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Interludium XII: Zora Rogarvia

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1Interludium XII: Zora Rogarvia Empty Interludium XII: Zora Rogarvia Sa Apr 20, 2019 9:01 pm

Jakob

Jakob

30. Rova 4712 A.Z.

Personen

MORAVEN Tolo von Riva, Fürst Riviens
FAQUARL Lodowka von Riva, Magister Riviens


Erste Szene

Die Hirschfeste. Gemächer des Fürsten.
Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch die geöffneten Balkontüren. Der Fürst liegt auf dem Bett und zupft gedankenverloren an seiner Laute. Es klopft. Moraven hält inne. Es klopft abermals.

FAQUARL. Moraven?
Keine Reaktion.
FAQUARL. Ich weiß, dass Ihr dort drinnen seid.
Moraven setzt sein unrhythmisches Spiel mit der Laute fort.
FAQUARL. Ich habe eine Entdeckung gemacht und muss mit Euch reden. Es wird Euch nicht langweilen. (genervt) Darf ich nun eintreten?
MORAVEN. Ich wäre ein Narr zu glauben, ich könnte Euch durch bloßes Schweigen täuschen. Und nur ein Narr könnte annehmen, dass Euch irgendetwas aufhalten könnte dieses Zimmer zu betreten. Weshalb also Mühe auf leere Floskeln verwenden?
Faquarl tritt ein und schließt die Tür hinter sich. Er holt ein Seil und allerlei Dinge aus dem kleinen Beutel an seinem Gürtel hervor. In einer Hand glitzert gelbes Mehl. Dann fasst er Moraven an der Schulter, murmelt einige Worte und wirkt anschließend einen zweiten Zauber. Das Seil beginnt gen Decke zu schweben.
MORAVEN. (spöttisch) Meint Ihr nicht, dass Ihr Euch manchmal etwas zu ernst nehmt? Worum geht es diesmal?
Faquarl wirft einen vielsagenden Blick auf die Laute des Fürsten. Moraven erhebt sich von seinem Bett, das Instrument zurücklassend, und beginnt das Seil emporzuklettern, dessen Ende scheinbar im Nichts einige Fuß über den Köpfen der beiden schwebt. Oben angekommen verschwindet der Fürst.


Zweite Szene

Ein extradimensionaler Raum in Orange- und Blautönen.
Fürst Moraven und Magister Faquarl.

