartet, denn sie hätte den Raum mit den merkwürdigen Apparaturen zielstrebig aufgesucht. Auch wusste sie, wie diese zu bedienen sei. So konnte sie Mareen, Gustav und Kesten gezielt in die Irre geführt, als sie diese aufforderte das eiserne Rad an den Hebeln zu berühren. Dann muss sie einen mächtigen Zauber ausgelöst haben, welcher durch die Lebenskraft unserer drei Retter gespeißt wurde. Dieser führte zum einen dazu, dass wir durch ein Portal aus dem "Ewigen Chaos" zurückkehren konnten. Zum anderen tat sich ein weiteres Portal auf, durch welches Lucretia gemeinsam mit dem Feengeist Jahlefitz entschwand. Ich versuche mich an die verstörenden Eindrücke zu erinnern, welche auf uns einprasselten, als wir jäh vom Mahlstrom zurück auf die Materielle Ebene gerissen wurden. Vermutlich handelte es sich bei der Frau, welche ich kurz erblickte, um Lucretia. Doch welchen Ort hat sie aufgesucht? Der Sternenhimmel, welcher sie umgab war von vielen, unterschiedlich großen Lichtern in verschiedenen Farben erhellt. Einen solchen Sternenhimmel habe ich noch nie zuvor gesehen. Daraus schließe ich, dass sie weder in den Mahlstrom, noch an einen anderen Ort der Materiellen Ebene reiste. Doch welche Existenzebene sie aufgesucht hat kann ich nicht erahnen. Wenn das, was ich glaube gesehen zu haben, überhaupt real war. Doch weshalb sollte Lucretia einen solchen Ort aufsuchen? Ob sie nur zu diesem Zweck in die Narlmark aufgebrochen ist? Durch die Berichte unserer Retter, können wir jedoch noch auf weitere interessante Dinge schließen. Zum einen befand sich die eiserne Jungfrau, welche durch Schläuche mit der Apparatur verbunden war, nicht mehr in dem Raum. Im Inneren der Eisenstatue hatte ich eine Kreatur wahrgenommen, welche von hasserfüllten Gedanken durchsetzt war. Die Schläuche hatte Eskel durchtrennt, woraufhin wir in den Mahlstrom katapultiert worden sind. Doch wohin ist die eiserne Jungfrau mit der Kreatur verschwunden? Und welches Interesse hatte die Elfe Tesarel an der Rettung des Gefangenen? Dieser schien dauerhaft an die Apparatur angeschlossen zu sein, welche Mareen, Kesten und Gustav schwächte. War die Kreatur etwa dauerhaft von demselben magischen Effekt betroffen? Von der Statue ausgehend hatte ich eine starke Beschwörungsaura wahrgenommen, konnte den Zauber jedoch leider nicht identifizieren. Auch deshalb wissen wir nun nicht, wie unseren Rettern zu helfen ist. Die anwesenden Priester in Narlgaard sind dieser Aufgabe nicht gewachsen. Auch Djod, welcher vom Elchtempel nach Narlgaard reist, um sich ihrer anzunehmen, kann nichts gegen den Effekt ausrichten. Somit lasse ich sie ihre Beschwerden schildern und schicke einen Brief nach Restov, in der Hoffnung, dass sich dort ein Gelehrter findet, welcher die Leiden zu identifizieren weiß und über die Fähigkeiten verfügt diese auf magische Weise zu kurieren.
Grunda Holler hat wohl Bedenken geäußert bezüglich unseres Vorhabens einen Abadartempel zu errichten. Nun, da Turalyn das Reich nicht mehr anführe und kein Anhänger des Abadar im Hohen Rat vertreten sei, befürchte sie, dass ihre Gottheit an Einfluss verliere. Um sie zu beschwichtigen, wurde ihr zugesichert, dass der Tempel bereits binnen eines Jahres errichtet werden würde. Nun bin ich gezwungen meine Pläne diesen neuen Gegebenheiten anzupassen, denn ein solches Vorhaben verschlingt eine Menge an Arbeitskraft und Ressourcen. Mittlerweile hat sich auch herausgestellt, wer nun in Restov regiert. Die Schwertherrin Lea Ianucchi ist demnach neue Bürgermeisterin der nächstgelegenen Stadt. Moraven genießt Gerüchten zur Folge unter den Aldori wohl keinen allzu schlechten Ruf, bei Turalyn hätte das sicherlich anders ausgesehen. Auch ist ein Brief aus der Varnburg eingetroffen. Maeger Varn bittet darin um ein Treffen. Er hat anscheinend vor unsere beiden Städte durch eine Straße zu verbinden. Dies scheint uns in beidseitigem Interesse zu sein und so laden wir ihn zur Einweihung der Hirschfeste ein. Dies ist eine gute Gelegenheit um derartige Projekte voranzutreiben. Bei der langen Sitzung des Hohen Rats wird ebenfalls festgelegt, wer ansonsten zu den Festlichkeiten eingeladen werden soll. Als dies erledigt ist, Layra übernimmt glücklicherweise diese Angelegenheit, beschließen wir in kleiner Runde einvernehmlich die zwei Seen im Süden zu erkunden.
