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#40 (2) Der Mann mit den zwei Gesichtern (5. Arodus, 4712 AZ)

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Jakob

Jakob

Eine Erzählung von Faquarl

Am Morgen des 5. Arodus, dem Tag nach unserer Hochzeit, erwache ich durch ein Klopfen an der Tür aus meiner Trance. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel, denn die Festlichkeiten endeten erst spät in der Nacht und bis eben genoss ich die Ruhe nach all den anstrengenden Tagen und Wochen. Mina schein schon einige Zeit wach neben mir zu liegen. Ich sehe sie fragend an. „Erwartest du jemanden?“ Doch weil dem nicht so ist, stehe ich auf um nachzusehen. Bis ich das Erdgeschoss des Turmes erreiche, klopft es noch ein weiteres mal. Vor der Türe stehen zwei Narlgaarder Wachen. „Guten Morgen Magister Faquarl. Bitte entschuldigt die Störung, Vater Grigori schickt uns. Er möchte euch etwas zeigen. Scheinbar hat auch er etwas organisiert für eure Hochzeit. Es hat mit irgendeinem Buch zu tun.“ Mein Herz springt in diesem Moment höher, doch ich lasse mir dies nicht anmerken. „Für die Störung braucht nicht ihr um Entschuldigung bitten, dafür mache ich Grigori verantwortlich“, scherze ich. „Vielen Dank. Bitte richtet ihm aus, dass ich mich sogleich auf den Weg machen werde. Habt ihr heute Morgen schon etwas gegessen?“, und bevor die beiden ablehnen können, überreiche ich ihnen zwei Stücke von Mathildas vorzüglicher Hochzeitstorte.

Ich lasse mein morgendliches Ritual ausfallen, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe und klaube nur mein wichtigstes Hab und Gut zusammen. Shae scheint ausgeflogen zu sein, ich kann sie nirgends entdecken. Zurück im Schlafzimmer informiere ich Mina. „Vater Grigori scheint etwas Interessantes für mich zu haben und bittet mich kurz vorbei zu schauen. Ich beeile mich, dann können wir noch gemeinsam frühstücken.“ „Ein Hochzeitsgeschenk? Wieso hat er dir dies nicht gestern überreicht?“, fragt sie etwas spöttisch. Als ich über die Schwelle ins Freie trete denke ich über ihre Worte nach. Nein, ein Hochzeitsgeschenk ist dies sicher nicht. Es sähe Vater Grigori gar nicht ähnlich solch wichtige Informationen in Form eines Geschenkes zu überreichen. Vielleicht hat er abgewartet, bis ich Zeit habe ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken. Außerdem, so fällt mir ein, war Grigori noch kurz vor der Hochzeit nicht zugegen. Eventuell war er unterwegs, um weitere Nachforschungen zu dem Folianten anzustellen. Um welchen der beiden handelt es sich wohl, das Buch der Duergar oder die Pnakotischen Manuskripte? Während ich über diese Frage nachdenke, betrete ich den Abadar-Tempel, wo mich Bruder Jeremias in Empfang nimmt. „Magister Faquarl! Vater Grigori erwartet euch.“ Er begleitet mich die Treppe hinunter und einen Korridor entlang zu seinen Gemächern. Auf der schweren Holztür, welche bereits einen Spalt offen steht ist ein großer, goldener Abadar-Schlüssel abgebildet. Ich stoße sie auf und blicke in ein wohlhabend eingerichtetes Zimmer.

Als ich den Raum betrete wird mir kurz etwas schwindelig und mich überkommt ein merkwürdiges Gefühl, was mich erschauern lässt. Hinter mir höre ich die Tür ins Schloss fallen. Irritiert blicke ich mich um. Jeremias steht neben mir und sieht mich unverwandt an, doch aufgrund der goldenen Maske kann ich seinen Gesichtszügen nichts entnehmen. Der Raum ist schmal, lang und mit Wandteppichen ausgekleidet. In dessen Mitte steht ein ausladender Tisch aus Mahagoni, darauf ein Kerzenständer, welcher den Raum in diffuses Licht hüllt. Vater Grigori sitzt im hinteren Teil der Gemächer auf einer Holzbank. Anstelle seiner goldenen Gewänder, trägt er eine graue Kutte. Ich blicke ihn misstrauisch an. „Was geht hier vor?“, und während ich auf eine Antwort warte, murmle ich „gûl“. Doch wie ich bereits erwartet habe geschieht nichts, der Strom magischer Energie wird blockiert. Ein antimagisches Feld! Ich blicke mich um und ein großes Relief direkt hinter Vater Grigori springt mir ins Auge: Eine verzerrte Fratze. Aller Wahrscheinlichkeit nach eine göttliche Symbolik, welche mir jedoch unbekannt ist. Darunter befindet sich eine kleine Einbuchtung in der Wand, ein kleines Becken gefüllt mit einer dunkelroten Flüssigkeit. Symbole Abadars sind nicht im Raum angebracht. Anstatt mir zu antworten, führt Vater Grigori langsam seine Hand zur Maske und nimmt diese das erste Mal in meiner Anwesenheit ab.