MORAVEN. (sieht sich um) Komplementär, wie schön! Habt Ihr euch von Erwil inspirieren lassen?
Der Fürst setzt sich im Schneidersitz auf den Boden. Sein Blick folgt Faquarl, der einige Male den Raum abschreitet, bevor er sich setzt. Moraven erkundigt sich höflich nach Tessarael und Mina. Faquarls Antwort fällt knapp aus. Er scheint in Gedanken.
MORAVEN. Was ist es, das Euch bewegt? Worüber wollt Ihr mit mir sprechen?
FAQUARL. Was geschah nicht weit von Grollegshain?
MORAVEN. (holt tief Luft) Das ist eine lange Geschichte. Habt Ihr heute noch etwas vor?
Faquarl macht eine einladende Geste und Moraven beginnt mit seiner Erzählung. Er berichtet von der Ankunft in Grollegshain, der Begegnung mit der Zwergenkriegerin Paldna und dem Kampf im, von Goblins bevölkertem, Gutshaus. Auch erzählt er von den dort vorgefundenen Gemälden, doch erst als er auf den Zeitungsartikel, welcher vom Tod Zora Rogarvias berichtet, zu sprechen kommt, unterbricht Faquarl den Fürsten.
FAQUARL. Mir scheint Ihr habt dort viele wichtige Entdeckungen gemacht. Warum habt Ihr uns nicht längst davon berichtet?
MORAVEN. (hält einen Moment inne) Nun, wie Ihr wisst war ich in nicht sonderlich gutem Zustand bei meiner Rückkehr.
FAQUARL. Das hätte ich fast vergessen. Und doch ist seither viel Zeit verstrichen und Ihr hattet mehr als eine Gelegenheit uns davon in Kenntnis zu setzten.
MORAVEN. Da habt Ihr recht, das hatte ich gewiss. Doch plagten uns andere Sorgen und ich muss gestehen, dass ich aus den Augen verlor, was dort geschah. Nicht zuletzt, weil Layra – nun, weil auch sie die Ereignisse nicht weiterverfolgte.
FAQUARL. Ich will Euch deshalb keinen Vorwurf machen. Bitte fahrt fort. Was ist geschehen, nachdem ihr das Gutshaus von den Goblins befreit hattet?
MORAVEN. Wir fanden heraus, dass Zora Rogarvia etwas abseits des Hauses beigesetzt wurde. Doch auch diese Gebäude waren bewohnt. Ein Ogerstamm und weitere Goblins tummelten sich dort. Wir versuchten sie zu vertreiben, aber diesmal war das Glück nicht auf unserer Seite.
FAQUARL. Was ist geschehen?
MORAVEN. Im Schutz der wilden Reben schlichen wir uns an, doch als wir zum Angriff übergingen stürzte Finnvarra ab.
FAQUARL. (irritiert) Er stürzte ab?
MORAVEN. Es war ein Zauber. Einer der Goblins ließ den Greifen in einen magischen Schlaf fallen. Layra eilte sofort zu ihm, stellte sich schützend vor ihren Gefährten und verteidigte ihn gegen die Riesen und Goblinoiden. Plötzlich waren um mich herum nur noch Feinde. Goblins bewarfen mich mit Brandbomben und die Oger schlugen mit ihren baumstammartigen Keulen nach mir.
FAQUARL. Wie konnte es dazu kommen? Hätte Layras Zauber Euch nicht vor Angriffen schützen sollen?
MORAVEN. (zögernd) Nun, das hätte er getan, wenn ich nicht ein Alchemistenfeuer nach diesen Barbaren geworfen hätte.
FAQUARL. (bestürzt) Ihr habt was?
MORAVEN. (beschwichtigend) Im Eifer des Gefechts. Wie es manchmal so zugeht.
FAQUARL. (schüttelt mit dem Kopf) Fürst Moraven Tolo von Riva, von Ogern und Goblins erschlagen.
MORAVEN. Ein Moment der Unachtsamkeit.
FAQUARL. Ihr müsst euch besser vor Angriffen eurer Feinde schützen. Die Zeiten, in denen Ihr Euch auf die Fähigkeiten Layras verlassen konntet, sind vorbei.
MORAVEN. Ich arbeite bereits an einem magischen Kettenpanzer.
FAQUARL. Vielleicht wäre es besser, Ihr würdet von solchen Expeditionen in Zukunft Abstand nehmen. Zu häufig habt Ihr Euch in Vergangenheit in große Gefahr gebracht. Mareen berichtete mir –