Akiros berichtete uns, dass am südwestlichen Ufer des Hauerwassers eine Vettel hausen soll. Zudem erwähnte er eine kleine Insel inmitten des Kerzensees, auf welcher des nachts unheimliche Lichter gesichtet wurden. An einem warmen Tag des Erastus machen wir uns auf den Weg, am westlichen Ufer des Hauerwassers entlang. Das teils sumpfige Gebiet erschwert das Vorankommen und Karosh, welcher gut zu Fuß ist, stapft einige Male ein ganzes Stück voraus um Jagd auf Vögel zu machen. Am dritten Tag sehen wir aus der Ferne ein einsames, schiefes Häuschen. Es erinnert ein bisschen an Bockens Hütte, und wie wir feststellen werden, bewohnt das Häuschen eine nicht minder schräge Gestalt. Als wir uns der notdürftig errichteten Holzhütte nähern, erwacht die davor errichtete Vogelscheuche und frag uns nach unserem Begehr. Als wir dem verzauberten Wächter berichten, dass wir lediglich die Bewohner des Hauses sprechen wollen, tritt eine fürchterlich entstellte alte Hexe aus der dämmrigen Behausung. Auf den ersten Blick hätte man sie für eine Untote halten können. Ihr deformiertes Gesicht ist eingefallen, völlig verrunzelt, die Haut grau und ihr ganzer Körper sehnig und abgemagert. Sie trägt keine Kleidung, zumindest lassen sich die völlig zerschlissenen Tücher nicht mehr als solche identifizieren. Auch die unfassbar langen, dunklen, verfilzten Haare, in welchen sich allerlei Getier tummelt, bedecken ihre Blöße nur teilweise. Das einzig gepflegte an ihr scheinen einige Schmuckstücke zu sein, welche sie um den Hals trägt. Die Hexe betrachtet uns mit ihren rötlich schimmernden Augen, begegnet uns aber weit weniger misstrauisch und feindselig als wir es erwartet hätten. Nachdem wir ihr einige Fragen nach unserer Identität wahrheitsgemäß beantwortet haben, bittet sie uns gar in ihre Hütte.
Die Hexenhütte sieht von innen genauso schäbig aus wie von außen. Nur dem Umstand, dass einige poröse Holzbalken herausgebrochen sind ist es zu verdanken, dass es nicht stockfinster ist. So können wir erkennen, dass allerlei merkwürdige Utensilien im Raum verstreut herumliegen. Das auffälligste ist ein abgetrennter und anscheinend konservierter Pferdekopf, welcher auf einem kleinen Tisch liegt. Wir stellen der absonderlichen Frau einige Fragen und ich will wissen, ob ihr der Name Ismera bekannt ist. Und tatsächlich, entgegen meinen Vermutungen, scheint sie meine Jugendfreundin zu kennen. Doch als ich versuche mehr zu erfahren weicht sie meinen Fragen aus. Des Weiteren finden wir heraus, dass die Hexe den Druiden Raifs kennt, ihm jedoch nicht sonderlich wohl gesonnen ist. Auch seinem Sohn, dem Hirschkönig, scheint sie bereits begegnet zu sein. Ihm habe sie vor langer Zeit eine Vision gezeigt, welche dazu führte, dass er sich in die Narlmark zurückzog und vom Bösen durchtrieben zurückkehrte. Wir wollen alles über diese Vision erfahren, doch leider kann oder will uns die Alte nichts dergleichen verraten. Stattdessen bietet sie an, uns ebenfalls „ein Bild von dem was sein könnte“ zu offenbaren. Karosh ist begeistert, doch ich bin etwas misstrauisch. Was führt diese schrullige Frau im Schilde? Meine Freunde scheinen weniger Bedenken zu haben und wollen das Angebot wahrnehmen. Wir finden uns um den Tisch ein, auf welchem der Pferdekopf liegt und werden von der Hexe eindringlich aufgefordert unsere Augen zu schließen und während der Prozedur geschlossen zu halten. Ich denke gar nicht daran und während meine Kameraden ohne Widerworte den Anweisungen folgeleisten, beobachte ich das Geschehen misstrauisch. Auch die alte Frau schließt ihre Augen und beginnt mit ihr merkwürdiges Ritual. Ich bemerke, dass Ava neben mir das Geschehen ebenfalls verfolgt, indem sie durch ihre Finger linst. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen lenke, stelle ich erschrocken fest, dass der Pferdekopf sich aufzurichten beginnt. Dann wird die kleine, dunkle Hütte urplötzlich von gleißendem Licht erfüllt. Ich schließe unwillkürlich meine schmerzenden Augen. Ava stöhnt auf, sie scheint es ebenfalls erwischt zu haben. Dann wird alles schwarz …
Als wir die Augen wieder öffnen, liegt der Pferdekopf bewegungslos auf dem Tisch. Die alte Frau blickt Ava und mich streng an. „Ich habe euch gewarnt“, entgegnet sie mit schneidender Stimme. Ava scheint durch den grellen Lichtblitz auf einem Auge erblindet zu sein. Die Hexe hat offensichtlich genug von unserer Anwesenheit, führt uns wieder vor die Tür und schickt und fort. Eine denkwürdige Begegnung. Aber entgegen Akiros‘ Aussage meinen Eskel und Ava erkannt zu haben, dass es sich wohl nicht um eine Vettel handelt. Doch was hat es mit den Bildern auf sich? Inwiefern haben sie etwas mit uns zu tun, oder handelt es lediglich um eine Spinnerei? Wir sahen alle dieselben Bilder. Handelt es sich also um die Zukunft Riviens, den Untergang unseres Reiches in einem Meer aus Flammen? Etwas ratlos stapfen wir schweigend am Ufer des Hauerwassers entlang und versuchen die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten.
4. Schattenseiten
Am darauffolgenden Tag beginnt Ava mit dem Bau eines Floßes. Mit diesem wollen wir die Insel im Kerzensee erkunden. Tatsächlich sahen wir des Nachts in der Ferne einige diffuse Lichter, von welchen uns bereits berichtet wurde. Magni und Karosh helfen der Halblingsdame, indem sie einige Bäume fällen und das Holz zum Ufer schleppen. Unterdessen wandere ich mit Eskel am Fuße des Sees entlang bis wir die Mündung des Flusses Murks erreichen. Es dauert nicht lange, da erspähen wir eine Aue, welche mit Palisaden befestigt ist. Im Unterholz versteckt beobachten wir einige Echsenmenschen, welche sich dort aufzuhalten scheinen. Auch entdeckt der Alchemist im Wasser ein Krokodil, was anscheinend in friedlicher Koexistenz mit dem Echsenvolk lebt.
Wir kehren zu unseren Gefährten zurück und berichten ihnen von unseren Beobachtungen. Dabei erinnern wir uns an den Troll, von welchem unser Koboldfreund Rußschuppe erzählte. Dieser meinte die Echsenmenschen für einen Krieg gegen uns gewonnen zu haben. Kurzentschlossen ändern wir unser Vorhaben und fahren mit dem von Ava gebautem Floss am Ufer entlang bis zur Flussmündung. Dort verstecken wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit und beratschlagen unser Vorgehen. Ich plädiere dafür Kontakt mit dem Echsenvolk aufzunehmen, doch meine Freunde wollen die Möglichkeit eines Hinterhalts nutzen. Somit setzen wir im Schutze der Dunkelheit über. Wachen wurden nicht aufgestellt, weshalb wir problemlos unbemerkt bis zu dem massiven Holztor vordringen können. Da wir davon ausgehen, dem Echsenstamm überlegen zu sein, verzichten wir auf einen komplizierten Plan. Ich vergrößere Karosh und dieser wirft sich mit voller Wucht, gemeinsam mit Eskel und Magni, gegen das Tor. Es dauert nicht lange bis die Balken nachgeben und das massive Holz unter dem Ansturm birst.