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Als ich erblicke was dort zum Vorschein kommt wird aus der Hoffnung auf ein glimpfliches Ende Gewissheit: Ich werde diesen Raum nicht lebend verlassen. Grigoris aschfahles Gesicht ist vernarbt und aus seinen tiefliegenden Augen fixiert er mich wie ein Raubtier seine Beute. In diesen Augenblicken werde ich ganz ruhig. Die Bilder fügen sich zusammen und beginnen einen Sinn zu ergeben. „Ich habe Euch schon einmal gesehen“, spreche ich, seinen Blick erwidernd. Mit Genugtuung bemerke ich, dass sich Vater Grigoris Augen irritiert weiten. „Habt Ihr?“ „Das habe ich.“, antworte ich bestimmt. „Erzählt mir davon.“ Es vergehen einige Sekunden, in welchem ich versuche meine rasenden Gedanken zu ordnen. „Wo habt Ihr mich gesehen, Faquarl? Ich kann mich nicht daran erinnern Euch mein Gesicht jemals gezeigt zu haben.“ Doch anstatt direkt auf seine Frage zu antworten, fasse ich den Strom meiner Gedanken in Worte. „Ihr verurteiltet ihn zum Tode. Habt ihr darauf gehofft wir würden Euer Werkzeug hinrichten und uns selbst durch diesen Akt zu Euren Gehilfen machen? Ein ausgefeilter Plan, keine Frage.“ Er nickt anerkennend. „Ich verstehe“, und ich fahre mit meinen Gedanken fort. „Zu ärgerlich, dass wir Eurem Urteil nicht gefolgt sind. So musstet ihr selbst Hand anlegen … Weshalb die Müllersfamilie? Wozu das Blutvergießen? … Ihr scheint all dies schon lange geplant zu haben. Ließet Herrn Svanson töten und nahmt seinen Platz in unseren Reihen ein. Zwar misslang es euren Schergen den Fürsten kaltblütig im Schlaf zu ermorden, doch hattet ihr seither sicherlich mehr als eine weitere Gelegenheit. Was veranlasste euch von ihm abzulassen und nun mich ...“ Ich beende diesen Satz nicht, denn einerseits bringe ich es nicht über die Lippen und andererseits wird mir bewusst, dass er auch mich hätte jederzeit töten können. Stattdessen ließ er nach mir schicken und nun stehe ich hier, ausgeliefert, in seinen Gemächern. Einen gewöhnlichen Mord scheint er nicht im Sinne zu haben. „Diese Länder sind längst verloren, Faquarl. Für uns beide ist es an der Zeit diese Station hinter uns zu lassen … Jeremias, öffne die Tür.“

Grigoris Handlanger schreitet durch den Raum, schiebt einen Wandteppich zur Seite und ein Durchgang kommt zum Vorschein. Ich höre sich nähernde Schritte und ein Kratzen von Metall auf Stein. Nach wenigen Augenblicken tritt eine Gestalt aus der Dunkelheit. Sie hat den Körper eines Mannes und ist in eine schwarze Robe gehüllt, welche den Blick auf den muskulösen Oberkörper frei gibt. Die Haut ist mit roten, symmetrischen Mustern verziert und aus dem Kopf entspringt eine Stachelkrone. Aus den Augenhöhlen klafft nur Leere. Ich entsinne mich von solchen Kreaturen gelesen zu haben. Kytonen, Externare aus der Hölle, welche auf die Schattenebene verbannt wurden, mittlerweile aber auf beiden Existenzebenen anzutreffen sind. Dies ist lediglich ein niederer Ostiarius-Kyton, jene welche Sterbliche in die Fänge der Kytonen locken. Doch im nächsten Moment erscheint ein Kyton-Interlokutor in dem viel zu kleinen Gang. Gebückt tritt er in den Raum, nicht imstande sich zu seiner vollen Größe aufzurichten und fängt mich sofort mit seinen schwarzen Augen ein. Der furchteinflößende Körper ist völlig entstellt, gibt den Blick auf Organe, Blutgefäße und Muskeln frei und die Arme sind amputiert. Dafür entspringen aus dem Rücken weitere, mit Klauen und Klingen besetzte Gliedmaßen. Oberkörper und Beine scheinen voneinander getrennt und nur durch einen beweglichen metallischen Sockel miteinander verbunden zu sein. In seinem Kopf stecken einige Klingen, welche an der Decke kratzen.