MORAVEN. (unterbricht Faquarl) Es freut mich zu hören, dass Ihr Euch um mein Wohlergehen sorgt. Doch bitte unterlasst es mir Vorschriften machen zu wollen.
FAQUARL. Ich wollte lediglich zu bedenken geben –
Der Fürst scheidet Faquarl das Wort mit einer Handbewegung ab.
MORAVEN. Genug davon. Ich nehme an Ihr seid nicht gekommen, um mir Ratschläge zu erteilen.
FAQUARL. Gewiss nicht. Habt Ihr mit Layra über ihre Entdeckungen nach eurem Ableben gesprochen? Hat sie Euch mitgeteilt, was sie im Keller vorfand?
MORAVEN. Im Keller? Ich bin mir nicht sicher einen Keller erwähnt zu haben. Mir scheint als wisst Ihr bereits mehr als Ihr vorgebt.
FAQUARL. (zögert) Würde Euch das denn verwundern?
MORAVEN. Tatsächlich sollte es das wohl nicht.
FAQUARL. Ich habe mir die Fundstücke angesehen, welche Layra aus Grollegshain mitbrachte.
MORAVEN. (aufgebracht) Das sind Layras Angelegenheiten. Ihre Vergangenheit, nicht die Eure. Ihr hattet kein Recht dazu.
FAQUARL. Ich bat sie darum, mir die Sachen ansehen zu dürfen.
MORAVEN. Ihr wisst genau so gut wie ich, dass sie nicht in der Lage ist dies zu beurteilen. Sie kann die Bedeutung dieser Entdeckungen doch gar nicht einordnen.
FAQUARL. Wir können Layra nicht behandeln wie eine Unmündige. Ich habe ihr zugetraut diese Entscheidung zu treffen.
Moraven scheint noch immer nicht einverstanden und etwas verärgert über das Vorgehen des Magisters.
FAQUARL. Hat Layra Euch nun von ihren Entdeckungen berichtet oder nicht?
MORAVEN. Sie hat das Grab Zora Rogarvias gefunden. Doch es war leer, keine Spur einer Leiche. Jedoch sei ein Brief darin gewesen, welcher an sie adressiert war. Layra nannte mir den Namen des Autors, aber ich erinnere mich nicht mehr.
FAQUARL. Ithilghalad Naeval.
MORAVEN. Richtig. Das war der Elf, den wir bereits zuvor auf den Gemälden gesehen hatten.
FAQUARL. War das alles? Habt Ihr den Brief nie zu Gesicht bekommen?
MORAVEN. Nein, das habe ich nicht. Als ich sie darauf ansprach schien sie besorgt und verwirrt zugleich. Ich meinte es könne warten bis nach Eurer Hochzeit. Wir hatten alle Hände voll zu tun in diesen Tagen und ich war, vielleicht erinnert Ihr Euch noch, nicht bei Kräften. Sie erzählte zwar von dem Ring, der in den Brief eingewickelt war, aber erst einige Tage später, in der Bibliothek in Vahlxefesh’zars, konnte ich einen Blick darauf werfen. Die Drachenfrau erkannte sofort worum es sich handelte. Ein Ring der Pharasma. Streift man ihn über den Finger – (mit einem Blick auf Faquarl unterbricht er seinen Satz) Ihr wisst es bereits.
FAQUARL. Mareen berichtet mir davon.
MORAVEN. Habt Ihr ihn anprobiert?
FAQUARL. Ein schwarzer Rauchfaden.
MORAVEN. Ein schwarzer Rauchfaden.
FAQUARL. Es muss ein Schock für sie gewesen sein.
MORAVEN. Das war es. Sie konnte sich an nichts erinnern.
FAQUARL. Nun hat sie auch das vergessen.
Einige Augenblicke herrscht betretenes Schweigen. Dann reicht Faquarl Moraven den zerknitterten Brief Ithilghalads. Moraven zögert einen Moment, nimmt ihn dann aber widerstrebend entgegen.
MORAVEN. (ließt langsam den Brief) 26. Desnus 4699 Absalom Zeitrechnung. (denkt einen Moment nach) Layra meine kleine Sonne.
FAQUARL. Layra ist der elfische Ausdruck für »Sonne«.
MORAVEN. Du ließt Dich nicht täuschen von der Dunkelheit, die Nacht sie erschien Dir wie – der? – freudigste aller Tage und doch konnte sie Dich nicht verführen. Nichts kann je gut machen wozu Schwesterliebe mich zwang, kein Gott wird verzeihen meine befleckten Hände. Wenn Du es bist die uns in Händen hält und zögerlich merket, was ihr anget- (nachdenklich) Hier fehlt ein Stück. Was ihr angetan vielleicht. Wenn Du es bist die uns in Händen hält und zögerlich merket, was ihr angetan –sich ändern.