Als Karosh sich durch die Trümmer kämpft, fliegt ihm ein Dutzend Speere entgegen. Die meisten verfehlen ihn oder prallen von seiner Rüstung ab, doch einige durchdringen seine ledrige Haut. Rasend vor Wut stürzt er sich auf die Echsenmenschen in vorderster Front. Der Stammesführer gibt einige kehlige Laute von sich, woraufhin vier Krokodile aus der Dunkelheit hervorgeschossen kommen und Magni anfallen. Eskel und Ava eilen dem Zwerg zur Seite. Die Druidin beschwört sogleich einen Felshagel, welchen sie auf die dicht gedrängt stehenden Echsen niederregnen lässt. Jedoch ist sie einen Moment lang unaufmerksam und wird von einem zuschnappenden Krokodil gepackt. Eskel drischt panisch mit seinem Bastardschwert auf das Tier ein, bis sich Ava aus dem Maul des leblosen Ungetüms befreien kann. Ich unterstützte meine Freunde mit einem Hast-Zauber und bringe unsere Gegner ins Wanken, indem ich den sandigen Untergrund aufwühle. Doch kaum habe ich die Zauber gewirkt, da erteilt der Echsenhäuptling einen weiteren Befehl: „Schnapp dir den Magier.“ Bevor ich reagieren kann, erscheint ein Lichtball über mir und ein heftiger elektrischer Schock durchfährt mich. Sofort mache ich mich unsichtbar und fliehe. Bei der mysteriösen Lichtkugel handelt es sich um ein Irrlicht und ich bin mir nicht sicher, ob dieses mich nicht trotz des Zaubers wahrnehmen kann. Karosh hat mittlerweile einen Leichenberg um sich herum aufgetürmt und Blut rinnt seine Arme herab, wobei ich nicht einschätzen kann, ob es sich lediglich um das seiner Feinde handelt. Eskel wendet sich nun dem Irrlicht zu, welches meinen Freunden elektrische Stöße versetzt. Zwar hätte ich nicht vermutet, dass er mit seinem Schwert etwas gegen dieses Wesen ausrichten kann, doch als seine Klinge durch den Lichtball pflügt, trudelt dieser. Nach einem weiteren perfekt gezielten Hieb verpufft das Irrlicht gänzlich. Magni ist inzwischen mit den restlichen Krokodilen beschäftigt und die mächtigen Kiefer der Reptilien haben sich einige Male tief in seine Beine geschlagen. Für Verwirrung unter unseren Gegnern sorgt Ava, indem sie zwei weitere Krokodile beschwört, welche ihre Artgenossen anfallen. Zudem schickt sie eine Flammenkugel durch die Reihen der Echsen. Aus sicherer Entfernung gelingt es mir eines der Krokodile und den Echsenanführer in eine beschworene Grube zu stürzen. Wenige Augenblicke später können wir den Kampf für uns entscheiden. Den Echsenhäuptling nehmen wir als Gefangenen, um Informationen bezüglich der Allianz der Wilden zu erhalten.
Doch die Befragung verläuft gänzlich anders, als wir es uns vorgestellt haben. Schnell stellt sich heraus, dass die Echsen ein recht friedliches Volk sind. Zwar habe der besagte Troll namens Vasket die Echsenmenschen tatsächlich aufgesucht und sie durch Drohungen dazu bringen können, ihm Unterstützung zuzusagen, jedoch sei es nie zu kriegerischen Maßnahmen gekommen. Derartiges sei nicht im Interesse des Echsenvolks gewesen, welches ein zurückgezogenes traditionelles Leben präferiert. Den Aussagen des Anführers scheinen aufrichtig zu sein und jeder Satz offenbart deutlicher unseren Irrtum und unser höchst unmoralisches Vorgehen. Zwar hatten wir guten Grund zu anderen Annahmen, mussten wir doch mitansehen, wie sich wilde Völker des Waldes bereits gegen uns verschworen hatten, jedoch handelten wir unüberlegt und überstürzt. Durch eine Kontaktaufnahme hätten wir sicherlich Unstimmigkeiten beseitigen und einer blutigen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen können. So haben wir einen ganzen Stamm auf brutalste Weise abgeschlachtet. Überlebt haben lediglich einige Echsenweibchen, acht kleine Geschöpfe im Säuglingsalter und der Häuptling. Nach kurzer Beratung, in welcher wir alle sehr getroffen sind, wir uns jedoch klar, dass es nun zu spät ist die Echsen zu verschonen. Ließen wir die Überlebenden in Freiheit, wären sie unsere ärgsten Feinde auf Lebenszeit. Und dies unmittelbar vor den Toren unseres Reiches. Widerwillig und zutiefst getroffen, vollenden wir unser schreckliches Werk, indem wir Anführer und Echsenweibchen exekutieren. Alle Leichen verbrennen wir inmitten des Lagers. Die Kleinen verschonen wir jedoch. Zwar haben wir keinen Plan, wie mit ihnen in Zukunft zu verfahren sei, aber sie werden sich wohl nicht an diesen Tag erinnern können. Ihre Schreie klingen wie Anklagen in unseren Ohren.
Siebzehnte Sitzung am Samstag, den 15. April 2017 in Frankfurt.
Mit Tobi, Dominik, Lena, Lucas, Lukas und mir.
Zuletzt von Jakob am Do Sep 21, 2017 2:05 pm bearbeitet; insgesamt 10-mal bearbeitet