„Ihr habt nach mir geschickt, ist es das was ihr mir zeigen wolltet?“, frage ich an Grigori gewandt. „Tatsächlich habe ich nichts was ich euch zeigen kann, absolut nichts. Ihr werdet nichts Schönes mehr in diesem Leben zu sehen bekommen. Ihr seid reif.“ In diesem Moment hebt er seine Hand. Der Interlokutor macht einen Schritt auf mich zu. Ich weiß, dass Widerstand zwecklos ist, dass ich keine Möglichkeit habe das Unheil von mir abzuwenden und bleibe schicksalsergeben stehen. Scharfkantige Krallen schneiden sich in mein Fleisch, der Schmerz schwillt an, wird überwältigend und ich verliere mein Bewusstsein.

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Ostiarius Kyton, Sakristan Kyton, Kyton-Interlokutor

Schmerzen, so unerträglich wie ich sie mir nicht hätte ausmalen können. Mein Geist ist benebelt. Metallische Geräusche, mir unverständliche Wortfetzen, Kreaturen unterhalten sich auf infernal. Plötzliche Linderung, ich reiße meine Augen auf. Über mich gebeugt sind zwei Kytonen. Der Interlokutor und ein Sakristan-Kyton, seine Augen sind von einem Lederband verbunden. Am ganzen Körper trägt er mit Widerhaken versehene Metallketten. Aus Schädel und Kiefer ragen Eisenstäbe. Erinnerungsfetzen tauchen vor meinem geistigen Auge auf. Nicht nur Grigoris Gesicht, auch diese beiden Kreaturen sah ich, als ich in den Geist Moussan Sahrs eindrang. Ich versuche mich umzusehen, bin jedoch fixiert und kann lediglich den Kopf ein wenig drehen. Sofort erkenne ich, dass ich mich nicht mehr in Grigoris Gemächern befinde, sondern in einem Laboratorium. Überall befinden sich metallische, mit Blut befleckte Werkzeuge. Aus den milchigen Fenstern spähend erkenne ich eine gewaltige Stadt, deren skurrile Bauten sich bis zum Horizont erstrecken. Diese schier endlose Stadt wird von einem blutroten Himmel überspannt. Ich befinde mich in der Hölle, auf ihrer zweiten Ebene in der Stadt Dis, der größten Stadt des Multiversums. Ein durchdringender Gestank nach Schwefel lässt meine Lungen schmerzen. Ich werfe einen Blick an mir herab und sofort wird mir schwindelig. Ich schließe die Augen, öffne sie erneut und blicke abermals in meinen geöffneten Brustkorb. Blutverklebtes Operationsbesteck ragt aus diesem heraus. Ich atme tief ein, doch muss sofort Husten, was den Schmerz erneut explodieren lässt. Der Interlokutor wirkt einen Heilzauber auf mich. Was haben sie mit mir vor? Ich rufe mir ins Gedächtnis, was ich über diese Kreaturen las. Was Kytonen eint ist ihr Drang nach Selbstperfektion, wofür sie operative Eingriffe an sich selbst vornehmen. Die Interlokutor sind die Meister dieser Kunst. Ich befinde mich also zumindest in der Hand von Experten. Doch weshalb nehmen sie diese Eingriffe an mir vor? Wollen sie etwa mich zu einem von ihnen machen? Es macht einen Ruck, mein Körper erzittert, ich stöhne auf. Vor mir der Kyton-Interlokutor, in seinen Klauen hält er mein schlagendes Herz.

#40 (2) Der Mann mit den zwei Gesichtern (5. Arodus, 4712 AZ) Hzlle_10

Prolog zur vierzigsten Sitzung am Dienstag, den 14. August 2018 in Frankfurt.
Mit Tobi und Paul.

Jakob

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Bitte in "Das Leben in den Raublanden" verschieben. In diesem Forum habe ich nicht die nötigen Rechte, um es selbst zu machen.

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