FAQUARL. Nichts wird sich ändern? Alles wird sich ändern? Hier können wir nur spekulieren.
MORAVEN. Ein geflügeltes Geheimnis –
FAQUARL. Gelüftet. Ein gelüftetes Geheimnis.
MORAVEN. Ein gelüftetes Geheimnis will und kann sich nicht wieder verbergen. Es zeichnet alle – Wieder fehlt ein Stück. Es zeichnet alle, die es -agen? mit dem Mal der Wahrheit das brennend auf der Stirn in die Welt getragen werden will. Layra – Behutsamkeit Deine engste Begleiterin sein. Such mich nicht wir werden –. Ithilghalad Naeval.
Moraven ließt den Brief noch einige Male durch und versucht sich auf die fehlenden Stellen einen Reim zu machen. Dann wirkt er einen Zauber, doch nichts geschieht.
FAQUARL. Das habe ich ebenfalls versucht. Aber auch Magie kann die verlorenen Passagen nicht rekonstruieren.
MORAVEN. Schwesterliebe? Ithilghalad ist ein Elf.
FAQUARL. Ein Halbbruder vielleicht.
MORAVEN. Layra Naeval? (memorierend) Nichts kann je gut machen wozu Schwesterliebe mich zwang, kein Gott wird verzeihen meine befleckten Hände. (energisch) Was hat er ihr angetan? War er für ihren Gedächtnisverlust verantwortlich?
FAQUARL. Der Brief stammt aus dem vergangenen Jahrhundert.
MORAVEN. Layras erste Amnesie liegt jedoch nicht so lange zurück.
FAQUARL. Das Datum des Briefes ist aus noch anderen Gründen interessant, meint ihr nicht? 26. Desnus.
Faquarl holt den Zeitungsartikel hervor.
FAQUARL. Dieser Artikel ist vom 19. Desnus desselben Jahres.
MORAVEN. Aber was hat der Tod Zora Rogarvias mit dem Brief zu tun?
FAQUARL. Der Brief wurde in ihrem leeren Grab gefunden. Und in ihn eingewickelt war der Ring.
MORAVEN. Zora verstarb wenige Tage bevor das gesamte Adelsgeschlecht der Rogarvias spurlos verschwand. Doch ihr Grab ist leer. Wenn wir nicht diese Urne gefunden hätten, könnte man nun vermuten, dass auch alle sterblichen Überreste der Rogarvias verschwanden.
FAQUARL. Doch die Asche Melina Rogarvias ist noch in der Urne. Ich habe mich schon gefragt, weshalb ihr sie mitgebracht habt.
MORAVEN. Auch merkwürdig ist, dass Ithilghalad Naeval den Gutshof wenige Jahre später an Kevan Mannig verkaufte und auf der Urkunde im Namen der rechtmäßigen Besitzerin Zora Rogarvia unterschrieb. Wie kann die verstorbene Zora die rechtmäßige Besitzerin sein?
FAQUARL. Wir beide wissen nur zu gut, dass selbst der Tod kein irreversibler Zustand ist.
MORAVEN. Ihr meint sie wurde zurück ins Leben geholt?
FAQUARL. Ist das nicht der naheliegende Schluss?
MORAVEN. Das würde bedeuteten, dass es womöglich noch eine letzte Rogarvia gibt. Die letzte ihres Namens. Der unbekannte Absender forderte Layra auf nach Zora Rogarvia zu suchen. Vielleicht hat sie etwas übersehen. Einen Hinweis der auf den Aufenthaltsort der letzten Rogarvia schließen lässt.
FAQUARL. (memorierend) In jeder Nische wartet das Unvorhergesehene, das, woran sich unsere Erwartungen an Welt aktualisieren. Geheimnisse. Deines, Layra, wartet nicht weit von Grollegshain.
MORAVEN. Das waren die Worte.
FAQUARL. Ich meine, dass sie das Geheimnis gelüftet hat. Spätestens in dem Moment, als sie die Bedeutung des Ringes erkannte. Sie hat Zora Rogarvia gefunden.
MORAVEN. (irritiert) Wie meint Ihr das? Zora Rogarvia gefunden?
FAQUARL. Layra ist Zora Rogarvia.
Moraven sieht Faquarl einen Moment verständnislos an. Dann sprudelt es aus ihm heraus.
MORAVEN. Du ließt Dich nicht täuschen von der Dunkelheit, die Nacht sie erschien Dir wie der freudigste aller Tage und doch konnte sie Dich nicht verführen.
FAQUARL. Layra kehrte zurück aus Pharasmas Reich.
MORAVEN. Der Ring, ein schwarzer Rauchfaden.
FAQUARL. Layra – die letzte Rogarvia. Ihr wisst was das bedeutet?
MORAVEN. Was meint Ihr nun damit schon wieder?
FAQUARL. Als Choral der Eroberer 4499 in Brevoy einfiel war es Nikos Surtowa, Herrscher über Issien, welcher als erstes das Knie vor ihm beugte. Nikos heiratete Myrna Rogarvia, die Tochter Chorals. Als zweihundert Jahre später König Urzen Rogarvia verschwand und mit ihm das gesamte Adelsgeschlecht, bestieg Noleski Surtowa den Thron. Sein Anspruch stützt sich auf die Verwandtschaft zu Choral Rogarvia. Doch sollte Layra tatsächlich die letzte Rogarvia sein, so ist auch sie die rechtmäßige Erbin des Drachenschuppenthrons.
MORAVEN. Vielen Dank für diese aufschlussreiche Lehrstunde. Mir ist die Geschichte bekannt. Doch Layra würde niemals die Herrschaft über Brevoy beanspruchen.
FAQUARL. (bestimmt) Aber sie ist die rechtmäßige Königin! Versteht doch. In den Augen Noleskis und jedes anderen Surtowa spielt es keine Rolle, ob sie ihr Recht tatsächlich beansprucht. Allein ihre Existenz nimmt den Surtowas den Anspruch auf den Drachenschuppenthron und untergräbt ihre Autorität als Regenten. Wie würden die anderen Adelshäuser reagieren, wenn sie davon erfahren? Und wer garantiert, dass nicht Layras Nachkommen ihren Anspruch geltend machen?
MORAVEN. Was schlagt ihr also vor?
FAQUARL. Wir müssen wohl überlegen mit wem wir diese Informationen teilen. Vielleicht sollten wir versuchen sie vor der Welt geheim zu halten. Ich habe bisher mit niemandem darüber gesprochen, selbst vor Shae habe ich meine Gedanken verborgen. Da Layras Erkenntnis im Styx ertrank, seid Ihr und ich die einzigen, welche eingeweiht sind. Ich habe lange überlegt wem ich mich anvertraue. Daher bitte ich Euch dieses Geheimnis mit Bedacht zu hüten.
MORAVEN. Wer auch immer Layra zurück ins Leben geholt hat, wird vermutlich ebenfalls eingeweiht gewesen sein. Außerdem dürft Ihr den unbekannten Absender nicht vergessen. Er hat Layra erst darauf gestoßen und scheint daher um das Geheimnis zu wissen.
FAQUARL. Ithilghalad Naeval. Was waren noch gleich seine Worte? Ein gelüftetes Geheimnis will und kann sich nicht wieder verbergen. Es zeichnet alle mit dem Mal der Wahrheit, das brennend auf der Stirn in die Welt getragen werden will.
MORAVEN. Seid Ihr euch sicher, dass er es war, der Layra die Nachricht hat zukommen lassen?
Faquarl legt die beiden Briefe nebeneinander. Die Handschriften scheinen identisch.
MORAVEN. Tatsächlich. Zoras Halbbruder – oder sollte ich sagen: Layras Halbbruder? – er ist also am Leben, weiß um ihr Geheimnis und nun, nach über zehn Jahren, stößt er sie auf ihre Vergangenheit.
FAQUARL. Gewissensbisse vielleicht? An dieser Stelle kann ich nur mutmaßen. Aber wir haben noch weitere Hinweise auf Layras Verwandtschaft.
Faquarl zieht die Abbildung hervor. Ein Elf und eine Menschenfrau umarmen sich. Dazwischen steht Layra in jungen Jahren.
FAQUARL. Es ist auf das Jahr 4658 datiert. Layra im Alter von 23 Jahren.
MORAVEN. Wie lässt sich das präzise bestimmen? Selbst Layra konnte nie genau sagen wie alt sie war.
FAQUARL. Auf dem Sargdeckel waren zwei Jahreszahlen eingraviert. 4625-4699.
MORAVEN. Ihr wart vor Ort?
FAQUARL. Ich musste es mit eigenen Augen sehen.
MORAVEN. Dann ist sie bereits 87 Jahre alt. Wie dem auch sei. (zeigt auf das Bild) Es ist anzunehmen, dass dies ihre Eltern sind. Ein weiblicher Mensch, ein männlicher Elf. Sie ist eine Halb-Elfe. Alles scheint zu passen. Demnach ist Ithilghalad der Sohn ihres Vaters. Also ist der Vater ein Naeval und die Mutter eine Rogarvia. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihr Vater noch am Leben ist.
FAQUARL. Könnte ihr Vater nicht auch mit all den anderen Rogarvias verschwunden sein?
MORAVEN. Nein, der Name Rogarvia konnte nur an die eigenen Kinder weitergegeben werden. Wer sich in die Familie einheiratete war nicht befugt den Namen des Herrschergeschlechts anzunehmen. All diese Personen verschwanden nicht.
FAQUARL. Nun seid Ihr es, der mir eine Lehrstunde erteilt.
MORAVEN. Es ist tröstlich zu erfahren, dass auch Ihr nicht allwissend seid.
FAQUARL. Vielleicht sollten wir versuchen Ithilghalad oder Layras Vater ausfindig zu machen?
MORAVEN. Eben noch habt ihr davor gewarnt das Geheimnis in die Welt zu tragen. Weshalb das Risiko eingehen?
FAQUARL. Ihr habt Recht, es wäre töricht voreilig zu handeln. Und doch meine ich, dass sich diese Sache nicht lediglich um Layras Vergangenheit dreht. Es könnte die Spur zu etwas Größerem sein. Der Schlüssel zu Antworten, auf die ganz Brevoy seit über einem Jahrzehnt wartet.
MORAVEN. Ist das ein Hirngespinst eines aufstrebenden Magiers oder gibt es tatsächlich Indizien, welche das Verschwinden der Rogarvias erklären könnten?
FAQUARL. Vielleicht war es kein tragischer Unfall. Es scheint mir doch ein merkwürdiger Zufall, dass Zora nur wenige Tage vor dem Verschwinden der gesamten Familie zu Tode kam. Am 19. Desnus wurde von ihrem Tod berichtet. Wann verschwanden die Rogarvias?
MORAVEN. Das muss um den 20. Desnus gewesen sein. Ich erinnere noch gut an die folgenden Tage. Ganz Neu-Stetven war auf den Beinen. Es herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Gerüchte überschlugen sich, das Thema beherrschte die Straßen der Hauptstadt.
FAQUARL. Ich meine erst deutlich später davon erfahren zu haben. Erstaunlich wie lange eine solche Nachricht braucht, bis sie in die Tiefen des Gronziwaldes vordringt.
MORAVEN. Stützt sich Eure Vermutung lediglich auf die zeitliche Nähe der Ereignisse? Das ist doch ein reichlich dünnes Indiz.
FAQUARL. Ich frage mich: Wer profitierte von dem Verschwinden König Urzens und allen potenziellen Thronerben? Wer hätte ein Interesse daran haben können? Benachbarte Nationen, welche im Zwist mit Brevoy standen? Doch nutzte niemand die Gunst der Stunde für einen Eroberungsfeldzug. Dann sind da natürlich die Aldori, welche seit zweihundert Jahren unter der Knechtschaft der Rogarvia litten und nun wieder weitestgehend autonom die Rostlande regieren. Aber am meisten profitierten doch die Surtowas und allen voran Noleski. Ein halbes Jahr später wurde seine Regentschaft ausgerufen.
MORAVEN. (nachdenklich) Das ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Merkwürdigerweise stießen wir in dem Gutshaus auf ein Gemälde. Darauf zu sehen war der Elf, Ithilghalad Naeval, und Noleski Surtowa. Ich erzählte Euch davon.
Faquarl holt den alten Kartenbehälter aus seinem nimmervollen Beutel und zieht vorsichtig das besagte Gemälde hervor. Es weist deutliche Spuren von Beschädigungen auf, aber Ithilghalad Naeval und Noleski Surtowa sind zu erkennen. Es sieht aus, als wären die beiden Männer befreundet.
MORAVEN. Ich schätze es ist dreißig oder vierzig Jahre alt. Doch Noleski wirkt darauf nur unwesentlich jünger. Sein wahres Alter ist unbekannt, er scheint ein Geheimnis darum zu machen. Sicher ist jedoch: Er ist wesentlich älter als es den Anschein hat.
FAQUARL. Viel wichtiger ist doch: Er kannte Ithilghalad, sie schienen Freunde zu sein. Angenommen Noleski plante eine Machtübername. Ithilghalad könnte davon mitbekommen haben. Und wenn Zoras Bruder davon wusste, Noleskis Pläne aber nicht vereiteln konnte – vielleicht hat er dann zu anderen Mitteln gegriffen, um seine Schwester zu retten.
MORAVEN. (memorierend) Nichts kann ja gut machen wozu Schwesterliebe mich zwang, kein Gott wird verzeihen meine befleckten Hände.
FAQUARL. Ein grausamer Gedanke.
Es herrscht betretene Stille. Die beiden betrachten schweigend die Malerei. Plötzlich fährt Moraven hoch.
MORAVEN. (erregt) Layras Vision! Sie hat ihn gesehen, sie hat ihren Mörder gesehen! Im Engelsschlund zwischen der ersten und zweiten Höllenebene. Sie sah einen Elfen, der ihr ein Schwert in die Brust rammte. Und sie hörte eine Stimme. »Meine kleine Sonne, lass dich nicht täuschen von der Dunkelheit. Die Nacht sie wird dir erscheinen wie der freudigste aller Tage.« Ithilghalad hat sie getötet, seine eigene Schwester.
FAQUARL. Er muss eingeweiht gewesen sein. Vielleicht gehe ich zu weit den König persönlich zu verdächtigen. Jedoch weiß ich, dass die Linie Naeval-Rogarvia den Surtowas sehr nahestand und ich meine auch gehört zu haben, dass sie Mitte des letzten Jahrhunderts sehr schnell zu großem Wohlstand kamen.
MORAVEN. Und es besteht ein Zusammenhang zwischen ihrem Reichtum und der Verbindung zu den Surtowas?
FAQUARL. Das entzieht sich meiner Kenntnis.
MORAVEN. Wer auch immer diesen Plan geschmiedet hat: Wie soll er das angestellt haben? Wie lässt sich ein ganzes Herrschergeschlecht von einem auf den anderen Tag in Luft auflösen?
FAQUARL. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung. Aber genauso gut könnte man sich die Frage stellen: Wie schafft man es die Bewohner einer ganzen Siedlung verschwinden zu lassen? Die Bewohner Varnburgs zum Beispiel.
MORAVEN. In beiden Fällen gab es keine Leichen.
FAQUARL. Die Parallelen sind beängstigend. Und doch scheint es einige Unterschiede zwischen den Ereignissen zu geben. Die Bewohner Varnburgs verließen ihre Häuser mit all ihrem Reichtum und waren fortan nicht mehr gesehen. Etwas derartiges ist nicht vom Verschwinden der Rogarvias bekannt.
MORAVEN. (leise singend) Fort mit den Flammen, fort mit dem Feind, im Banne mag alles vergehen. Fort mit dem Feuer, fort mit der Last, ins Nichts aus dem all Elend einfiel.
Faquarl sieht den Fürsten fragend an.
MORAVEN. Ein zyklopisches Volkslied. Erwil Pendrot gab es mir, damit ich es übersetzen möge. Eine Übung, es kam mir gerade in den Sinn. Auch Erwil war es, der uns von zyklopischen Hochkulturen berichtete, welche vor über zehntausend Jahren in dieser Region angesiedelt waren. Ein riesiges Reich, deutlich größer noch als Brevoy, soll von ihnen beherrscht worden sein. Sie bauten prächtige Städte und waren Meister der arkanen Künste. Der wohl bekannteste Zyklopenherrscher dieser Zeit war Vordakai, von dem eben jenes Lied handelt. Der Legende nach soll er seine Feinde mit einer mächtigen Waffe aus dieser Welt verbannt haben. Doch dafür musste er ein Blutopfer bringen.
FAQUARL. Ein Blutopfer? Wie ist das zu verstehen?
MORAVEN. Vordakai musste, um die Waffe einsetzen zu können, ihr das Blut seiner Feinde darbieten.
FAQUARL. Und Ihr meint Noleski könnte eben jene Waffe genutzt haben, um die Rogarvias verschwinden zu lassen?
MORAVEN. Es ist nur eine Legende, vergesst das nicht. Nichts davon ist gesichert. Aber Ihr müsst zugeben: Es scheint sich in unsere Geschichte einzufügen.
FAQUARL. Inwiefern das?
MORAVEN. Ihr habt Ithilghalad bisher als stillen Mitwisser und Retter Zoras angesehen. Doch was, wenn er sie nicht vor dem Vorhaben Noleskis schützte? Vielleicht haben die beiden gemeinsame Sache gemacht und Zora war Teil ihres Plans. Zora als Blutopfer.
FAQUARL. Ich bitte die Götter darum, dass Ihr mit dieser Vermutung falsch liegt. Aber ich muss zugestehen, dass es erschreckend plausibel klingt. Und doch stellt sich mir dann die Frage: Was war Ithilghalads Motivation Noleski zu helfen? Was hatte er davon?
MORAVEN. Vielleicht hat Noleski ihm Versprechungen gemacht. Macht, Reichtum – wer weiß? Aber sein Name ist mir unbekannt. Zu großer Macht scheint er es nicht gebracht zu haben.
FAQUARL. Oder er hat eine andere Identität angenommen. Den alten Namen abgelegt – wie er es auch mit Zora gemacht hat – und sein Äußeres verborgen. Nichts leichter als das. Mir fallen auf Anhieb drei unserer Freunde ein, welche ihre Gestalt vor den Augen der Bürger Narlgaards verbergen.
MORAVEN. Ja, das scheint ein Leichtes zu sein. Aber letztlich ist es doch nur eine Gedankenspielerei. In dieser Hinsicht tappen wir im Dunkeln. Was aber glauben wir zu wissen?
Vor ihnen ist mittlerweile ein Sammelsurium an Gegenständen ausgebreitet. Eine Vielzahl von teils verwitterten Gemälden, mysteriöse Briefe, die Urne und im Zentrum: der Ring der Pharasma.
FAQUARL. Layra ist Zora Rogarvia. Ithilghalad Naeval tötete sie, seine eigene Schwester, und kurz darauf verschwand das gesamte Herrschergeschlecht spurlos. Zora ließ man unter neuem Namen auferstehen. Noleski war an diesen Plänen vermutlich maßgeblich beteiligt und konnte sich nach dem Verschwinden der Rogarvias zum Königsregenten erheben. Wie eine ganze Familie vom Erdboden verschluckt werden kann ist und bleibt ein Rätsel. Doch dieses Jahr verschwanden alle Bewohner Varnburgs und der umliegenden Siedlungen unter ähnlichen Umständen. Alte Legenden berichten von Vordakai, einem Zyklopen, der noch vor dem Erdenfall über ein riesiges Reich herrschte und seine Feinde mit einer mächtigen Waffe aus der Welt verbannte. Dafür benötigte er das Blut seiner Feinde. Sollte eben jener Gegenstand zum Verschwinden der Rogarvias geführt haben, so könnte Zora als Blutopfer hingerichtet worden sein.
MORAVEN. Das klingt ja zauberhaft. Aber vergesst nicht den furchteinflößenden untoten Zyklopen, welchen wir aus seinem Gefängnis, dem Hügelgrab, befreiten. Und in der Nähe von Varnburg, wo vor einigen Monaten viele hundert Personen spurlos verschwanden, streifen nun finstere Gestalten durch die Lande, Urdefhane, welche die Zyklopengräber aufsuchten, um dort die Spuren der jahrtausendealten Hochkultur zu vernichten.
FAQUARL. Es scheint wir sind da auf etwas Größeres gestoßen.
MORAVEN. Darauf lasst uns anstoßen.
Der Fürst kramt in seinen Taschen und holt schließlich eine Flasche Grollegshainer hervor. Er setzt beherzt an und reicht sie dann seinem Freund. Widerwillig nimmt Faquarl den Fusel entgegen.



Zuletzt von Jakob am Di Sep 03, 2019 6:58 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

2Interludium XII: Zora Rogarvia Empty Re: Interludium XII: Zora Rogarvia Fr Jul 05, 2019 1:59 am

Jakob

Jakob

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